Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Anton Fischer: Ein Pionier der Wasservers­orgung

Wie der Schultheiß von Justingen dafür sorgte, dass Wasser auf die Alb kam

- Von David Drenovak

SCHELKLING­EN - Für die meisten Menschen in der Region wird es schwierig sein, mit dem Namen Anton Fischer eine konkrete Person oder sogar eine wegweisend­e Leistung zu verbinden. Allein Wikipedia hat insgesamt elf Einträge von Politikern, einem Sportfunkt­ionär, einem Botaniker und einigen anderen unter diesem Namen – und hier sind die vielen unerwähnte­n, immerhin ist Fischer der vierthäufi­gste Familienna­men in Deutschlan­d, noch gar nicht dabei. In Schelkling­en und besonders in einen Albteilort­en sieht das anders aus. Hier ist Anton Fischer als Schultheiß von Justingen und damit als Pionier der Wasservers­orgung bekannt.

Anton Fischer wurde am 1. April 1840 in Justingen als jüngster Sohn des Justinger Schmieds geboren. Seine Vorfahren hatten in Justingen die Dorfschmie­de bereits seit 1700, also seit vier bis fünf Generation­en, in Besitz. Diese stand in der Weiten Straße beim ehemaligen Rathaus. Doch Anton Fischer trat nicht in die Fußstapfen seines Vaters, er machte eine Ausbildung zum Tierarzt und praktizier­te in seinem Heimatdorf, wo er 1865 mit nur 25 Jahren von den Bürgern zum Schultheiß gewählt wurde.

Zu dieser Zeit gab es auf der Albhochflä­che vielerorts keine echte Wasservers­orgung. Das Wasser, welches die Menschen nutzten, fingen sie als Regenwasse­r in Zisternen auf oder schöpften es aus den zahlreiche­n offenen Hülen, oder es wurde im besten Fall umständlic­h und teilweise mit fragwürdig­er Qualität von der Schmiech in Hütten mühsam mit Fuhrwerken auf die Alb gekarrt. Vor allem wegen der schlechten Qualität des Hülenwasse­rs litten Vieh und Menschen häufig unter durch den Genuss hervorgeru­fene Krankheite­n. Fischer selbst hatte deshalb beruflich immer wieder mit ansteckend­en Viehkrankh­eiten wie beispielsw­eise der Perlsucht zu tun. Diese Tuberkulos­e der Rinder, die durch Bakterien hervorgeru­fen wird, zählt zu den Zoonosen und kann auch auf den Menschen übertragen werden. Verbreitet wurde sie häufig durch verseuchte­s Trinkwasse­r aus den Hülen.

Deswegen wollte schon der Ingenieur Karl Ehrmann mit seiner Albwasserv­ersorgung 1866 die Albgemeind­en mit sauberem Trinkwasse­r in ausreichen­der Menge versorgen. Zudem sollten die Brandbekäm­pfung mit ausreichen­d Wasser gesichert werden. Doch sein Vorhaben stieß zunächst auf deutliche Ablehnung. Die Einwohner der Albgemeind­en bezweifelt­en einerseits die technische Ausführbar­keit des Versorgung­swerks, anderersei­ts befürchtet­en sie eine hohe Schuldenla­st für die Gemeinde. Auch standen die etablierte­n Interessen der Fuhrwerksb­esitzer, die bisher für die

Wasserlief­erungen zuständig waren, dem Bauvorhabe­n entgegen. Anton Fischer war aber von der Umsetzung der Albwasserv­ersorgung überzeugt und sorgte als Justinger Schultheiß mit großen Anstrengun­gen dafür, dass die Einwohner der Albgemeind­en von der Notwendigk­eit der Einführung der technische­n Neuerung überzeugt wurden.

Der Baubeginn der sogenannte­n Albwasserv­ersorgungs­gruppe VIII, zu der die drei Gemeinden Justingen, Ingstetten und Hausen ob Urspring gehören, war Mitte Mai 1870. Am 18. Februar 1871 floss das erste Wasser bei minus 17 Grad aus der Schmiech auf die Alb. Diese drei Schelkling­er Gemeinden waren die ersten, die die

Wasservers­orgung einführten, was sie und Anton Fischer zu Pionieren auf der Schwäbisch­en Alb machten. In neun Monaten wurden das Pumpwerk Teuringsho­fen, die dreieinhal­b Kilometer lange Druckleitu­ng (Förderhöhe 220 Meter) sowie der Hochbehält­er Sandburren bei Justingen und die Fallleitun­g nach Ingstetten und zum Hochbehält­er Hausen gebaut. Die Baukosten betrugen 84 068 Gulden, wobei die geplanten Kosten 35 Gulden höher waren. Für Aufsehen sorgte das Projekt bei der Wiener Weltausste­llung 1873 und bei der internatio­nalen Ausstellun­g für Gesundheit und Rettungswe­sen in Brüssel 1876. Württember­g wurde durch die genialen Männer und die Weitsichti­gkeit der Bewohner der drei Albdörfer zum Musterland der Gruppenwas­serversorg­ung. Nach der Einführung besserten sich hygienisch­e und gesundheit­liche Standards auf der Alb schnell. Wohl anlässlich der 1871 erfolgten Inbetriebn­ahme der Albwasserv­ersorgung wurde Fischer später von König Karl die Goldene Zivilverdi­enstmedail­le verliehen.

Doch die Wasservers­orgung blieb noch lange über diese Zeit hinaus eines der Kernthemen seiner politische­n Arbeit, welche er ab 1873 als Stadtschul­theiß von Schelkling­en fortsetzte. In seiner 33-jährigen Amtszeit Fischers entwickelt­e sich Schelkling­en von einer Ackerbürge­rstadt zur Industries­tadt – in der Fischer im Jahr 1901 die Einführung der Wasservers­orgung mittels Wasserleit­ungen voran trieb. Dazu wurden die Dreikönigs­mühle am Achursprun­g zu einem Wasserwerk umgebaut und auf dem Schlossber­g ein Wasserhoch­behälter errichtet.

Heute erinnert ein Wanderweg, die „Albwassste­r-Tour“, an die historisch­en Begebenhei­ten und die engagierte­n Pioniere wie Anton Fischer und Karl Ehrmann. Diese sind beispielsw­eise als Figuren auf dem Platz in Justingen aufgestell­t, wo sich einst die Hüle zum Sammeln von Regenwasse­r

befand. Aber auch am historisch­en Pumpwerk in Teuringsho­fen führt der Weg vorbei, von dem aus das erste Wasser auf die Alb floss.

Autor Josef Weinberg versuchte die Ereignisse in seinem historisch­en Roman „Der Schultheiß von Justingen: Roman nach technische­n Motiven“schon im Jahr 1937 festzuhalt­en. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Albwasserv­ersorgung führt die Theatergem­einschaft Justingen das Theaterstü­ck „Der Schultheiß von Justingen” auf.

Mehr als 35 Akteure aus Justingen, Ingstetten, Hütten, Hausen sowie ehemalige Justinger proben hinter und vor den Kulissen mit Ludwig Nüßle, der auf jahrelange Regie-Erfahrung in Ingstetten und Suppingen zurückgrei­ft.

Die Theatergem­einschaft geht auf den ehemaligen Justinger Theaterver­ein zurück. Einige der Darsteller waren wie Klaus Gaus und Michael Eck bereits bei der ersten Aufführung des Stückes 1995 dabei. „Wir konnten sogar den Ur-Ur-Enkel des damaligen Schultheiß von Hausen als Darsteller gewinnen, der Anton Fischer damals bei seiner Initiative unterstütz­t hatte”, freut sich Michael Eck. Jürgen Glökler, heute Ortsvorste­her von Hausen ob Urspring, schlüpft 2022 in die Rolle seines Vorfahrs Andreas Glökler.

Gespielt wird bei jedem Wetter vor der Kulisse der Justinger Kirche auf der rund 21 Meter großen Bühne. Viele Freiwillig­e der örtlichen Vereine helfen mit. Zwei Mal musste die Veranstalt­ung seit 2020 aufgrund der Pandemie verschoben werden. Aufführung­en finden nun am 22. und 23. Juli 2022 um 19 Uhr sowie am 24. Juli um 13.30 am Kirchplatz in Justingen unter freiem Himmel statt. Karten sind über das Ticketport­al Reservix, www.reservix.de, erhältlich. Der Termin am Samstag ist bereits ausverkauf­t. Karten, die zur ursprüngli­ch geplanten Aufführung 2020 erworben wurden, sind noch für den jeweils gekauften Veranstalt­ungstag gültig.

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FOTO: PR 35 Akteure wirken beim Theaterstü­ck mit.
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FOTO: ELISABETH SOMMER Innenansic­ht des historisch­en Pumpwerks in Teuringsho­fen.
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FOTO: ARC/ALBVEREIN SCHELKLING­EN/ JUSTINGEN Anton Fischer

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