Gemeinderat stimmt für „Schwärze“
Bebauungsplan nimmt in modifizierter Form die nächste formale Hürde
ROTTENACKER – Seit dem Planungsbeginn im Jahr 2019 wurde viel Kritik laut am vorgesehenen Bebauungsplan „Schwärze“. Da die Gemeinde keine andere Möglichkeit für eine Ausweisung eines weiteren Wohngebiets sieht, hat sie die Planung nicht aufgegeben. Der jüngste Planentwurf war Diskussionsgrundlage für den Gemeinderat am Donnerstag, der einstimmig den aktuellen Unterlagen zugestimmt hat. Umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen und ein verkleinerter Umfang des Plangebiets kennzeichnen die neue Planung, die u. a. den Erhalt und Schutz von 75 Prozent der vorhandenen Mähwiese festschreibt. Die Öffentlichkeit zeigte mit über einem Dutzend Vertretern großes Interesse.
Ein langer Weg liegt hinter Bürgermeister Karl Hauler und dem Planungsbüro Clemens Künster in Reutlingen. Ein Weg, der allerdings seit der letzten Auslegung der Planunterlagen im Nachgang zur Gemeinderatssitzung vor zwei Monaten für Bauinteressierte und den Belangen des Naturschutzes ein Licht am Ende des Tunnels signalisiert. Über 300 Seiten stark war das Aktenkonvolut, das die Gemeinderäte in Vorbereitung auf ihre Sitzung durcharbeiten mussten. Bürgermeister Karl Hauler ging davon aus, dass die Planänderungen und die nunmehr geplanten Ausgleichsmaßnahmen den berechtigten Interessen gerecht werden.
Gestartet hatten die Planungen 2019 im vereinfachten Verfahren nach § 13b Baugesetzbuch. Der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans wurde in der Gemeinderatssitzung am 15. April 2021 gefasst. Martin Homm vom Ingenieurbüro Clemens Künster machte in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, dass das Verfahren in ein reguläres Verfahren mit Umweltprüfung überführt wurde. Natur- und artenschutzrechtliche Gründe hätten inzwischen zu einer Verkleinerung des Planungsgebiets von 3,25 auf 3,09 Hektar geführt. Dadurch seien von ehemals 36 angedachten Grundstücken 34 übrig geblieben, 33 nutzbar für Wohnbebauung. Im südwestlichen Teil wurde zum Erhalt der bestehenden Streuobstbäume und der dortigen Mähwiese die entsprechende Fläche aus dem Plangebiet entnommen.
Dipl. Geoökologin Janina Emendörfer vom Umweltplanungsbüro Zeeb, die den Umweltbericht ausgearbeitet hat, erläuterte die Veränderungen gegenüber dem Vorentwurf vom April 2021. Dazu gehört die Bestimmung von planexternen Ausgleichsmaßnahmen. Im Rahmen des regulären Verfahrens habe man Kenntnis davon erlangt, dass eine FFH-Mähwiese vorhanden ist. Die Kartierung ergab dort einen hohen Artenreichtum. Von 400 Quadratmetern seien jetzt nur noch 100 Quadratmeter innerhalb des Planungsgebiets, wobei die Oberschicht dieses Teils der Wiese an einen passenden Standort außerhalb des Plangebiets übertragen werden soll. Auch viele Bäume seien nun nicht mehr von der Planung tangiert. Da sie zwar erhalten blieben, aber nicht mehr im Sinne des Begriffs „Streuobstwiese“, habe man den Biotopverbund dargestellt, und Ausgleichsmaßnahmen auf externen Flächen geplant, die mit gut 28 300 Quadratmeter annähernd der Fläche des Plangebiets entsprechen. Für jeden Baum innerhalb des Planungsgebiets müssten als Ausgleich 1,5 neue Bäume mit einem Stammdurchmesser von mindestens 10 bis 12 Zentimeter gepflanzt werden. Auch werde eine Altarmöffnung an der Donau vorgeschrieben. Weitere Maßnahmen sind u. a. die Verwendung
wasserdurchlässiger Beläge für Zufahrten und Stellplätze, die Pflicht zur Dachbegrünung für Carports, Garagen und Flachdächer, die Versickerung des anfallenden unbelasteten Dach- und Oberflächenwassers in einem Rückhalte- und Sickerbecken sowie ein dauerhafter Schutz der FFH-Mähwiese durch einen naturverträglichen Zaun. Zu den artenschutzrechtlichen Maßnahmen gehören z.B. die Pflanzung eines Baumes pro Bauplatz, das Anbringen von sechs Vogelkästen und das Anbringen von zehn Fledermaus-Rundkästen im Umfeld des Bebauungsgebiets.
„Das ist tragfähig“, fasste die Geoökologin zusammen. Die Frage von Gemeinderat Dietmar Moll, ob die auf der Mähwiese lebenden Tiere erfolgreich auf die Ausgleichsflächen umgesiedelt werden könnten, sagte Janina Emendörfer, „ja, das ist zu erwarten“.
Ergänzend konkretisierte Martin Homm, dass das geplante allgemeine Wohngebiet von der Lindenstraße her erschlossen werde. Neben Wohnbebauung seien nicht störende Handwerksbetriebe wie Schmuckatelier oder Ergotherapie zulässig, ebenso Anlagen für soziale und kulturelle Zwecke. Eine gewisse Durchmischung müsse erlaubt sein, ansonsten spreche man von einem reinen Wohngebiet. 40 Prozent der Grundstücksflächen dürften überbaut werden, 60 Prozent müssten unversiegelt bleiben. Durch den Wegfall zweier Grundstücke im südwestlichen Teil des Plangebiets habe man auch dem Einwand begegnen können, dass Fahrzeuge über einen landwirtschaftlichen Weg Abkürzungen nehmen würden. „Der Weg ist jetzt abgekoppelt“, zeigte Martin Homm anhand der Planungsunterlagen. Geruchsund
Lärmgutachten hätten ergeben, dass im Plangebiet die Grenzwerte eingehalten würden. Dem Einwand der anerkannten Naturschutzverbände BUND, NABU und LNV, man müsse anstelle von Flächenverbrauch Innenverdichtung betreiben, konnte insoweit begegnet werden, als man seit 2008 einen Hektar Fläche im Innenbereich habe bebauen können. Der Frage von Dietmar Moll nach der Möglichkeit des Baus mehrerer Tiny Houses auf einem Grundstück bei Einhaltung der Grundflächenzahl von 0,4 begegnete Martin Homm mit Zurückhaltung.
Nach der Besprechung der Einwände von fünf Privatpersonen und der Träger öffentlicher Belange hat das Gremium einstimmig beschlossen, dass die Planunterlagen vom 20. Juni bis 29. Juli öffentlich ausgelegt werden. Auf der Website der Gemeinde sind sie schon früher einzusehen.
Ebenfalls einstimmig getroffen wurde ein Aufstellungsbeschluss bezüglich eines Bebauungsplans „Vorderes Ried V / Fleidern“mit einer Fläche von 3,4 Hektar. Insoweit soll im Industriegebiet dem Ansiedlungsund Erweiterungsinteresse eines Betriebs Rechnung getragen werden, der auf einen Gleisanschluss angewiesen ist. Die Planänderung dient der dauerhaften Sicherung und Auslastung des sanierten und bereits reaktivierten Anschlusses. Einbezogen ist eine Verlängerungsoption.
Zuvor hat das Gremium sein Einvernehmen erteilt bezüglich der Errichtung einer zweiten Kranbahn mit Lagerfläche in der Rudolf-Bohnacker-Straße 1 sowie bezüglich des Neubaus von zwei Kalthallen mit Büround Sozialräumen sowie dem Anlegen von Lagerflächen in der Rudolf-Bohnacker-Straße 6. Bürgermeister Karl Hauler erläuterte, es handele sich baulich praktisch um ein Gebäude für zwei Nutzer. Der eine Nutzer verarbeite mehr, der andere Nutzer lagere mehr.
„Das ist tragfähig.“Janina Emendörfer