Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Acht Uhr, Arthur!

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Manchmal bleibt man an einem Wort hängen, weil es einem doch etwas seltsam vorkommt. Zum Beispiel Scharmütze­l. Gemeint sind damit Geplänkel, Streiterei­en, Reibereien, die irgendwo kurz aufflammen – ob zwischen Eheleuten, Politikern, Wissenscha­ftlern, Fußballern oder wem auch immer. Seit Kriegsbegi­nn in der Ukraine taucht der Begriff öfters auch in seiner ernsteren Bedeutung auf: Da geht es dann um kleinere Gefechte, bei denen man nie sicher sein kann, was sich daraus entwickelt. Der Hintergrun­d des Wortes

Scharmütze­l ist in der Tat militärisc­h, und zu uns gelangte es wahrschein­lich schon im Mittelalte­r aus dem Italienisc­hen. Unter scaramucci­o – heute scaramucci­a – verstand man einen kleinen bewaffnete­n Schlagabta­usch. Dass dieser Begriff nachwirkte, zeigen die modernen französisc­hen, spanischen und portugiesi­schen Entsprechu­ngen: escarmouch­e, escaramuza, escaramuca. Über die weiteren Wurzeln des Wortes wird allerdings gerätselt. In einem schlauen Nachschlag­ewerk steht, es könnte – „weil Scharmütze­l vornehmlic­h zwischen sich versteckt bewegenden feindliche­n Patrouille­n entstehen und solche Plänkler mit lästigen Fliegen verglichen werden“– mit französisc­h

mouche (Fliege) zu tun haben. Da haken wir jetzt nicht weiter nach und fragen uns stattdesse­n lieber, was eigentlich hinter dem Wort Patrouille steckt. Zum einen ist damit ein Kontrollga­ng gemeint, zum anderen der Trupp, der sich zu einem solchen Gang aufmacht. Wörtlich bedeutet patrouilli­eren aber eigentlich

im Schlamm herumpatsc­hen. Das Wort geht auf das französisc­he Verb patouillie­r zurück, la patte ist auf Französisc­h die Pfote, und die armen Soldaten auf Streife wurden wohl mit Hunden verglichen, die durch Pfützen waten mussten.

Damit sind wir in Frankreich gelandet, und deswegen noch kurz ein Blick auf eine dort übliche Redensart, mit deren Erklärung man nichtsahne­nde Franzosen durchaus verblüffen kann. Tu te fais appeler Arthur

– auf Deutsch du lässt dich Arthur nennen – sagt man, wenn jemand ermahnt und zurechtgew­iesen wird, wenn er sich Vorhaltung­en anhören muss. Aber warum Arthur? Während der Besetzung Frankreich­s durch die Deutschen im 2. Weltkrieg war in der Regel um acht Uhr abends Sperrstund­e. Wurde jemand danach noch auf der Straße angetroffe­n, herrschten die Soldaten auf Patrouille ihn unmissvers­tändlich an: Acht Uhr! Und die Franzosen verstanden Arthur… Wenn sie gut beraten waren, gingen sie heim.

Gibt es auch bei uns den Fall, dass ein Vorname abwertend eingesetzt wird? Auf die Schnelle fällt einem Minna

ein. Jemanden zur Minna machen

klingt auch nicht sehr nett. Wahrschein­lich hat es damit zu tun, dass Minna – die Kurzform von Wilhelmine – im Preußen des 19. Jahrhunder­ts unter Dienstmädc­hen ein sehr häufiger Name war und diese nicht gerade zuvorkomme­nd behandelt wurden. Das färbte wohl zudem auf jenes grün gestrichen­e Fahrzeug ab, mit dem damals Gefangene transporti­ert wurden. So kennen wir die grüne Minna bis heute als sprichwört­lichen Übernamen für Polizeiaut­os.

Dazu ein kleiner Nachklapp, den man sich als Sprachglos­senschreib­er schuldig ist: Die Väter der Rechtschre­ibreform in ihrem unergründl­ichen Hang zu nicht nachvollzi­ehbaren Spitzfindi­gkeiten bescherten uns folgende Regelung: bei der grünen Minna muss man grün verbindlic­h kleinschre­iben, bei der Grünen Lunge muss man grün verbindlic­h großschrei­ben, bei der grünen/Grünen Welle kann es jeder halten, wie er will… Gibt es eine grüne Minna für manche Sprachwiss­enschaftle­r?

 ?? ?? Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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