Römervilla wird zum ukrainischen Zentrum
Seit Jahren steht das historische Gebäude im Glacispark leer, nun hat es die Stadt Neu-Ulm gemietet
NEU-ULM - Der Dornröschenschlaf der seit Jahren leer stehenden Römervilla im Neu-Ulmer Glacis-Park hat ein Ende: Voraussichtlich Mitte Juni ziehen Geflüchtete aus der Ukraine ein. Allerdings sollen sie dort nicht nur wohnen, die Stadt möchte in dem ehrwürdigen Gebäude eine Begegnungsstätte einrichten, wo die Menschen unter anderem die deutsche Sprache lernen und auch noch etliche andere Betreuungsangebote erhalten können. Am Mittwochvormittag wurde der Mietvertrag unterzeichnet.
Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger (CSU) ist überglücklich, dass nach wochenlangen "ausgiebigen Gesprächen" eine Einigung mit der Besitzerin zustande kam: "Ich finde das super, das ist eine Win-Win-WinSituation für alle Beteiligten." Das Gebäude sei geeignet wie kein zweites in der Stadt. Das hat gleich mehrere Gründe.
Die Römervilla verfügt über 16 Doppel- und 6 Einzelzimmer, sodass dort rund 50 Menschen unterkommen können. Da das Gebäude einst nicht nur ein Hotel war, sondern auch ein Tagungszentrum, stehen darüber hinaus genügend Räume zur Verfügung, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner etwa Deutschunterricht erhalten können. Es sei Platz für Info-Veranstaltungen oder Qualifizierungskurse, erklärt Katrin Albsteiger auf Nachfrage unserer Redaktion. Dort könne auch psychologische Betreuung für die oftmals vom Krieg in ihrem Land traumatisierten Menschen angeboten werden. Es bestünden darüber hinaus auch Möglichkeiten, diejenigen Kinder zu betreuen, die noch nicht zur Schule gehen, damit die Mütter in Ruhe Deutsch pauken können.
Doch die Villa bietet nicht nur ausreichend Platz: Die Tagungsräume und Hotelzimmer sind nach wie vor voll möbliert. "Das ist unheimlich attraktiv", freut sich Katrin Albsteiger,
"denn alles ist noch da, Stühle, Tische, Bettzeug. Sogar die Kaffeemaschine. Für uns ist das super, denn so müssen wir bei der Ausstattung nicht ganz von vorne anfangen." Schön findet sie auch, dass der Garten der Villa viel Platz bietet, etwa für Flohmärkte, Konzerte oder Veranstaltungen unterschiedlichster Art.
Die vielfältigen Möglichkeiten seien gut für das Miteinander der Flüchtlinge, die ansonsten in der Regel nur vereinzelt oder in kleinen Gruppen unterkommen. In der Villa können sie zusammen sein und sich gegenseitig unterstützen, sagt die Oberbürgermeisterin, die im Übrigen von einem "ganz wunderbaren Haus" spricht. Wer jedoch künftig für all die Betreuungsangebote zuständig sein wird, scheint noch nicht endgültig festzustehen. Zunächst übernimmt das die Stadt Neu-Ulm. die hat sich bereits seit Längerem in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt um eine gute Unterbringung und Betreuung der Kriegsflüchtlinge bemüht. So stellte die städtische Wohnbaugesellschaft Nuwog der Kreisbehörde bereits frühzeitig die wegen geplanter Sanierungen leer stehenden Wohnungen sowie einige Gemeinschaftsräume zur Unterbringung von mehr als 100 Geflüchteten zur Verfügung. Zudem wurden in den Obdachlosenunterkünften der Stadt vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen, in denen die Schutzsuchenden bis zur Wohnungsvermittlung untergebracht werden können. Daneben plante die Stadt eine zentrale Begegnungsstätte für die Flüchtlinge aus der Ukraine - und kann sie nun in diesem sehr speziellen Gebäude einrichten.
Das Haus ist tatsächlich etwas ganz Besonders. Der Neu-Ulmer Lederwarenfabrikant Johannes Römer hat es sich in den Jahren zwischen 1915 und 1919 bauen lassen. Die Pläne stammten von dem damals noch jungen Architekten Hugo Häring aus Biberach an der Riss. Mit dem verschachtelten Haus im Glacispark schuf er seinen bedeutendsten frühen Bau. Später gehörte er an der Seite von solchen Größen wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe zur Avantgarde der deutschen Architekten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die US-Armee die Villa als Offizierscasino und die Bundeswehr als Schulungszentrum. 1990 erwarb es Sieglinde Kober und richtete dort ein Tagungszentrum ein. 2004 übertrug sie es auf ihrer Tochter Caroline Loichinger. Seit vier Jahren steht das Gebäude leer. Eine Nachnutzung für das teilweise denkmalgeschützte Anwesen ließ sich lange Zeit nicht finden. Möglicherweise spielte dabei der fehlende Aufzug eine Rolle. Dann trat Neu-Ulm auf den Plan.
Die Stadt hat die Villa zunächst für fünf Jahre angemietet. Als Untermieter fungiert der Landkreis NeuUlm. Von Amts wegen fällt die Unterbringung von Flüchtlingen in dessen Zuständigkeit. Am 15. Juni sollen in die Römervilla die ersten Ukrainerinnen und Ukrainer einziehen. Warum das so schnell geht? "Das Innere ist ja nicht sonderlich renovierungsbedürftig", sagt die Oberbürgermeisterin. Für sie ist der Tag der Vertragsunterzeichnung mit der Eigentümerin ein "Glückstag".