Das „Judensau“-Relief hat eine wichtige Debatte angestoßen
Die „Judensau“an der Stadtkirche Wittenberg darf bleiben. Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs in dem seit Jahren dauernden Rechtsstreit mag für den Kläger Dietrich Düllmann enttäuschend sein. Doch wenn er sich nun an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wendet, ist es für die Sache umso besser.
Der von ihm geführte Kampf gegen das judenfeindliche Relief, von denen es in Deutschland noch Dutzende gibt, hat wichtige gesellschaftliche Debatten angestoßen – und so bleiben sie am Laufen. Die christlichen Kirchen müssen sich damit beschäftigten, wie sie mit Zeugnissen ihrer jahrhundertelangen Judenfeindlichkeit umgehen. Auch Vertreter der jüdischen Gemeinde reiben sich an der Frage, ob eine dermaßen beleidigende Skulptur als Stachel im Fleisch der Gesellschaft öffentlich gezeigt werden soll – oder ins Museum gehört. Die „Judensau“ steht in diesem Sinne für die derzeitigen Kontroversen um Straßennamen, Denkmale und Begriffe, die politisch belastet oder aus der Zeit gefallen sind. Wenn darüber auch in der Schule, im Kollegenkreis und im Turnverein diskutiert wird, bringt dies mehr als Sonntagsreden über Toleranz und Antidiskriminierung.
In einem Punkt ist das Urteil des Bundesgerichtshofs allerdings enttäuschend: Dass eine Bodenplatte mit einem verschwurbelten Spruch und ein Aufsteller mit wenigen Sätzen ausreichen sollen, um aus einem „Schandmal“ein „Mahnmal“zu machen, ist nicht nachvollziehbar. Die Wittenberger mögen gerichtlich mit ihrer Distanzierung von der „Judensau“durchgekommen sein, doch es bleibt eine Schmalspur-Einordnung. Dieses Missstands sollte sich die Kirchengemeinde annehmen – auch ohne richterlichen Auftrag.