Streit um Blockade der Getreideexporte
Ukraine dringt auf Waffenlieferungen und eine Aussicht auf EU-Beitritt
BERLIN/KIEW/ANKARA (dpa) - Getreideblockade, Waffenlieferungen und Kandidatenstatus für EU-Beitritt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwoch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert und über die drängendsten Themen in dem seit mehr als drei Monate andauernden Konflikt gesprochen. In dem Gespräch sei es darum gegangen, wie Getreideexporte aus der Ukraine auf dem Seeweg ermöglicht werden könnten, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die russische Blockade ukrainischer Häfen hat zu einem Stopp von Getreideexporten geführt. Bei dem Telefonat ging es nach Regierungsangaben auch um weitere deutsche Unterstützung für die Ukraine. Scholz hatte dem Land in der vergangenen Woche die Lieferung weiterer schwerer Waffen zugesagt. Bisher sind aber noch keine schweren Waffen aus Deutschland in der Ukraine angekommen.
Selenskyj schrieb auf Twitter, dass auch über die EU-Beitrittspläne der Ukraine gesprochen worden sei. Die Ukraine hofft, beim EU-Gipfel am 23. und 24. Juni in Brüssel einen Kandidatenstatus zu erhalten.
Moskau wies im Streit um die Blockade von ukrainischem Getreide in Häfen am Schwarzen Meer jegliche Schuld von sich. Außenminister Sergej Lawrow machte bei einem Besuch in der Türkei am Mittwoch die Ukraine selbst dafür verantwortlich. Wegen der Blockade von Schwarzmeerhäfen durch Russland kann die Ukraine nach eigenen Angaben mehr als 23 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten nicht exportieren. Trotz des russischen Angriffskriegs seien aber 75 Prozent der Vorjahresflächen bestellt worden. Das Landwirtschaftsministerium arbeite nun an der Einrichtung mobiler Silos, um die Lagerkapazitäten um zehn bis 15 Millionen Tonnen zu erhöhen.
Im Osten der Ukraine halten die schweren Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk unterdessen unvermindert an. Die ukrainische Seite berichtete am Mittwoch, ihre Stellungen seien von russischen Truppen rund um die Uhr unter Beschuss. Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sagte im Fernsehen: „Mörser, Artillerie, Panzer, Luftangriffe, alles fliegt gerade dorthin.“Zugleich versicherte er: „Niemand wird etwas aufgeben, selbst wenn unsere Soldaten gezwungen sind, sich auf besser befestigte Positionen zurückzuziehen.“