Vertical Farming forscht weiter an der Revolution
Philip und Sascha Rose haben mit Roko Farming in Ulm einen Innovationspreis gewonnen
ULM - Vertical Farming – Landwirtschaft in der Senkrechten – ist das Ding von Philip und Sascha Rose. Mit dem Traum, auf vier Quadratmetern so viele Pflanzen anzubauen wie sonst auf 1000, sorgten die zwei im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Mit ihrem Projekt Roko Farming – Abkürzung von rollierende kontinuierliche Pflanzenproduktionsanlage – räumten sie durch den Gewinn des Berblinger-Innovationspreises über 20.000 Euro ab. Geld, das sie in ihre Produktionsanlage in Elchingen steckten. Diese bekam jetzt prominenten (Polit-)Besuch.
Tayfun Tok, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, und Lena Christin Schwelling, die Landesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen, machten Station in Elchingen. "Es ist ein Marathon und kein Sprint", sagte Philip Rose über die Zeit seit dem Gewinn des Preises. Anders hätte es der Mitdreißiger auch nicht erwartet. "Wir sind zufrieden." Nun haben er und sein Bruder Sascha, die Firmengründer, sogar einen Mitarbeiter eingestellt: Lutz Kaiser, ein studierter Verfahrensingenieur, ist seit Mai dieses Jahres der erste Angestellte des Gründer-Duos. Noch lohne sich das für die Brüder finanziell nicht: zu 50 Prozent arbeiten die zwei noch in anderen Jobs. Doch um den schnellen Euro sei es den Gründern nie gegangen. Vielmehr darum, einen Beitrag für das Welternährungsproblem zu leisten.
Das Dreierteam arbeite an der Kapazitätsgrenze – und das erklärte Ziel der Firma sei erreicht worden: der Verkauf der ersten Anlage. "Die erste ist immer die schwerste." Der Erstling sei zwar eine kleine Variante gewesen, doch der Verkauf an ein Berliner Forschungsinstitut ein Erfolg. "Es geht voran", sagt Philip Rose. Doch es hätte auch mehr werden können: Auf der Expo in Dubai 2020 etwa seien sehr wertvolle Kontakte geknüpft worden. Ein Pfund sei jetzt, so Sascha Rose: Auf die nicht nur in
Dubai gestellte Frage, ob sie schon mal eine Anlage verkauft hätten, können sie jetzt mit Ja antworten. Gerade der Wüstenstaat der Arabischen Emirate, der kaum Landwirtschaft betreiben könne, sei sehr offen für das Thema.
In ihren Produktionsräumen in Elchingen bauen die drei derzeit eine Anlage, die sie im September auf der internationalen Fachmesse Verti Farm in Dortmund ausstellen wollen. Für das Roko-Farm-Team ist klar, dass das Konzept des Vertical Farmings ein globales Zukunftsthema und ein sich dynamisch entwickelnder Markt geworden ist. Hier tummeln sich nicht nur innovative Startups wie Roko, sondern auch große Konzerne, um die Entwicklung der vertikalen Landwirtschaft im urbanen Raum gemeinsam voranzutreiben.
Einen Investor suchen die drei Unternehmer nicht wirklich intensiv. Denn in eine Abhängigkeit wollen sie sich nicht begeben. Und, wie Philip Rose betont, ihm sei völlig klar, dass noch viel Entwicklungsarbeit geleistet werden müsse, bis sich Vertical Farming weiter durchsetze. Der Schwachpunkt sei der Energieverbrauch. "Aber auch daran arbeiten wir und andere." Ansatzpunkte gibt es viele – angefangen bei besseren LEDs. 70 Prozent der Energiekosten gehen für die Beleuchtung drauf, 28 für die Klimatisierung und zwei Prozent für die Bewässerung.
Als Zielgruppe sieht er klassische landwirtschaftliche Betriebe. Diese hätten das Know-how und den Platz als Ergänzung zur klassischen Landwirtschaft – etwa ungenutzte Ställe – die rollierenden und kontinuierlichen Pflanzenproduktionsanlagen zu nutzen. In Richtung des GrünenPolitikers Tok sagte Philip Rose, dass die Förderung einer Pilotanlage hilfreich für das Thema wäre.
Die Vorteile des Vertical Farming liegen für die Rose-Brüder auf der Hand: hochwertige Produkte, kein Einsatz von Pestiziden, 99 Prozent weniger Wasserverbrauch, 70 Prozent weniger Düngereinsatz und zudem könne damit auch in der Wüste angebaut werden. Außerdem werde durch ein spezielles Bewässerungssystem ("Aeroponik") ein 30 Prozent schnelleres Wachstum ohne Qualitätsverlust erreicht. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sei Vertical Farming zudem die Option einer zusätzlichen, krisensicheren Lebensmittelproduktion.
Derzeit laufen in Elchingen Versuche zu "Micro Greens" – etwa Kresse, Rucola oder Rote Bete. Bei jedem Versuch werde irgendein Parameter – Lichtintensität oder Menge des Wassers – geändert, um so die optimalen Produktionsbedingungen zu finden. "Das kann schon sehr langwierig sein."
Am Ziel ist Roko, wenn eine Produktionsanlage völlig automatisiert läuft. "Das ist unsere Vision. Denn wenn man keine Pestizide einsetzen will, muss ich schauen, dass keine Schädlinge reinkommen. Und das größte Kontaminationsrisiko ist der Mensch", sagt Philip Rose. Auch Kartoffeln haben die Elchinger auf ihren Anlagen gezogen: das Kilo, nach 58 Tage geerntet, kam so auf 20 Euro. "Das klingt erst mal viel", sagt Philip Rose. Doch bei einer größeren, effizienteren Anlage würde der Preis sinken. Eine Anlage, die – von Solarzellen in Zukunft betrieben – irgendwann ganz ohne Menschen Erdapfel für Erdapfel ausspuckt. Oder Dill. Oder Salatköpfe.