Erwärmung in Ehingen liegt bei 1,7 Grad
Wetterexperte Roland Roth über konkrete Folgen des Klimawandels in der Region
EHINGEN - Mit dem Fahrrad ist der Wetterexperte Roland Roth landauf, landab und sogar in Österreich und der Schweiz unterwegs, um den Menschen den Klimawandel und die Folgen für die Region zu erklären. Diesmal ist er auf Einladung des Imkervereins nach Ehingen zum Gasthof der Brauerei Schwanen geradelt. „Das wird kein angenehmer Vortrag“, sagt Roth, er komme mit Wut im Bauch, Wut auf den „billigen Mainstream“in der Politik in Sachen Klimaschutz.
Der Klimawandel sei, so Roth, eine Mischung aus natürlichen und von Menschen gemachten Ursachen. „Natürliche Klimaschwankungen sind der Normalfall“, macht Roth deutlich. Das stetige Auf- und Ab der Oberflächentemperatur sei kennzeichnend für die Klimaentwicklung auf der Erde. Auf Eiszeiten folgten Warmzeiten. Funde von Haifischzähnen in Oberschwaben belegen laut dem Wetterexperten, dass hierzulande einst ein subtropisches Klima herrschte. Diese natürlichen Klimaschwankungen hätten sich jedoch in Jahrtausenden vollzogen, während die gegenwärtige Klimaveränderung quasi im Zeitraffertempo vonstatten geht.
Seit der letzten Eiszeit, also innerhalb von 10 000 Jahren, habe es eine Erwärmung von 4 bis 5 Grad gegeben. 1980 sei das Jahr der „Wende“, erklärt Roth. Seit dieser Zeit, also seit 40 Jahren, steigen die Temperaturen stetig an, und zwar abhängig davon, ob sich Orte südlich oder nördlich der Mainlinie befinden. Richtung Norden erwärme sich die Luft deutlich weniger als im Rückstau der Alpen. In Hamburg habe sich die Jahresmitteltemperatur um rund 0,8 Grad erhöht, am Main um 1,1 Grad.
„Wenn wir südlich gehen von Frankfurt in Richtung Stuttgart, sind wir schon bei 1,5 Grad.“In Ulm seien es 1,7 Grad, in Ehingen etwa 1,6 bis 1,7, Bad Schussenried liege nachgewiesen schon bei 1,8 Grad. Am Alpenrand bei Oberstaufen, Isny und Lindau seien die Temperaturen schon bei über 2 Grad angelangt, bis zu 2,3 Grad. „Das heißt, wir sind dann über dem politisch geforderten Maximalziel
bereits.“Zwar habe es im Sommer 2003 drei Hitzerekorde gegeben, aber der heißeste Monat im südlichen Baden-Württemberg war schon kurz nach dem Jahr der „Wende“, der Juli 1983.
Damals habe es 17 Hitzetage hintereinander gegeben, also Tage mit Temperaturen von 30 Grad und mehr. „Das waren so viele Hitzetage wie in den zehn Jahren davor.“Und in jenem Sommer seien auch zum ersten Mal in Deutschland Temperaturen jenseits der 40 Grad aufgezeichnet worden. Die Temperatur von 38,2 Grad sei in Bad Schussenried bis heute Rekord.
Der Wetterexperte erwartet weitreichende Veränderungen in der Region, es könne zum Beispiel Hagel an Orten geben, wo es bisher noch keinen Hagel gegeben hat. Gleichzeitig dürfe man Klimaschutz nicht nur mit der „Ehinger Brille“oder der „Schussenrieder Brille“, sondern global betrachten.
Roth lässt kein gutes Haar an der Politik. Zehntausende von Menschen seien Jahr für Jahr zu Klimakonferenzen mit Privatjets um die
Welt gereist, und passiert sei nichts außer „heißer Luft“und „klimatologischer Ablasshandel“. Es seien viel weitreichendere Maßnahmen notwendig als vom „billigen Mainstream“in der Politik umgesetzt. „Ökologisches Denken und ökologisches Handeln ist ein Riesenunterschied.“
Es werde mittlerweile wieder geflogen wie vor Corona, sei es nur zum Kaffeetrinken nach Mailand oder London. Dennoch hofft er, dass die Pandemie zum Umdenken angeregt hat. „Vielleicht macht sich doch der ein oder andere durch die exorbitant gestiegenen Spritpreise Gedanken über sein Mobilitätsverhalten.“
Für ein lupenreines Mobilitätsverhalten ist Roth jedenfalls ein gutes Beispiel. Nach Ehingen radelte Roth von seiner Wetterwarte in Bad Schussenried rund viereinhalb Stunden, denn davor hat er einen Vortrag in Bad Saulgau gehalten. Auf der Fahrt hört er Radio, und er freut sich, wenn er am Stau vorbeiradeln kann. Klimaschutz bedeute auch Lebensfreude, sagt Roth, wobei es nicht jeder so auf die Spitze treiben müsse wie er.