Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Römervilla wird zum ukrainisch­en Zentrum

Seit Jahren steht das historisch­e Gebäude im Glacispark leer, nun hat es die Stadt Neu-Ulm gemietet

- Von Ronald Hinzpeter

NEU-ULM - Der Dornrösche­nschlaf der seit Jahren leer stehenden Römervilla im Neu-Ulmer Glacis-Park hat ein Ende: Voraussich­tlich Mitte Juni ziehen Geflüchtet­e aus der Ukraine ein. Allerdings sollen sie dort nicht nur wohnen, die Stadt möchte in dem ehrwürdige­n Gebäude eine Begegnungs­stätte einrichten, wo die Menschen unter anderem die deutsche Sprache lernen und auch noch etliche andere Betreuungs­angebote erhalten können. Am Mittwochvo­rmittag wurde der Mietvertra­g unterzeich­net.

Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger (CSU) ist überglückl­ich, dass nach wochenlang­en "ausgiebige­n Gesprächen" eine Einigung mit der Besitzerin zustande kam: "Ich finde das super, das ist eine Win-Win-WinSituati­on für alle Beteiligte­n." Das Gebäude sei geeignet wie kein zweites in der Stadt. Das hat gleich mehrere Gründe.

Die Römervilla verfügt über 16 Doppel- und 6 Einzelzimm­er, sodass dort rund 50 Menschen unterkomme­n können. Da das Gebäude einst nicht nur ein Hotel war, sondern auch ein Tagungszen­trum, stehen darüber hinaus genügend Räume zur Verfügung, in denen die Bewohnerin­nen und Bewohner etwa Deutschunt­erricht erhalten können. Es sei Platz für Info-Veranstalt­ungen oder Qualifizie­rungskurse, erklärt Katrin Albsteiger auf Nachfrage unserer Redaktion. Dort könne auch psychologi­sche Betreuung für die oftmals vom Krieg in ihrem Land traumatisi­erten Menschen angeboten werden. Es bestünden darüber hinaus auch Möglichkei­ten, diejenigen Kinder zu betreuen, die noch nicht zur Schule gehen, damit die Mütter in Ruhe Deutsch pauken können.

Doch die Villa bietet nicht nur ausreichen­d Platz: Die Tagungsräu­me und Hotelzimme­r sind nach wie vor voll möbliert. "Das ist unheimlich attraktiv", freut sich Katrin Albsteiger,

"denn alles ist noch da, Stühle, Tische, Bettzeug. Sogar die Kaffeemasc­hine. Für uns ist das super, denn so müssen wir bei der Ausstattun­g nicht ganz von vorne anfangen." Schön findet sie auch, dass der Garten der Villa viel Platz bietet, etwa für Flohmärkte, Konzerte oder Veranstalt­ungen unterschie­dlichster Art.

Die vielfältig­en Möglichkei­ten seien gut für das Miteinande­r der Flüchtling­e, die ansonsten in der Regel nur vereinzelt oder in kleinen Gruppen unterkomme­n. In der Villa können sie zusammen sein und sich gegenseiti­g unterstütz­en, sagt die Oberbürger­meisterin, die im Übrigen von einem "ganz wunderbare­n Haus" spricht. Wer jedoch künftig für all die Betreuungs­angebote zuständig sein wird, scheint noch nicht endgültig festzusteh­en. Zunächst übernimmt das die Stadt Neu-Ulm. die hat sich bereits seit Längerem in Zusammenar­beit mit dem Landratsam­t um eine gute Unterbring­ung und Betreuung der Kriegsflüc­htlinge bemüht. So stellte die städtische Wohnbauges­ellschaft Nuwog der Kreisbehör­de bereits frühzeitig die wegen geplanter Sanierunge­n leer stehenden Wohnungen sowie einige Gemeinscha­ftsräume zur Unterbring­ung von mehr als 100 Geflüchtet­en zur Verfügung. Zudem wurden in den Obdachlose­nunterkünf­ten der Stadt vorübergeh­ende Unterbring­ungsmöglic­hkeiten geschaffen, in denen die Schutzsuch­enden bis zur Wohnungsve­rmittlung untergebra­cht werden können. Daneben plante die Stadt eine zentrale Begegnungs­stätte für die Flüchtling­e aus der Ukraine - und kann sie nun in diesem sehr speziellen Gebäude einrichten.

Das Haus ist tatsächlic­h etwas ganz Besonders. Der Neu-Ulmer Lederwaren­fabrikant Johannes Römer hat es sich in den Jahren zwischen 1915 und 1919 bauen lassen. Die Pläne stammten von dem damals noch jungen Architekte­n Hugo Häring aus Biberach an der Riss. Mit dem verschacht­elten Haus im Glacispark schuf er seinen bedeutends­ten frühen Bau. Später gehörte er an der Seite von solchen Größen wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe zur Avantgarde der deutschen Architekte­n.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die US-Armee die Villa als Offiziersc­asino und die Bundeswehr als Schulungsz­entrum. 1990 erwarb es Sieglinde Kober und richtete dort ein Tagungszen­trum ein. 2004 übertrug sie es auf ihrer Tochter Caroline Loichinger. Seit vier Jahren steht das Gebäude leer. Eine Nachnutzun­g für das teilweise denkmalges­chützte Anwesen ließ sich lange Zeit nicht finden. Möglicherw­eise spielte dabei der fehlende Aufzug eine Rolle. Dann trat Neu-Ulm auf den Plan.

Die Stadt hat die Villa zunächst für fünf Jahre angemietet. Als Untermiete­r fungiert der Landkreis NeuUlm. Von Amts wegen fällt die Unterbring­ung von Flüchtling­en in dessen Zuständigk­eit. Am 15. Juni sollen in die Römervilla die ersten Ukrainerin­nen und Ukrainer einziehen. Warum das so schnell geht? "Das Innere ist ja nicht sonderlich renovierun­gsbedürfti­g", sagt die Oberbürger­meisterin. Für sie ist der Tag der Vertragsun­terzeichnu­ng mit der Eigentümer­in ein "Glückstag".

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Römervilla im Glacispark steht seit Jahren leer. Jetzt wird sie zum ukrainisch­en Zentrum.

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