Verletztenzahl nach Zugunglück steigt auf 68
Polizei sucht Zeugen sowie Fotos und Videos nach Unfall bei Garmisch-Partenkirchen
GARMISCH-PARTENKIRCHEN (dpa/KNA) - Tiefe Trauer bei einem Gedenkgottesdienst und deutlich mehr Verletzte nach dem Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen: In der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt der Marktgemeinde haben katholische und evangelische Kirche am Samstag mit Angehörigen, Rettungskräften, Einheimischen und Vertretern der Politik einen bewegenden Gottesdienst gefeiert. Einen Tag später nannte die Polizei eine neue, deutlich höhere Verletztenzahl. Sie stieg auf nun fast 70 Menschen an.
Demnach wurden 16 Menschen schwer und 52 leicht verletzt. Sorge gilt besonders einer 34-jährigen Frau, deren Zustand weiterhin kritisch ist. Zuletzt war von über 40 Verletzten die Rede. Nun hätten sich aber etliche weitere Verletzte gemeldet.
Vier Frauen und ein 13-Jähriger aus der Region starben, als am vorvergangenen Freitag gegen 12.15 Uhr ein Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München entgleiste. Die Ursache ist noch unklar.
Die rund 50 Mitarbeiter umfassende Soko „Zug“arbeitet auf Hochtouren
an der Aufklärung. Dutzende Fahrgäste sowie Bahnmitarbeiter wurden bereits als Zeugen vernommen.
Die Ermittler suchen nun noch Fahrgäste aus dem Unglückszug, die bisher noch keinen Kontakt zur Polizei hatten. Zudem riefen die Beamten Zeugen auf, Bilder und Videos für die Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Dazu sei ein eigenes Upload-Portal geschaltet.
Die Soko geht davon aus, dass noch nicht alle Fahrgäste des Unglückszuges erreicht werden konnten. Möglicherweise unverletzte oder nur leicht verletzte Menschen könnten sich von der Unfallstelle entfernt haben, bevor ihre Personalien aufgenommen werden konnten. „Diese Fahrgäste, die bislang keinen Kontakt mit der Polizei hatten, sind wichtige Zeugen für die Soko ,Zug’.“
An der Unfallstelle stehen noch immer die Lok und ein Waggon auf den Gleisen. Die Bahn arbeitet an den Vorbereitungen zum Abtransport.
Autofahrer konnten zuletzt auf dem Weg von Garmisch-Partenkirchen Richtung Norden neben der Straße die völlig zerstörten weiteren Waggons auf einem Abstellplatz sehen. Sie sind mit den Fahrgestellen
und Schienenteilen sichergestellt worden. Auf diesen Teilen liegt ein Fokus der Ermittlungen. Vermutet wird ein technischer Defekt oder ein Problem mit den Gleisen. Wann auf der Strecke wieder Züge fahren können, ist offen.
In einem ökumenischen Trauergottesdienst ist am Samstagabend der Opfer des Zugunglücks gedacht worden. An die 300 Menschen waren in die Kirche Maria Himmelfahrt gekommen, unter ihnen auch Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Neben Hinterbliebenen und Überlebenden nahmen viele Rettungs- und Hilfskräfte sowie weitere Gläubige daran teil.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte, als er von dem Unglück hörte, sei er „tief erschrocken“und bestürzt gewesen. Natürlich wisse man, dass das Leben endlich sei, aber wenn es so „brutal“einschlage, bleibe die Frage nach dem Warum. „Eine Antwort darauf werden wir nicht geben können“, räumte Marx ein. Aber als Hoffnung bleibe, sich auf den Weg einzulassen, den Jesus gewiesen habe: „Wir stehen mit leeren Händen vor Gott, aber er erwartet uns mit seiner ganzen Fülle.“
Aus heiterem Himmel könne einen das Leben richtig schrecklich erwischen und so etwas Sicheres wie ein Zug entgleisen, sagte der evangelische Münchner Regionalbischof Christian Kopp in seiner Ansprache. Auf einmal sei die Welt eine andere. Ein 13-jähriger Junge werde nicht mehr erwachsen werden; zwei junge ukrainische Frauen, dem Krieg entflohen, seien ebenfalls gestorben und ihre Kinder zu Halbwaisen geworden. Eine 51-jährige Frau aus Wiesbaden, eine 70-jährige Frau aus dem Münchner Landkreis – alles abgerissene Leben, die große Lücken in den Familien hinterließen.
Es seien Frauen gewesen, „die auf Sicherheit in unserem Land gehofft haben. Und gerade bei uns ums Leben gekommen sind“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er sprach den Angehörigen der Opfer im Namen der Staatsregierung Beileid aus und dankte den Rettungskräften, darunter viele Ehrenamtliche. Einige Helfer saßen in der Kirche, stellten nach dem Gottesdienst wie die anderen Besucher ein brennendes Teelicht auf.