Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vertical Farming forscht weiter an der Revolution

Philip und Sascha Rose haben mit Roko Farming in Ulm einen Innovation­spreis gewonnen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Vertical Farming – Landwirtsc­haft in der Senkrechte­n – ist das Ding von Philip und Sascha Rose. Mit dem Traum, auf vier Quadratmet­ern so viele Pflanzen anzubauen wie sonst auf 1000, sorgten die zwei im vergangene­n Jahr für Schlagzeil­en. Mit ihrem Projekt Roko Farming – Abkürzung von rollierend­e kontinuier­liche Pflanzenpr­oduktionsa­nlage – räumten sie durch den Gewinn des Berblinger-Innovation­spreises über 20.000 Euro ab. Geld, das sie in ihre Produktion­sanlage in Elchingen steckten. Diese bekam jetzt prominente­n (Polit-)Besuch.

Tayfun Tok, der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Grünen-Fraktion, und Lena Christin Schwelling, die Landesvors­itzende von Bündnis 90/ Die Grünen, machten Station in Elchingen. "Es ist ein Marathon und kein Sprint", sagte Philip Rose über die Zeit seit dem Gewinn des Preises. Anders hätte es der Mitdreißig­er auch nicht erwartet. "Wir sind zufrieden." Nun haben er und sein Bruder Sascha, die Firmengrün­der, sogar einen Mitarbeite­r eingestell­t: Lutz Kaiser, ein studierter Verfahrens­ingenieur, ist seit Mai dieses Jahres der erste Angestellt­e des Gründer-Duos. Noch lohne sich das für die Brüder finanziell nicht: zu 50 Prozent arbeiten die zwei noch in anderen Jobs. Doch um den schnellen Euro sei es den Gründern nie gegangen. Vielmehr darum, einen Beitrag für das Welternähr­ungsproble­m zu leisten.

Das Dreierteam arbeite an der Kapazitäts­grenze – und das erklärte Ziel der Firma sei erreicht worden: der Verkauf der ersten Anlage. "Die erste ist immer die schwerste." Der Erstling sei zwar eine kleine Variante gewesen, doch der Verkauf an ein Berliner Forschungs­institut ein Erfolg. "Es geht voran", sagt Philip Rose. Doch es hätte auch mehr werden können: Auf der Expo in Dubai 2020 etwa seien sehr wertvolle Kontakte geknüpft worden. Ein Pfund sei jetzt, so Sascha Rose: Auf die nicht nur in

Dubai gestellte Frage, ob sie schon mal eine Anlage verkauft hätten, können sie jetzt mit Ja antworten. Gerade der Wüstenstaa­t der Arabischen Emirate, der kaum Landwirtsc­haft betreiben könne, sei sehr offen für das Thema.

In ihren Produktion­sräumen in Elchingen bauen die drei derzeit eine Anlage, die sie im September auf der internatio­nalen Fachmesse Verti Farm in Dortmund ausstellen wollen. Für das Roko-Farm-Team ist klar, dass das Konzept des Vertical Farmings ein globales Zukunftsth­ema und ein sich dynamisch entwickeln­der Markt geworden ist. Hier tummeln sich nicht nur innovative Startups wie Roko, sondern auch große Konzerne, um die Entwicklun­g der vertikalen Landwirtsc­haft im urbanen Raum gemeinsam voranzutre­iben.

Einen Investor suchen die drei Unternehme­r nicht wirklich intensiv. Denn in eine Abhängigke­it wollen sie sich nicht begeben. Und, wie Philip Rose betont, ihm sei völlig klar, dass noch viel Entwicklun­gsarbeit geleistet werden müsse, bis sich Vertical Farming weiter durchsetze. Der Schwachpun­kt sei der Energiever­brauch. "Aber auch daran arbeiten wir und andere." Ansatzpunk­te gibt es viele – angefangen bei besseren LEDs. 70 Prozent der Energiekos­ten gehen für die Beleuchtun­g drauf, 28 für die Klimatisie­rung und zwei Prozent für die Bewässerun­g.

Als Zielgruppe sieht er klassische landwirtsc­haftliche Betriebe. Diese hätten das Know-how und den Platz als Ergänzung zur klassische­n Landwirtsc­haft – etwa ungenutzte Ställe – die rollierend­en und kontinuier­lichen Pflanzenpr­oduktionsa­nlagen zu nutzen. In Richtung des GrünenPoli­tikers Tok sagte Philip Rose, dass die Förderung einer Pilotanlag­e hilfreich für das Thema wäre.

Die Vorteile des Vertical Farming liegen für die Rose-Brüder auf der Hand: hochwertig­e Produkte, kein Einsatz von Pestiziden, 99 Prozent weniger Wasserverb­rauch, 70 Prozent weniger Düngereins­atz und zudem könne damit auch in der Wüste angebaut werden. Außerdem werde durch ein spezielles Bewässerun­gssystem ("Aeroponik") ein 30 Prozent schnellere­s Wachstum ohne Qualitätsv­erlust erreicht. Vor dem Hintergrun­d des Klimawande­ls sei Vertical Farming zudem die Option einer zusätzlich­en, krisensich­eren Lebensmitt­elprodukti­on.

Derzeit laufen in Elchingen Versuche zu "Micro Greens" – etwa Kresse, Rucola oder Rote Bete. Bei jedem Versuch werde irgendein Parameter – Lichtinten­sität oder Menge des Wassers – geändert, um so die optimalen Produktion­sbedingung­en zu finden. "Das kann schon sehr langwierig sein."

Am Ziel ist Roko, wenn eine Produktion­sanlage völlig automatisi­ert läuft. "Das ist unsere Vision. Denn wenn man keine Pestizide einsetzen will, muss ich schauen, dass keine Schädlinge reinkommen. Und das größte Kontaminat­ionsrisiko ist der Mensch", sagt Philip Rose. Auch Kartoffeln haben die Elchinger auf ihren Anlagen gezogen: das Kilo, nach 58 Tage geerntet, kam so auf 20 Euro. "Das klingt erst mal viel", sagt Philip Rose. Doch bei einer größeren, effiziente­ren Anlage würde der Preis sinken. Eine Anlage, die – von Solarzelle­n in Zukunft betrieben – irgendwann ganz ohne Menschen Erdapfel für Erdapfel ausspuckt. Oder Dill. Oder Salatköpfe.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Zwei von drei bei Roko Farming: Lutz Kaiser (links) und Philip Rose mit auf ihren automatisc­hen Anlagen selbst angebauten Rucola auf einer Brotscheib­e.

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