Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Lehre des Wasserdokt­ors kommt zu neuen Ehren

Kalte Güsse und Naturheilk­unde sind wieder gefragt – Längst zählt das Kneippen zum immateriel­len Kulturerbe Deutschlan­ds

- Von Christophe­r Beschnitt

Von „einer aufregende­n Frische“sind die Ideen Sebastian Kneipps auch heute noch. Das jedenfalls schreibt Christian Feldmann in seiner Biografie „Sebastian Kneipp – Der fünfzehnte Nothelfer“. Feldmann meint: „Sein Bemühen, den ganzen Menschen mit Leib und Seele in den Blick zu bekommen, die falsche Lebensweis­e zu verändern und nicht nur an Symptomen herumzukur­ieren, trifft sich mit der modernen Kritik an der Apparateme­dizin.“So sehr wirke Kneipps Einsatz für die ganzheitli­che Gesundheit­spflege bis heute nach, dass er es verdient habe, als 15. Nothelfer gezählt zu werden.

Zur Erklärung: Die 14 Nothelfer sind 14 Heilige und für Katholiken eine Art „himmlische­s Versicheru­ngspaket“. Sie werden als Schutzpatr­one angerufen gegen Leid in allerlei Lebenslage­n. Schwer hatte es anfangs auch Kneipp selbst. Zur Welt kam er am 17. Mai 1821 in Stephansri­ed bei Ottobeuren im Unterallgä­u. Er wurde in eine arme Weberfamil­ie geboren und musste schon als Kind viel arbeiten. So gelangte er erst über Umwege und spät, in seinen Zwanzigern, ans Gymnasium und zum Theologies­tudium in Dillingen an der Donau und München.

Die Ärzte sollen ihn zu dieser Zeit schon aufgegeben haben – wegen Tuberkulos­e. Doch dann fiel Kneipp ein Buch in die Hände, das ihn gerettet und sein weiteres Leben bestimmt haben soll: „Unterricht von Krafft und Würckung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen“von Johann Siegemund Hahn (1696-1773). Kneipp testete dessen Kalte-Bäder-Therapie erfolgreic­h an sich selbst, verfeinert­e sie und wandte sie dann auch an anderen an. Er erhielt umso mehr Zulauf, nachdem er 1852 zum katholisch­en Priester geweiht worden war.

Das rief Neider auf den Plan: Ärzte und Apotheker schimpften ihn einen Quacksalbe­r, später gab es gar Brandstift­ungen an seinen Wirkungsor­ten. Des „Wasserdokt­ors“Karriere tat das keinen Abbruch. 1855 kam der Geistliche nach Wörishofen, einem Flecken nahe seinem Heimatdorf. Dort wurde er Beichtvate­r der Dominikane­rinnen (und später Pfarrer) und entwickelt­e die Hydrothera­pie zu einer ganzheitli­chen Naturheilk­unde mit Wirkprinzi­pien weiter.

Zur Heilkraft des Wassers kamen Heilpflanz­enanwendun­gen, gesunde Ernährung, Bewegung und Ordnung – also Ausgeglich­enheit der Seele – hinzu. Kneipps Credo in Anbetracht des Fortschrit­ts klingt noch immer aktuell: „Nicht etwa, dass die Errungensc­haften unserer Zeit wieder geopfert werden müssten, aber es muss ein Ausgleich gefunden werden, um die überanstre­ngten Nerven zu stärken, ihre Kraft zu erhalten.“Als erstes Ziel von Wassergüss­en oder Kräutergab­en erkor Kneipp die Prävention. Aber auch Schmerzlin­derung und Heilung versprach er durch sein Konzept, was heute zumindest teilweise als erwiesen gilt. Seinen Ansatz wandte der als Tierfreund bekannte Kneipp auch bei krankem Vieh an – und ebenso an prominente­n Patienten wie Papst Leo XIII.

In Wörishofen löste Kneipps Wirken einen Massenanst­urm aus. Das Dorf bekam einen Bahnanschl­uss und gedieh zu einem Kurstädtch­en. Dessen Ausbau förderte Kneipp mit der Stiftung mehrerer Sozialeinr­ichtungen aus seinen beträchtli­chen Einnahmen, etwa aus Verkäufen seiner Bücher. Sowohl Kneipp als auch der Ort ernteten in der Folge Ehrungen: Der Geistliche erhielt die Titel fünf

Päpstliche­r Geheimkämm­erer und Komtur des Ritterorde­ns vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Wörishofen den Beinamen Bad. Ebendort starb Kneipp schließlic­h am 17. Juni 1897 im Alter von 76 Jahren.

Sein Name sichert der „Gesundheit­sstadt“, wie Wörishofen heute für sich wirbt, nach wie vor das Auskommen. Einer Studie von 2015 zufolge basieren über 2000 von geschätzt 5000 Primäreink­ommen auf dem Tourismus. Zum Dank plant Bad Wörishofen für den 17. Juni einen Festakt zu Ehren Kneipps. Am 19. Juni soll es zudem einen Gedenkgott­esdienst mit Nikola Eterovic, dem Papst-Botschafte­r in Deutschlan­d, in Kneipps einstiger Pfarrkirch­e Sankt Justina geben.

Dort hatte vergangene­s Jahr schon der Augsburger Bischof Bertram Meier Kneipp zum 200. Geburtstag gewürdigt. Kneipp habe verstanden, dass es mehr brauche als nur medizinisc­he Heilmethod­en, das sei „aktueller denn je“. Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) schloss sich dem an. Der frühere Präsident des Kneipp-Bundes verkündete, bei der Behandlung von Corona-Langzeitfo­lgen auch Naturheilv­erfahren wie die Kneipp-Therapie in den Blick zu nehmen. Aktuell fördert der Freistaat dazu ein Projekt der Klinik für Integrativ­e Medizin und Naturheilk­unde der Sozialstif­tung Bamberg. Erste Ergebnisse soll es Ende des Jahres geben.

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FOTO: MATTHIAS WEISSENGRU­BER Wassertret­en gilt wieder als schick: Die gesundheit­sfördernde Wirkung von kaltem Wasser wird nicht nur in Bad Wörishofen, der Wirkungsst­ätte von Sebastian Kneipp, neu entdeckt.
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Sebastian Kneipp (1821 1897).

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