Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hunde in verdreckte­m Haus: Darum reagierte die Stadt erst jetzt

Auch Veterinära­mt nimmt Stellung – Der Halter der ins Heim gebrachten Tiere wird weiterhin vermisst

- Von Reiner Schick

MUNDERKING­EN - Überall Kot und Müll, Gestank, alte Terrarien mit teils undefinier­barem Inhalt, rund 20 Hunde, zahlreiche Katzen, ein Papagei und ein verscholle­ner Hausbewohn­er: So lässt sich zusammenfa­ssen, was bei der Räumung eines Hauses in der Munderking­er Vorstadtst­raße zutage trat. Für viele Beobachter steckt dahinter eine menschlich-tierische Tragödie, die mit der Aktion am vergangene­n Freitag ihren Tiefpunkt nahm. Die zuständige­n Behörden erklären nun, warum nicht früher so eingegriff­en wurde, wie jetzt schließlic­h getan wurde.

„Wir wissen schon länger, dass der Mann viele Hunde hat“, berichtet Axel Leute, Hauptamtsl­eiter der Stadt Munderking­en. Allerdings sei die Zahl erst in den vergangene­n Monaten allmählich so angestiege­n, dass klar geworden sei: „Es kann nicht mehr sein, dass die Haltung so vieler Hunde funktionie­rt.“Das wurde zunehmend auch ums Haus herum und im nahen Stadtzentr­um deutlich, wo immer wieder einige der Mischlings­hunde herumliefe­n, mal ohne Herrchen, mal mit, aber stets ohne Leine. Wirklich gefährlich seien die Tiere für Passanten zwar nicht geworden, wie Bürgermeis­ter Michael Lohner betont: „Es gab zwar Anrufe in der Stadtverwa­ltung, aber von einer Attacke wurde uns nie berichtet.“Trotzdem macht Lohner klar: „Es geht nicht, dass man Hunde einfach so durch die Stadt streunen lässt.“Zum einen sorgten die Tiere bei manchen Bürgern für Unbehagen, zum anderen hinterließ­en sie überall ihre Notdurft – ein Problem, das der Stadt ohnehin Sorgen bereitet, sagt der Bürgermeis­ter. Erst vor wenigen Wochen habe er den Hundehalte­r an einem Markttag lautstark auf seine Pflichten hingewiese­n.

Wirklich gestört hat ihn der Anpfiff des Stadtoberh­aupts freilich nicht. Dennoch: Die Verweigeru­ng von Halterpfli­chten alleine genüge nicht, um die Tiere zu beschlagna­hmen. Zumal diese keinen verwahrlos­ten, kranken oder unterernäh­rten Eindruck machten. Auch der Halter selbst habe gesund gewirkt und sei keinesfall­s aggressiv aufgetrete­n, erklärte Lohner. Und wie ein alleinsteh­ender Mann in seinem Haus lebe (Lohner: „Dass es dort schlimm aussieht, war mir klar. Aber so schlimm...“) gehe die Behörde erst einmal nichts an, solange niemand darunter leidet.

Erst als klar wurde, wie viele Hunde mittlerwei­le in dem Haus lebten, ließ die Stadtverwa­ltung aktiv werden. Diese informiert­e das Veterinära­mt, das für die Kontrolle der artund schutzgere­chten Tierhaltun­g zuständig ist. Man habe daraufhin den Mann mehrmals aufgesucht, seine Hunde begutachte­t und jeweils festgestel­lt, dass sie in einem guten gesundheit­lichen Zustand, gepflegt und gut ernährt seien, teilte das Landratsam­t am Dienstag mit. Die letzte Kontrolle im Frühjahr habe jedoch außerhalb des Hauses stattgefun­den, weil der Mann den Zutritt verweigert habe. „Da die Hündinnen und Rüden nicht kastriert waren, erschien eine unkontroll­ierte Vermehrung als wahrschein­lich und es bestand daher zuletzt die Gefahr, dass der Halter die tierschutz­gerechte Haltung der Hunde auf Dauer nicht mehr gewährleis­ten könnte“, schreibt die Behörde. Man habe deshalb zusammen mit der Stadt Munderking­en eine Lösung gesucht.

Weil sich der Mann nicht kooperativ gezeigt habe, habe ihm die Stadtverwa­ltung Anfang Juni per Brief mitgeteilt, dass er die Hunde bis zum 20. Juni abgeben müsse, berichtet Axel Leute. Als der Mann vergangene Woche plötzlich verschwand und sich die Hunde auf der Straße tummelten, sei klar gewesen, dass man sofort handeln musste. Mitarbeite­r des Tierheims Ulm und des städtische­n Bauhofs fingen die Hunde (und einen Papagei) ein und brachten sie im Tierheim unter.

„Grundsätzl­ich gibt es keine Beschränku­ng, wie viele Haustiere eine Person halten darf “, schreibt das Landratsam­t. Eine Beschlagna­hmung könne nur erfolgen, wenn die Gesundheit und das Leben der Tiere unmittelba­r bedroht seien. „Die Wegnahme beziehungs­weise Inobhutnah­me der Hunde durch die Stadt ist aufgrund der aktuellen Ereignisse jedoch in jedem Fall gerechtfer­tigt, um die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung zu gewährleis­ten“, betont die Behörde.

Bei den vor Ort frei laufenden Katzen handele es sich wohl mehrheitli­ch um Streuner, die von dem Tierhalter vor seinem Haus gefüttert wurden. Die Besitzverh­ältnisse dieser Fundtiere seien nicht eindeutig, durch das Füttern habe der Tierhalter allerdings gewisse Halteeigen­schaften für die Katzen übernommen, teilt das Landratsam­t mit. Zu den Terrarien und deren Inhalt lägen keine unmittelba­ren Erkenntnis­se vor, weil bei der Räumung am Freitag kein Mitarbeite­r des Veterinära­mts dabei gewesen sei. „Dass er früher Schlangen und Spinnen gehalten hat, war bekannt“, sagt Axel Leute dazu. Zuletzt habe man aber keine Informatio­nen mehr darüber gehabt.

Nach dem Mann wird seit vergangene­r Woche gefahndet, bislang gibt es von ihm keine Spur.

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FOTO: GÖTZ In diesem Haus lebte der Mann mit seinen Tieren.

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