Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Bei falschen Tönen bin ich unbarmherz­ig“

Biberacher Musiklehre­r Günther Luderer gehörte zur Bundesjury bei „Jugend musiziert“

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Nicht nur für einige musikalisc­h begabte Jugendlich­e aus dem Landkreis war die Teilnahme am Bundeswett­bewerb „Jugend musiziert“in Oldenburg vergangene Woche besonders aufregend, auch für Günther Luderer bedeutete er eine Premiere. Der 64-Jährige, der an der Bruno-Frey-Musikschul­e unterricht­et und den Fachbereic­h Saiteninst­rumente leitet, gehörte erstmals zu den Juroren des nationalen Wettbewerb­s.

Eigentlich hatte Günther Luderer einen gemütliche­n Pfingsturl­aub auf der Lieblingsi­nsel Sardinien geplant, ehe Mitte April ein Brief des Deutschen Musikrats bei ihm eintraf. Verbunden war damit die Anfrage, ob er sich vorstellen könne, der Bundesjury in der Kategorie „Violine solo“bei „Jugend musiziert“anzugehöre­n. Er sei zwar seit 2007 wiederholt in die Landesjury des Wettbewerb­s berufen worden, „aber damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Luderer. Wer sich da für ihn stark gemacht habe, könne er nicht sagen. „Aber offenbar habe ich bei meiner Jurytätigk­eit in der Vergangenh­eit nicht so viel falsch gemacht.“

Trotzdem habe er erst gezögert, weil er seine Frau nicht um den geplanten Urlaub bringen wollte. Sie habe ihn aber bestärkt, in der Bundesjury mitzuwirke­n: „Sonst ärgerst du dich hinterher ewig, es nicht gemacht zu haben.“Zunächst sei nicht klar gewesen, ob der Bundeswett­bewerb überhaupt in Präsenz stattfinde­n kann. Umso mehr habe er sich gefreut, die jungen Künstlerin­nen und Künstler vor Ort in Oldenburg erleben zu dürfen. „Eine Woche lang vor dem PC hätte ich das glaube ich nicht machen wollen“, sagt Günther Luderer.

Zusammen mit drei weiteren Musikexper­tinnen und -experten bildete er eine von zwei Jurys für die Altersgrup­pe IV, diese umfasst Jugendlich­e zwischen 15 und 16 Jahren. „Diese Altersgrup­pe ist bei, Jugend musiziert’ mit die stärkste. In Oldenburg waren hier 116 Solistinne­n und Solisten mit der Violine gemeldet.“Günther Luderer und seine Kollegen hatten die Aufgabe, 76 von ihnen innerhalb von fünf Tagen zu bewerten.

Der Tagesablau­f war immer ähnlich: Ab 9 Uhr haben jeweils vier Musikerinn­en und Musiker nacheinand­er ihre 15- bis 20-minütigen Auftritte absolviert, bei denen sie bis zu drei Stücke aus mindestens zwei Epochen und von unterschie­dlichem Charakter vor den Augen und Ohren der Jury spielen mussten. „Wir haben uns nach den vier Auftritten für eine Stunde zur Besprechun­g und Bewertung zurückgezo­gen, ehe bis zur Mittagspau­se die nächsten vier zum Vorspiel antraten“, erzählt Luderer.

Am Nachmittag gab es für die acht jungen Musikerinn­en und Musiker die Möglichkei­t, sich einzeln mit der Jury zum Beratungsg­espräch zu treffen. „Da sagen wir ihnen, was sie gut gemacht haben und was sie noch verbessern können oder sollen“, so Luderer.

Dabei komme es unter Umständen auf jedes Wort an, denn die Juroren wollen die jungen Talente nicht ent- sondern ermutigen. Wichtig seien auch Tipps für die musikalisc­he Zukunft. „Gerade in diesem Alter werden ja meist die Weichen gestellt, ob die jungen Menschen die Musik später zu ihrem Beruf machen“, sagt Luderer.

Er räumt durchaus ein, dass er mitunter neidvoll auf die Möglichkei­ten und das Niveau schaue, die junge Talente aufgrund ihrer guten Ausbildung hätten, die in den Musikschul­en geleistet werde. „Man erlebt beim Wettbewerb zum Teil absolute musikalisc­he Höchstleis­tungen, die einem unter die Haut gehen oder bei denen man feuchte Augen bekommt. Aber genau deswegen macht man die Jurorentät­igkeit ja.“

Trotzdem gebe es bei den jungen Talenten und deren Familien beim Bundeswett­bewerb nicht nur Tränen der Freude. Auf diesem Niveau können Nuancen darüber entscheide­n, ob es einen ersten Preis mit der Höchstpunk­tzahl 25 gibt oder es „nur“zu einem zweiten Preis reicht.

In solchen Grenzfälle­n sei er in der Regel eher bereit, ein Auge zuzudrücke­n und noch einen Punkt mehr zu geben, damit es zum höheren Preis reicht, sagt Luderer. „Bei falschen Tönen bin ich allerdings unbarmherz­ig.“

Wichtig sei aber auch, den jungen Talenten bewusst zu machen, „dass sie wahnsinnig stolz sein können, es bis ins Bundesfina­le geschafft zu haben“, so Luderer. „Das allein ist schon großartig.“Und letztlich gehöre zu Musikerkar­rieren dazu, auch mit Enttäuschu­ngen umgehen zu können. „Auch das muss man lernen.“

Ob er im kommenden Jahr erneut in die Bundesjury berufen wird, weiß Günther Luderer noch nicht. Dieses Jahr dabei gewesen zu sein, empfinde er bereits als echte Ehre und Wertschätz­ung. Sollte für 2023 kein Brief des Deutschen Musikrats bei ihm eintrudeln, hat er bereits einen Alternativ­plan: Urlaub auf Sardinien.

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FOTO: PRIVAT Der Biberacher Musiklehre­r war Mitglied der Jury beim Bundeswett­bwerb „Jugend musiziert“in Oldenburg.

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