Die Angst vor der nächsten Abrechnung
Nebenkosten-Schock durch hohe Preise für Gas und Öl – Wie die Regierung Verbrauchern helfen will
BERLIN - Vier von fünf Deutschen machen sich Sorgen wegen der kommenden Nebenkostenabrechnungen. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des Vergleichsportals Verivox hervor. Hintergrund ist, dass die Energiekosten stark gestiegen sind – zum einen wegen des Kriegs in der Ukraine, zum anderen wegen der Maßnahmen gegen den Klimawandel. Nun kommen für Mieter und Eigentümer selbst genutzter Eigentumswohnungen die Wochen der Wahrheit. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie dramatisch werden für Mieter und Selbstnutzer von Eigentumswohnungen die Nebenkostenabrechnungen ausfallen?
Der Energie- und Bauexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Thomas Engelke, geht zwar davon aus, dass auf Mieter und Selbstnutzer Aufforderungen zur Nachzahlung zukommen werden. „Aber die Abrechnungen, die in den kommenden Wochen und Monaten bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern eintreffen werden, spiegeln nur die bereits zurückliegende Entwicklung der Energiekosten wider“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. Der wahre Schock könne Ende diesen oder sogar Mitte nächsten Jahres kommen, wenn die Abrechnungen für 2022 zugestellt werden. „Erst dann wird sich die durch den Angriffskrieg in der Ukraine verursachte Preisexplosion voll in den Nebenkostenabrechnungen niederschlagen.“
Welche Kosten kommen auf Mieter und Selbstnutzer mit der Nebenkostenabrechnung zu?
Für dieses Jahr rechnet Engelke für einen Beispielhaushalt – vier Bewohner im kleinen Einfamilienhaus mit Gasheizung – mit Nachzahlungsaufforderungen von 1000 bis 2000 Euro. „Die genaue Höhe hängt von der weiteren Entwicklung der Energiekosten ab und könnte bei einem Gas-Engpass auch noch deutlich darüber liegen“, betont Engelke.
Woran liegt es, dass die Nebenkosten so stark steigen?
Vor allem an den extrem stark gestiegenen Preisen für Erdgas. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft co2online hat errechnet, dass Verbraucher für das Heizen mit Gas im Spätwinter im Schnitt doppelt so viel bezahlt haben wie im Jahr davor. Gründe sind die Nachfrage in der Endphase der Corona-Pandemie und die leeren Gasspeicher wegen der politischen Spannungen mit Russland.
Reichen die bereits bestehenden Entlastungspakete der Bundesregierung?
Bei Weitem nicht, sagt die umweltund verbraucherpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber. Um die Bürger weiter zu entlasten, plädiert sie für drei zusätzliche Maßnahmen: „die Anpassung der Einkommensteuertarife an die Preisentwicklung, die
Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum und die Auszahlung der von der Bundesregierung vorgesehenen Energiepauschale auch an Studenten, Rentner sowie an junge Familien in Elternzeit“.
Für den Fall, dass die Energiekosten weiter deutlich ansteigen, fordert man auch beim VZBV nach dem Heizkostenzuschuss und dem zweiten Entlastungspaket mit 300-EuroEnergiepreispauschale, Familienzuschuss, günstigerem Kraftstoff und Neun-Euro-Ticket „ein drittes Entlastungspaket“. Es sollte diesmal neben Haushalten mit geringem und mittlerem Einkommen auch Rentnerinnen und Rentnern zugutekommen, heißt es.
Sind die Klimaauflagen bei Gebäudesanierungen für Mieter und Immobilienbesitzer eher Fluch oder Segen?
Gerade im Gebäudebestand können sehr viel Energie und CO2 eingespart werden. Damit profitieren Mieter und Selbstnutzer von geringeren Heizkosten. Andererseits sind diese Sanierungen teuer. Es braucht daher laut VZBV ausreichend staatliche Zuschüsse, damit die Sanierungen durchgeführt und die Kosten nicht einseitig auf die Mieter umgelegt werden.
„Deshalb fordern wir, dass die Kosten für eine energetische Sanierung nur für einen eng begrenzten Zeitraum auf die Mieter umgelegt werden dürfen“, sagt Verbraucherschützer Engelke. Sein Ziel ist die „Warmmieten-Neutralität“: Die Miete steigt um maximal den Betrag, den Mieter durch geringere Heizkosten einsparen.
Ist das von der Bundesregierung versprochene Klimageld mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Auf die Zahlung eines Klimagelds hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag zwar geeinigt und will damit Zusatzeinnahmen durch die CO2-Steuer an die Bürger zurückgeben. Doch Klarheit gibt es weder über die Höhe des Klimagelds, noch darüber, ob es sozial gestaffelt ausgezahlt werden soll, wofür Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plädiert.
Heils Vorstoß wird von der CSUBundestagsabgeordneten Weisgerber scharf kritisiert. „Der Vorschlag ist unausgegoren, lässt sich nicht schnell umsetzen und zeigt damit, wie hilflos die Ampel-Regierung in Zeiten hoher Inflationsraten regiert“, sagt sie.