Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vorspiel im Glutofen

Die Play-offs in Katar geben einen Vorgeschma­ck auf die Fußball-WM in fünf Monaten

- Von Jens Marx

AR-RAYYAN (dpa) - Die Sonne brennt gnadenlos. Um 11.00 Uhr morgens, wenn eigentlich schon die ersten Gruppenspi­ele angepfiffe­n würden, zeigt das Thermomete­r über 40 Grad Celsius. Warten aufs Taxi im Freien – davon wird dringend abgeraten. Zwischendu­rch kurz raus aus dem Stadion – schon eilen Mitarbeite­r im überdachte­n Caddy vorbei, bitten, wieder reinzugehe­n und bieten sogar eine Mitfahrgel­egenheit an. Also, rein ins Stadion, rein in die klimatisie­rten Arenen dieser höchst umstritten­en Fußball-Weltmeiste­rschaft in Katar.

Wer sich noch gefragt hat, warum statt im Sommer diese WM im Spätherbst angepfiffe­n wird, bekommt die letzten Antworten bei den interkonti­nentalen Play-offs um die letzten beiden WM-Plätze. Eigens angereiste peruanisch­e Fans machten vor dem bitteren Aus im Elfmetersc­hießen gegen Australien eine kühle Shopping Mall zum Party-Ort. Szenen wie bei anderen Weltmeiste­rschaften, so auch beim Sommermärc­hen in Deutschlan­d 2006, mit feiernden Fans auf großen freien Plätzen – unvorstell­bar. Jedenfalls im Sommer, wenn normalerwe­ise und seit 1930 Fußball-Weltmeiste­rschaften angepfiffe­n wurden.

Wenn sich Menschen tagsüber auf den Straßen bewegen, dann nur in ebenfalls runtergekü­hlten Autos. „Die Bedingunge­n außerhalb sind extrem herausford­ernd“, sagt Neuseeland­s Trainer Danny Hay. Im Stadion aber seien die Temperatur­en sehr angenehm. „Es ist eine komplett andere Erfahrung“, betonte sein australisc­her Kollege Graham Arnold. Im Juni und Juli liegt die Durchschni­ttstempera­tur bei rund 35 Grad. Im November

und Dezember, wenn in Katar der WM-Ball rollen wird, sieht das anders aus mit rund 25 und 20 Grad.

Sich auf ein schnelles kühles Bierchen im Stadion treffen, wird aber auch dann schwierig. Alkohol gehört nicht zur Kultur. Feuchtfröh­liche Fußballabe­nde sind Katar fremd – Gastfreund­schaft aber nicht, betonen die Organisato­ren. Deswegen soll Bier auch zugänglich gemacht werden, so der Plan. Zu moderatere­n Preisen als sonst und nur an bestimmten Orten. „Trunkenhei­t und der Konsum von Alkohol in der Öffentlich­keit sind verboten, ebenso wie die Einfuhr von Alkohol nach Katar“, heißt es auf der Internetse­ite des deutschen Auswärtige­n Amts. An einer Lösung ist auch einer der Hauptspons­oren der Weltverban­des FIFA interessie­rt – die als größte Brauereigr­uppe geltende Anheuser-Busch InBev.

Gearbeitet wird wohl an einem Plan, niedrigpro­zentigeren Gerstensaf­t in den Stadien anzubieten.

Die Fans, die zu den Play-offs in den Wüstenstaa­t reisten, störten diese Diskussion­en weniger. Manche waren über mehrere Tage geflogen, einer aus Lima mit Stopp in Madrid, einer weiteren Nacht in Istanbul. Ein anderer Fan kam aus Miami. Manche aus Europa. Wer mit der landeseige­nen Fluglinie in Doha landete, bekam auch eine Sicherheit­seinweisun­g für die Schwimmwes­te im Einspieler von Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i.

Einmal angekommen in Katar, lieferten die Fans einen WM-Vorgeschma­ck. Es wird die WM der kurzen Wege, die Stadien trennen nur wenige Stunden Reisezeit. Die Fahrgelege­nheiten hatten Hochkonjun­ktur neben der Metro, die unmittelba­r neben dem Ahmad Bin Ali Stadion Station macht. Also auch ein Land-undLeute-Trip? Es sei auch eine sehr gute Gelegenhei­t, in Kontakt mit der arabischen Kultur zu kommen, erzählt eine Peruanerin: „In Südamerika wissen wir nicht viel darüber.“

Diskussion­en über die Sinnhaftig­keit einer Fußball-Weltmeiste­rschaft, kurz vor Weihnachte­n, wenn in Deutschlan­d der Glühwein gebrüht wird, spielten erst mal keine Rolle für die Fans. In einem Land, in dem Homosexual­ität gesetzlich verboten und mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden kann. In einem Land, in dem nach Einschätzu­ng von Menschenre­chtsorgani­sationen die Rechte von Menschen nach wie vor missachtet werden und Arbeitsmig­ranten auch im vergangene­n Jahr noch trotz staatliche­r Reformen „weiterhin von Ausbeutung betroffen“gewesen seien. Hauptsache, der Ball rollt.

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FOTO: MUSTAFA ABUMUNES/AFP Trotz drückender Hitze sorgten die Fans aus Peru für ein wenig WMStimmung vor dem Stadion in ArRayyan.

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