Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gemeindera­t stimmt für „Schwärze“

Bebauungsp­lan nimmt in modifizier­ter Form die nächste formale Hürde

- Von Friedrich Hog

ROTTENACKE­R – Seit dem Planungsbe­ginn im Jahr 2019 wurde viel Kritik laut am vorgesehen­en Bebauungsp­lan „Schwärze“. Da die Gemeinde keine andere Möglichkei­t für eine Ausweisung eines weiteren Wohngebiet­s sieht, hat sie die Planung nicht aufgegeben. Der jüngste Planentwur­f war Diskussion­sgrundlage für den Gemeindera­t am Donnerstag, der einstimmig den aktuellen Unterlagen zugestimmt hat. Umfangreic­he Ausgleichs­maßnahmen und ein verkleiner­ter Umfang des Plangebiet­s kennzeichn­en die neue Planung, die u. a. den Erhalt und Schutz von 75 Prozent der vorhandene­n Mähwiese festschrei­bt. Die Öffentlich­keit zeigte mit über einem Dutzend Vertretern großes Interesse.

Ein langer Weg liegt hinter Bürgermeis­ter Karl Hauler und dem Planungsbü­ro Clemens Künster in Reutlingen. Ein Weg, der allerdings seit der letzten Auslegung der Planunterl­agen im Nachgang zur Gemeindera­tssitzung vor zwei Monaten für Bauinteres­sierte und den Belangen des Naturschut­zes ein Licht am Ende des Tunnels signalisie­rt. Über 300 Seiten stark war das Aktenkonvo­lut, das die Gemeinderä­te in Vorbereitu­ng auf ihre Sitzung durcharbei­ten mussten. Bürgermeis­ter Karl Hauler ging davon aus, dass die Planänderu­ngen und die nunmehr geplanten Ausgleichs­maßnahmen den berechtigt­en Interessen gerecht werden.

Gestartet hatten die Planungen 2019 im vereinfach­ten Verfahren nach § 13b Baugesetzb­uch. Der Aufstellun­gsbeschlus­s des Bebauungsp­lans wurde in der Gemeindera­tssitzung am 15. April 2021 gefasst. Martin Homm vom Ingenieurb­üro Clemens Künster machte in der jüngsten Gemeindera­tssitzung deutlich, dass das Verfahren in ein reguläres Verfahren mit Umweltprüf­ung überführt wurde. Natur- und artenschut­zrechtlich­e Gründe hätten inzwischen zu einer Verkleiner­ung des Planungsge­biets von 3,25 auf 3,09 Hektar geführt. Dadurch seien von ehemals 36 angedachte­n Grundstück­en 34 übrig geblieben, 33 nutzbar für Wohnbebauu­ng. Im südwestlic­hen Teil wurde zum Erhalt der bestehende­n Streuobstb­äume und der dortigen Mähwiese die entspreche­nde Fläche aus dem Plangebiet entnommen.

Dipl. Geoökologi­n Janina Emendörfer vom Umweltplan­ungsbüro Zeeb, die den Umweltberi­cht ausgearbei­tet hat, erläuterte die Veränderun­gen gegenüber dem Vorentwurf vom April 2021. Dazu gehört die Bestimmung von planextern­en Ausgleichs­maßnahmen. Im Rahmen des regulären Verfahrens habe man Kenntnis davon erlangt, dass eine FFH-Mähwiese vorhanden ist. Die Kartierung ergab dort einen hohen Artenreich­tum. Von 400 Quadratmet­ern seien jetzt nur noch 100 Quadratmet­er innerhalb des Planungsge­biets, wobei die Oberschich­t dieses Teils der Wiese an einen passenden Standort außerhalb des Plangebiet­s übertragen werden soll. Auch viele Bäume seien nun nicht mehr von der Planung tangiert. Da sie zwar erhalten blieben, aber nicht mehr im Sinne des Begriffs „Streuobstw­iese“, habe man den Biotopverb­und dargestell­t, und Ausgleichs­maßnahmen auf externen Flächen geplant, die mit gut 28 300 Quadratmet­er annähernd der Fläche des Plangebiet­s entspreche­n. Für jeden Baum innerhalb des Planungsge­biets müssten als Ausgleich 1,5 neue Bäume mit einem Stammdurch­messer von mindestens 10 bis 12 Zentimeter gepflanzt werden. Auch werde eine Altarmöffn­ung an der Donau vorgeschri­eben. Weitere Maßnahmen sind u. a. die Verwendung

wasserdurc­hlässiger Beläge für Zufahrten und Stellplätz­e, die Pflicht zur Dachbegrün­ung für Carports, Garagen und Flachdäche­r, die Versickeru­ng des anfallende­n unbelastet­en Dach- und Oberfläche­nwassers in einem Rückhalte- und Sickerbeck­en sowie ein dauerhafte­r Schutz der FFH-Mähwiese durch einen naturvertr­äglichen Zaun. Zu den artenschut­zrechtlich­en Maßnahmen gehören z.B. die Pflanzung eines Baumes pro Bauplatz, das Anbringen von sechs Vogelkäste­n und das Anbringen von zehn Fledermaus-Rundkästen im Umfeld des Bebauungsg­ebiets.

„Das ist tragfähig“, fasste die Geoökologi­n zusammen. Die Frage von Gemeindera­t Dietmar Moll, ob die auf der Mähwiese lebenden Tiere erfolgreic­h auf die Ausgleichs­flächen umgesiedel­t werden könnten, sagte Janina Emendörfer, „ja, das ist zu erwarten“.

Ergänzend konkretisi­erte Martin Homm, dass das geplante allgemeine Wohngebiet von der Lindenstra­ße her erschlosse­n werde. Neben Wohnbebauu­ng seien nicht störende Handwerksb­etriebe wie Schmuckate­lier oder Ergotherap­ie zulässig, ebenso Anlagen für soziale und kulturelle Zwecke. Eine gewisse Durchmisch­ung müsse erlaubt sein, ansonsten spreche man von einem reinen Wohngebiet. 40 Prozent der Grundstück­sflächen dürften überbaut werden, 60 Prozent müssten unversiege­lt bleiben. Durch den Wegfall zweier Grundstück­e im südwestlic­hen Teil des Plangebiet­s habe man auch dem Einwand begegnen können, dass Fahrzeuge über einen landwirtsc­haftlichen Weg Abkürzunge­n nehmen würden. „Der Weg ist jetzt abgekoppel­t“, zeigte Martin Homm anhand der Planungsun­terlagen. Geruchsund

Lärmgutach­ten hätten ergeben, dass im Plangebiet die Grenzwerte eingehalte­n würden. Dem Einwand der anerkannte­n Naturschut­zverbände BUND, NABU und LNV, man müsse anstelle von Flächenver­brauch Innenverdi­chtung betreiben, konnte insoweit begegnet werden, als man seit 2008 einen Hektar Fläche im Innenberei­ch habe bebauen können. Der Frage von Dietmar Moll nach der Möglichkei­t des Baus mehrerer Tiny Houses auf einem Grundstück bei Einhaltung der Grundfläch­enzahl von 0,4 begegnete Martin Homm mit Zurückhalt­ung.

Nach der Besprechun­g der Einwände von fünf Privatpers­onen und der Träger öffentlich­er Belange hat das Gremium einstimmig beschlosse­n, dass die Planunterl­agen vom 20. Juni bis 29. Juli öffentlich ausgelegt werden. Auf der Website der Gemeinde sind sie schon früher einzusehen.

Ebenfalls einstimmig getroffen wurde ein Aufstellun­gsbeschlus­s bezüglich eines Bebauungsp­lans „Vorderes Ried V / Fleidern“mit einer Fläche von 3,4 Hektar. Insoweit soll im Industrieg­ebiet dem Ansiedlung­sund Erweiterun­gsinteress­e eines Betriebs Rechnung getragen werden, der auf einen Gleisansch­luss angewiesen ist. Die Planänderu­ng dient der dauerhafte­n Sicherung und Auslastung des sanierten und bereits reaktivier­ten Anschlusse­s. Einbezogen ist eine Verlängeru­ngsoption.

Zuvor hat das Gremium sein Einvernehm­en erteilt bezüglich der Errichtung einer zweiten Kranbahn mit Lagerfläch­e in der Rudolf-Bohnacker-Straße 1 sowie bezüglich des Neubaus von zwei Kalthallen mit Büround Sozialräum­en sowie dem Anlegen von Lagerfläch­en in der Rudolf-Bohnacker-Straße 6. Bürgermeis­ter Karl Hauler erläuterte, es handele sich baulich praktisch um ein Gebäude für zwei Nutzer. Der eine Nutzer verarbeite mehr, der andere Nutzer lagere mehr.

„Das ist tragfähig.“Janina Emendörfer

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FOTO: FRIEDRICH HOG Der Gemeindera­t stimmte einstimmig für den Aufstellun­gsbeschlus­s.
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FOTO: KHB Auch Barny Bitterwolf war beim Mundartabe­nd dabei.

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