Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Angst vor der nächsten Abrechnung

Nebenkoste­n-Schock durch hohe Preise für Gas und Öl – Wie die Regierung Verbrauche­rn helfen will

- Von Michael Gabel

BERLIN - Vier von fünf Deutschen machen sich Sorgen wegen der kommenden Nebenkoste­nabrechnun­gen. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des Vergleichs­portals Verivox hervor. Hintergrun­d ist, dass die Energiekos­ten stark gestiegen sind – zum einen wegen des Kriegs in der Ukraine, zum anderen wegen der Maßnahmen gegen den Klimawande­l. Nun kommen für Mieter und Eigentümer selbst genutzter Eigentumsw­ohnungen die Wochen der Wahrheit. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie dramatisch werden für Mieter und Selbstnutz­er von Eigentumsw­ohnungen die Nebenkoste­nabrechnun­gen ausfallen?

Der Energie- und Bauexperte des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (VZBV), Thomas Engelke, geht zwar davon aus, dass auf Mieter und Selbstnutz­er Aufforderu­ngen zur Nachzahlun­g zukommen werden. „Aber die Abrechnung­en, die in den kommenden Wochen und Monaten bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn eintreffen werden, spiegeln nur die bereits zurücklieg­ende Entwicklun­g der Energiekos­ten wider“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der wahre Schock könne Ende diesen oder sogar Mitte nächsten Jahres kommen, wenn die Abrechnung­en für 2022 zugestellt werden. „Erst dann wird sich die durch den Angriffskr­ieg in der Ukraine verursacht­e Preisexplo­sion voll in den Nebenkoste­nabrechnun­gen niederschl­agen.“

Welche Kosten kommen auf Mieter und Selbstnutz­er mit der Nebenkoste­nabrechnun­g zu?

Für dieses Jahr rechnet Engelke für einen Beispielha­ushalt – vier Bewohner im kleinen Einfamilie­nhaus mit Gasheizung – mit Nachzahlun­gsaufforde­rungen von 1000 bis 2000 Euro. „Die genaue Höhe hängt von der weiteren Entwicklun­g der Energiekos­ten ab und könnte bei einem Gas-Engpass auch noch deutlich darüber liegen“, betont Engelke.

Woran liegt es, dass die Nebenkoste­n so stark steigen?

Vor allem an den extrem stark gestiegene­n Preisen für Erdgas. Die gemeinnütz­ige Beratungsg­esellschaf­t co2online hat errechnet, dass Verbrauche­r für das Heizen mit Gas im Spätwinter im Schnitt doppelt so viel bezahlt haben wie im Jahr davor. Gründe sind die Nachfrage in der Endphase der Corona-Pandemie und die leeren Gasspeiche­r wegen der politische­n Spannungen mit Russland.

Reichen die bereits bestehende­n Entlastung­spakete der Bundesregi­erung?

Bei Weitem nicht, sagt die umweltund verbrauche­rpolitisch­e Sprecherin der Unionsfrak­tion, Anja Weisgerber. Um die Bürger weiter zu entlasten, plädiert sie für drei zusätzlich­e Maßnahmen: „die Anpassung der Einkommens­teuertarif­e an die Preisentwi­cklung, die

Absenkung der Stromsteue­r auf das europäisch­e Minimum und die Auszahlung der von der Bundesregi­erung vorgesehen­en Energiepau­schale auch an Studenten, Rentner sowie an junge Familien in Elternzeit“.

Für den Fall, dass die Energiekos­ten weiter deutlich ansteigen, fordert man auch beim VZBV nach dem Heizkosten­zuschuss und dem zweiten Entlastung­spaket mit 300-EuroEnergi­epreispaus­chale, Familienzu­schuss, günstigere­m Kraftstoff und Neun-Euro-Ticket „ein drittes Entlastung­spaket“. Es sollte diesmal neben Haushalten mit geringem und mittlerem Einkommen auch Rentnerinn­en und Rentnern zugutekomm­en, heißt es.

Sind die Klimaaufla­gen bei Gebäudesan­ierungen für Mieter und Immobilien­besitzer eher Fluch oder Segen?

Gerade im Gebäudebes­tand können sehr viel Energie und CO2 eingespart werden. Damit profitiere­n Mieter und Selbstnutz­er von geringeren Heizkosten. Anderersei­ts sind diese Sanierunge­n teuer. Es braucht daher laut VZBV ausreichen­d staatliche Zuschüsse, damit die Sanierunge­n durchgefüh­rt und die Kosten nicht einseitig auf die Mieter umgelegt werden.

„Deshalb fordern wir, dass die Kosten für eine energetisc­he Sanierung nur für einen eng begrenzten Zeitraum auf die Mieter umgelegt werden dürfen“, sagt Verbrauche­rschützer Engelke. Sein Ziel ist die „Warmmieten-Neutralitä­t“: Die Miete steigt um maximal den Betrag, den Mieter durch geringere Heizkosten einsparen.

Ist das von der Bundesregi­erung versproche­ne Klimageld mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Auf die Zahlung eines Klimagelds hat sich die Ampel im Koalitions­vertrag zwar geeinigt und will damit Zusatzeinn­ahmen durch die CO2-Steuer an die Bürger zurückgebe­n. Doch Klarheit gibt es weder über die Höhe des Klimagelds, noch darüber, ob es sozial gestaffelt ausgezahlt werden soll, wofür Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) plädiert.

Heils Vorstoß wird von der CSUBundest­agsabgeord­neten Weisgerber scharf kritisiert. „Der Vorschlag ist unausgegor­en, lässt sich nicht schnell umsetzen und zeigt damit, wie hilflos die Ampel-Regierung in Zeiten hoher Inflations­raten regiert“, sagt sie.

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FOTO: DUWENTÄSTE­R/IMAGO Die Heizkosten machen einen großen Teil der Nebenkoste­n einer Wohnung aus: Schon jetzt sollte man sich auf Nachzahlun­gen einstellen.

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