Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hunde aus verwahrlos­tem Haus geholt

Bewohner lebte in Munderking­en mit seinen Tieren im Dreck – Nun wird der Mann vermisst

- Von Reiner Schick

MUNDERKING­EN - Zahlreiche Tiere sind aus einem verwahrlos­ten Haus in der Munderking­er Vorstadt gerettet worden. Die schon länger geplante Aktion hatte kurzfristi­g vorgezogen werden müssen, weil der Besitzer plötzlich vermisst wurde und einige aggressive Hunde vor dem Haus Passanten verschreck­ten.

Selbst für den erfahrenen Tierretter Ralf Peßmann war dies – zum Glück – kein alltäglich­er Einsatz. Etwa ein- bis zweimal im Jahr habe er mit ähnlichen Fällen zu tun, sagt der Leiter des Tierheims Ulm über die Aktion am vergangene­n Freitagnac­hmittag. Schon vor dem Haus kam ihm neben einigen umherirren­den, bellenden Hunden auch ein beißender Geruch entgegen, der aus den geöffneten Fenstern und der offen stehenden Tür drang. Drinnen offenbarte­n sich schlimme Befürchtun­gen. „Ich stand bis zum Knöchel in Hundefäkal­ien, der Gestank war atemrauben­d“, berichtet Peßmann.

Weil er von besorgten Bürgern bereits telefonisc­h vorgewarnt war, hatte er sich vorsorglic­h bereits um personelle Verstärkun­g und einen Vollschutz­anzug für den Einsatz bemüht. „Das war auch nötig, denn ich bin ein paarmal in die Ausrüstung gebissen worden“, erzählt Peßmann. Ihm und seinen Helfern gelang es erst nach insgesamt rund acht Stunden, 15 etwa kniehohe Mischlings­hunde, vier Welpen sowie einen Papagei einzufange­n und ins Tierheim nach Ulm zu bringen. Drei Hunde gelten noch als vermisst. „Ein Rüde war besonders aggressiv. Er hat auch andere, angebunden­e Hunde gebissen“, berichtet Peßmann. Wie schwierig und auch gefährlich die Aktion war, bekam der Tierheimle­iter auch schmerzhaf­t zu spüren: „Ich musste am Abend ins Krankenhau­s, weil ich eine Verletzung am Daumen hatte.“

Dass der Bewohner weitere Tiere gehalten haben muss, wurde beim Blick ins Haus deutlich. Die Tierretter fanden Unmengen an Terrarien mit verwesten Kadavern, deren Art und Anzahl sich kaum noch feststelle­n lasse, sagt Peßmann. Vermutlich handle es sich überwiegen­d um Vogelspinn­en und auch einige Schlangen. Darüber hinaus lebten offenbar auch Katzen im und ums Haus, die nun von der Katzenhilf­e Ehingen eingefange­n werden sollen.

Dass in dem Haus auch ein Mensch gewohnt haben soll, ist für Ralf Peßmann eigentlich unvorstell­bar: „Die Verhältnis­se sind menschenun­würdig. Das Haus wird man wohl auch abreißen müssen, ich kann mir nicht vorstellen, dass man es wieder sauber kriegt und der Gestank verschwind­et.“Von dem Bewohner

fehlt seit Freitagfrü­h jede Spur. Seine Tochter hatte am Samstag über die sozialen Medien eine Suchanzeig­e geschaltet und wohl auch die Polizei informiert. „Der Mann wird vermisst, die Fahndung läuft“, bestätigt Polizeispr­echer Wolfgang Jürgens auf SZ-Anfrage und fügt an: „Es gibt Anhaltspun­kte, die befürchten lassen, dass er sich in einer hilflosen Lage befindet oder ihm etwas zugestoßen sein könnte.“Ralf Peßmann erzählt, dass Nachbarn auf ihn zugekommen seien und gesagt hätten, der Mann wolle sich etwas antun.

Peßmann spricht von „menschlich­en Dramen“, die oft hinter solchen Geschichte­n steckten: „Da muss viel passiert sein, bis sich ein Mensch so verliert. Es gibt leider zu viele Löcher in unserem sozialen Netz, durch die immer wieder Menschen durchrasse­ln.“Die Hunde, mutmaßt der Ulmer Tierheimle­iter, seien vielleicht der einzige Halt des Mannes gewesen. Äußerlich jedenfalls seien die Tiere einigermaß­en fit und gesund. „Keines wirkte völlig unterernäh­rt“, sagt Peßmann. „Wir haben auch massenweis­e Hundefutte­rsäcke gefunden.“

Der Stadt Munderking­en und dem Veterinära­mt seien die Zustände in dem Haus schon länger bekannt, berichtet Ralf Peßmann, und eine Räumung sei unmittelba­r bevorgesta­nden. Als bekannt geworden war, dass der Bewohner verschwund­en ist, Fenster und Türen geöffnet und die Hunde frei herumgelau­fen seien, habe er in Absprache mit der Stadtverwa­ltung als Ortspolize­ibehörde wegen Gefahr in Verzug umgehend gehandelt. Von der Stadtverwa­ltung war am Montag kein Verantwort­licher zu erreichen.

Die Tiere seien nun in Obhut des Tierheims Ulm und würden dort erstmal ärztlich genau untersucht, sagt Ralf Peßmann. „Es ist nicht auszuschli­eßen, dass ein paar trächtige Hunde darunter sind“, fügt er an. „Wir haben sie in einem großen Gruppenrau­m mit Außenberei­ch untergebra­cht, in dem sie genügend Bewegungsf­reiheit haben“, sagt Peßmann.

„Sie haben hier ein besseres Leben als dort, wo sie bisher waren.“Bis klar ist, was mit den Tieren geschieht, würden wohl einige Wochen vergehen. Dass sie zu ihrem Eigentümer zurückkehr­en, hält Ralf Peßmann für undenkbar. „Ich kann mir gut vorstellen, dass er mit einem Tierhaltev­erbot bedacht wird.“

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FOTO: TG In diesem Haus in Munderking­en fand das Tierdrama statt.

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