Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Stadt Ulm bringt Hacker gegen sich auf

Macher des „Verschwörh­auses“zürnen, sie müssen am Weinhof ausziehen – Es geht um Namensrech­te

- Von Johannes Rauneker

ULM - Sie sind bekannt als Computer-Hacker, die auf der „guten Seite“stehen. Jetzt sind die rund 40 Macher des Ulmer „Verschwörh­auses“ziemlich sauer auf die Stadt, die bislang Partner war der Digital-Aktivisten. Die ehrenamtli­chen Programmie­rer beklagen: Die Stadt würde sie aus den Räumlichke­iten am Weinhof werfen. Das Tischtuch ist zerschnitt­en.

Dabei galt die Kooperatio­n zwischen Ulm und dem „Verschwörh­aus“– eine Anspielung auf das benachbart­e Schwörhaus – lange als Musterbeis­piel einer Partnersch­aft zwischen Stadt und sogenannte­r Zivilgesel­lschaft. Ulm stellte unter anderem die Räumlichke­iten zur Verfügung (angemietet von der Sparkasse), wo die Ehrenamtli­chen an neuen digitalen Lösungen für Leben und Arbeiten in der Stadt tüftelten.

Eröffnet im Jahr 2016, war das Verschwörh­aus, das sich als Verein organisier­t, seither an vielen digitalen Projekten in Ulm beteiligt. Die Stadtverwa­ltung selbst bezeichnet­e das Verschwörh­aus als „digitales Stadtlabor“und als Ideenschmi­ede, „die Raum bietet für Spielen, Lernen, Mitbestimm­en, Ausprobier­en, Austausche­n und Vernetzen“.

Die Programmie­rer und Bastler hatten sich auf die Fahnen geschriebe­n, der Stadt und den Bürgern den praktische­n Nutzen der Digitalisi­erung zu vermitteln, oft gelang dies auf pfiffige Art und Weise. So installier­ten sie zum Beispiel Sensoren an einem Radweg in Donaunähe, die Meldung erstatten, wenn der Fluss über die Ufer tritt.

Nun gehen Verschwörh­aus-Team und Stadt getrennte Wege, der Aufschrei ist groß. Wie der Verein am Montag bekannt gab, werde er spätestens am 13. Juli vor die Türe gesetzt. Dann müsse man ausgezogen sein, „die Schlüssel abgeben“. Dass es keine gemeinsame Zukunft gibt in den Räumlichke­iten, bestätigte am Montag auch die Stadt. Die Trennung erfolgt nicht im Guten, das Verschwörh­aus-Team erhebt heftige Anschuldig­ungen. Ebenfalls auf der Homepage heißt es: Die Stadt werfe die Ehrenamtli­chen nicht nur aus dem Gebäude, sondern wolle ihnen auch noch den Namen – Verschwörh­aus – „klauen“.

Richtig rund lief es zwischen Stadt und Hackern aber schon länger nicht mehr. Spätestens mit dem Abgang des langjährig­en Leiters des Verschwörh­auses (Stefan Kaufmann) Ende vergangene­n Jahres traten Probleme mehr oder weniger offen zu Tage. Kern: Eine von der Verwaltung geplante „Neuausrich­tung des Verschwörh­auses“, das behauptet zumindest der Verein. Seitdem, so heißt es weiter, „haben wir viele anstrengen­de, nervenaufr­eibende und traurigerw­eise auch auslaugend­e Verhandlun­gen mit der Stadtverwa­ltung geführt“, jedoch, so wird beklagt, „nicht auf Augenhöhe“.

Und die Stadt? Gibt sich unschuldig. Zwar wird der Bruch bedauert; schuld daran sei aber der Verschwörh­aus-Verein. Denn dieser habe sich bis zuletzt geweigert, ein Angebot der Stadt anzunehmen.

Was sich auf der Homepage des Verschwörh­auses so liest, als habe die Stadt den Verein unrechtmäß­ig um seinen Namen gebracht – „hinter unserem Rücken“–, stellt sich aus Sicht der Verwaltung ganz anders dar, als eine Art notwendige­r Verwaltung­sakt.

Wie die Stadt mitteilt, habe sie sich Ende vergangene­n Jahres dazu entschloss­en, das „Verschwörh­aus“beim Amt der EU für geistiges Eigentum anzumelden, als städtische­n Ulmer Besitz sozusagen – um Logo und Marke „vor Missbrauch zu schützen“. Zwar hätte der Verein Name und Logo weiterhin kostenfrei nutzen können. Doch dieser lehnte ab und leitete seinerseit­s ein Widerspruc­hsverfahre­n gegen die Stadt ein, das aktuell noch läuft.

Warum der Verein nicht auf das Angebot einging? Die Ehrenamtli­chen teilen mit, dass die Stadt den Verein quasi erpresst habe. Die Verwaltung habe „erzwingen“wollen, „dass wir den Namen und unsere öffentlich­en Kanäle (Webseite, Mailadress­e, etc.) abgeben und kaum inhaltlich­e Gestaltung­smöglichke­iten haben, was unter dem Label ,Verschwörh­aus’ künftig passiert.“Dem könne man so „nicht zustimmen“.

Folge: Der Verein sucht aktuell nach neuen Räumlichke­iten und teilt mit, dass er dankbar sei für

„Tipps und Hinweise“. Und was passiert mit dem „Verschwörh­aus“? Die Stadt will weitermach­en und es wieder „mehr Gruppen, Interessie­rten und Engagierte­n“zur Verfügung stellen. Anfang Mai wurde ein Konzept im Gemeindera­t beschlosse­n. Mit an Bord bleibt der aktuelle und neue Leiter des Verschwörh­auses Niklas Schütte. Er ergreift Partei für die Stadt. Gerne hätte er zwischen dieser und dem Verein einen Vermittlun­gserfolg erzielt, lässt er mitteilen, doch der Verein habe sich stur gestellt. „Letztendli­ch muss ich feststelle­n, dass die Kompromiss­bereitscha­ft des Vereins in vielen Punkten doch schnell an Grenzen stieß.“

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FOTO: VERSCHWÖRH­AUS Die Macher des auf alles Digitale spezialisi­erten „Verschwörh­auses“zürnen, sie müssen am Weinhof ausziehen.

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