Panzer im Depot?
Mit dem Ukraine-Krieg stellt sich die Frage nach Anlagen in Rüstung und Atomkraft neu
STUTTGART - Im Rahmen ihrer nachhaltigen Anlagestrategien bieten Banken und Vermögensverwalter Investments an, die an ökologischen, sozialen sowie Grundsätzen der guten Unternehmensführung (ESG-Kriterien) ausgerichtet sind. Unternehmen, deren Geschäftsmodelle etwa auf Waffenproduktion, fossilen Brennstoffen sowie Atomkraft, Suchtmitteln oder Glücksspiel basieren, fallen bei vielen Nachhaltigkeitskonzepten von vorneherein durchs Raster.
Mit Russlands Überfall auf die Ukraine stellt sich allerdings die Frage, inwieweit Rüstungsaktien weiterhin aus nachhaltig orientierten Portfolios verbannt sein sollten oder eben nicht. Dasselbe stellt sich für Investments in Atomkraft. Mit solchen Fragen ihrer Kundschaft sehen sich derzeit Vermögensverwaltungen konfrontiert, die nachhaltig orientierte Anlagekonzepte anbieten. Dies rührt auch daher, dass die Performance nachhaltiger Portfolien im laufenden Jahr Einbußen zwischen sechs und zwölf Prozent hinnehmen mussten.
In der Folge haben die Anbieter vielfach ihre Konzepte auf den Prüfstand gestellt – so auch die Bethmann Bank, die bereits seit mehr als zehn Jahren die Nachhaltigkeit in ihrer Vermögensverwaltung verankert hat. Das zur ABN Amro-Gruppe gehörende Institut hat dafür eine Reihe von Kriterien definiert, wonach Investments in Rüstung oder Atomkraft ausgeschlossen werden. Aktien, die diese erste Prüfung bestehen, werden dann nach ESG- und Renditegesichtspunkten unter die Lupe genommen, bevor sie schließlich im Portfolio der Bethmann-Vermögensverwaltung landen können.
Im Ergebnis hält das Institut an seiner bisherigen Ausrichtung fest, wonach die Finanzierung von Rüstungsfirmen kein privatwirtschaftliches Kapital benötigen sollte, sondern öffentliches. „Ohnehin tragen die Waffenhersteller nicht zum gewünschten gesellschaftlichen Umbau bei“, sagt Gregor Frankenhauser, verantwortlich bei der Bethmann Bank für Kunden in Oberschwaben. Darüber hinaus geht er davon aus, dass privates, nachhaltig angelegtes Kapital langfristig besser eingesetzt werden kann, wenn es der Transmission der Wirtschaft im Sinne eines Umstiegs von der fossilen zur nachhaltigen Energiegewinnung diene.
Von daher bleibt auch die Atomkraft für die Bank ein Ausschlusskriterium für die nachhaltige Geldanlage. „Angesichts der Notwendigkeit, uns von fossilen Energiequellen unabhängiger zu machen, gilt das Motto: Jetzt erst recht“, so Frankenhauser. Vor diesem Hintergrund geht er auch davon aus, dass Aktientitel, die für nachhaltige Energien stehen, an den Börsen auch wieder Oberwasser gewinnen werden.
Tatsächlich definiert sich ein Betrieb wie die Panzer-Schmiede Rheinmetall als nachhaltiges Unternehmen, das neben der Einhaltung der Grundsätze guter Unternehmensführung einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen zu seinem Selbstverständnis zählt. Dass aber die Europäische Union Unternehmen der Rüstungsindustrie als nachhaltig definieren werde, erwartet Frank Domm, Nachhaltigkeitsexperte der LBBW Asset Management, indessen nicht. So erachtet die Fondsbranche Rüstung zwar als notwendig, aber eben nicht als nachhaltig.
Uneins ist man dagegen im Euroland bei der Einstufung von Atomkraft. Während die Kommission unter dem Druck von Frankreich die Kernkraft als nachhaltig ansieht, ist es bei dem Expertengremium „Plattform für nachhaltiges Finanzwesen“genau umgekehrt. Das EU-Parlament indessen ist in dieser Frage gespalten. Eins lässt sich aber auch von Befürwortern der zivilen Nutzung der Atomkraft nicht wegdiskutieren: „Fakt ist, dass heute nirgendwo auf der Welt ein Endlager für Atommüll existiert, das bereits in Betrieb ist“, sagt Domm. Ebenso gibt es keine Versicherung, die bereit wäre, ein Atomkraftwerk uneingeschränkt zu versichern, weshalb es auch kein Gesetz gibt, das eine solch umfassende Versicherung vorschreibt.
Würde man Atomkraft tatsächlich als nachhaltig definieren, würde man den Prinzipien der Nachhaltigkeit einen Bärendienst erweisen, so der Experte der LBBW Asset Management. Ohnehin erinnert er an die Notwendigkeit, auch unabhängig von den Ereignissen in der Ukraine weiter etwas gegen den Klimawandel zu tun. „Schließlich interessiert es den Klimawandel herzlich wenig, was in der Ukraine geschieht“, sagt Domm.