Die Milliarden der Mineralölkonzerne im Visier
In der Ampel-Koalition wird über die Einführung einer Übergewinnsteuer gestritten – Um was es dabei geht und was das bringen könnte
FRANKFURT - Die Idee ist nicht neu – und sie scheint verlockend: Man könnte die Konzerne zur Kasse bitten, die von der Lage an den Energiemärkten besonders profitieren. Das fordern einige Grüne, das meint aber auch SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. Wie sinnvoll wäre das?
Was sind „Übergewinne“?
Kurz gesagt sind dies Krisengewinne. Aktuell verdienen an der Energieknappheit die Mineralölkonzerne besonders gut. Diese außergewöhnlichen Gewinne könnte man deshalb mit einer Sondersteuer belegen. Diskutiert wurde das schon mehrfach, zuletzt in der Hochphase der Corona-Pandemie, als etwa Pharmaunternehmen oder wegen des Lockdowns Versandhändler wie Amazon hohe Gewinne einstrichen. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags sieht sie in einer Studie aus dem vergangenen Jahr als ein „Instrument zur Deckung eines außergewöhnlich hohen öffentlichen Finanzbedarfs in Krisen- und Kriegszeiten“.
Gibt es diese Steuer schon in anderen Ländern?
Spanien hat sie schon im vergangenen Jahr eingeführt. Italien hat sie beschlossen. Das Land möchte jedoch nicht die Gewinne, sondern die Nettoumsätze besteuern. Die EUKommission sieht eine zeitlich begrenzte Sondersteuer für die Energiebranche grundsätzlich positiv. Großbritannien, das aber nicht mehr der EU angehört, hat die Einführung einer 25-prozentigen Sonderabgabe, die „Windfall Tax“, Ende Mai beschlossen. In den USA diskutiert die Biden-Regierung ebenfalls darüber. Neu ist die Idee ohnehin nicht: Schon 1917 im Ersten Weltkrieg war sie in den USA eingeführt worden, sie galt für Unternehmen als auch natürliche Personen. Der Steuersatz war damals progressiv ausgestaltet und betrug zwischen 20 und 60 Prozent des definierten Übergewinns.
Was könnte eine solche Steuer bringen?
Die Idee ist, die Einnahmen aus einer solchen Steuer zu nutzen, um die hohen Ausgaben in Kriegs- und Krisenzeiten schultern zu können. Dafür spreche, dass die Gewinne der Konzerne in den Förderländern zum Teil in dubiose Kassen wandern, sagt Stefan Bach, Ökonom und Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Problem jedoch ist: In Deutschland gibt es keine Möglichkeit, die Gewinne der Energieförderkonzerne zu besteuern, weil fast alle ihren Sitz im Ausland haben. Deshalb hat Italien den Weg gewählt, als Maßstab die Nettoumsätze zu wählen – diese können anders als Gewinne – nicht ins Ausland verlagert werden.
Was spricht gegen eine solche Steuer?
Juristen warnen davor, dass eine Sondersteuer nur auf einzelne Branchen oder Unternehmen dem
Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. Aber auch Ökonomen warnen davor: „Die Gewinne mit einer Sondersteuer zu belegen reduziert die Anreize, mit voller Kraft und gegebenenfalls rund um die Uhr die Güter zu produzieren, die gerade händeringend benötigt werden“, schrieb Jörg Quitzau, Volkswirt des Bankhauses Berenberg, in einem Gastbeitrag für das Wirtschaftsmagazin „Capital“. Denn in einer Marktwirtschaft würden diejenigen belohnt, die die Produkte herstellen, die gerade dringend benötigt würden. Das schaffe Anreize auch für andere Unternehmen, in diesen Markt einzusteigen, heißt es auch beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Eine Steuer in einem einzelnen Land zu erheben ist zudem politisch absurd“, meint Stefan Bach vom DIW. Das könnte dazu führen, dass die Konzerne weniger Energie nach Deutschland lieferten. Das führe nur zu weiterer Verknappung und zu noch höheren Preisen an der Tankstelle.