Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Opatija versprüht die Leichtigke­it des Südens

Zwölf Kilometer lang verläuft die Franz-Joseph-Promenade an der Küste des ehemaligen Nobelorts in Kroatien

- Von Simone Haefele ANZEIGE 72820 Sonnenbühl Ostsee

Gottfried Passauer, eine der Hauptfigur­en in André Hellers „Buch vom Süden“, bedauert zutiefst, „dass man fortan von ihm auf den Wegen nach Abbazia und Fiume einen Pass verlangt“. Der im Heller-Roman stellvertr­etende Direktor des Naturhisto­rischen Museums in Schloss Schönbrunn zu Wien verpasst keine Gelegenhei­t, der österreich­ischen K.-u.-k.-Zeit und den damaligen Kronländer­n mit den Worten nachzutrau­ern: „Ihr habt die Zypressen der Monarchie nicht mehr gekannt. Geht und lebt, wenn irgend möglich, frohen Herzens bei den italienisc­hen oder slowenisch­en. Alles ist leichter im Süden.“

Der einst österreich­isch-ungarische Kurort Abbazia heißt heute Opatija (Fiume ist Rijeka) und liegt in Kroatien ganz oben an der Kvarner Bucht. Wer einmal dort weilte, versteht Passauers starke Sehnsucht. Gepflegte Parkanlage­n, ein kleiner, malerische­r Hafen, exklusive Seebäder, rund 120 zum größten Teil frisch renovierte Gründerzei­tvillen und Residenzen sowie die zwölf Kilometer lange Franz-Joseph-Promenade direkt an der Küste vermitteln einen guten Eindruck, wie die Schönen und Reichen aus Wien und anderen Ecken des Habsburger­reichs dort einst ihre Sommerfris­che verbracht oder die milden Winter genossen haben. Die Leichtigke­it des Südens spürt der Urlauber sehr schnell. Er muss sich nur einmal um die eigene Achse drehen – an seinem Auge ziehen dann nicht nur ein tiefblaues Meer mit grün bewaldeten Inseln sowie ein mit Palmen und Zypressen gesäumter Küstenstre­ifen vorbei, sondern auch Grandhotel­s im Zuckerbäck­erstil und ein 10 000-Einwohner-Ort, dessen meist prunkvolle Gebäude sich wie filigrane Bauklötzch­en sanft übereinand­er stapeln bis hinauf zum Ortsrand. Wer dann anschließe­nd kurz die Augen schließt, kann sich bestens die edlen Damen in langen, weißen Sommerklei­dchen und mit leichten Schirmchen in der Hand vorstellen sowie die stets korrekt gekleidete­n Herren im hellen Sommeranzu­g und natürlich immer mit Hut, die einst Arm in Arm durch diese kleine kroatische Küstenstad­t flanierten.

Unter den Kriegen des vergangene­n Jahrhunder­ts hat auch Opatija sehr gelitten, doch in den vergangene­n 20 Jahren wurde es wieder mächtig aufpoliert, zum größten Teil mit Geld ausländisc­her Investoren. Die meisten der Villen fungieren heute als Hotels und Pensionen. Nur wenige Privatleut­e können sich die prunkvolle­n Anwesen als FamilienFe­riendomizi­le leisten.

Den besten Blick auf die großen und kleinen Paläste Opatijas hat man vom Wasser aus. Wer etwa im eleganten Vier-Sterne-Superior-Hotel Miramar logiert, dessen Villa Neptun – Herzstück des Resorts – zu den baulichen Highlights zählt und dem Sisi-Schloss Miramare nahe Triest nachempfun­den ist, hat großes Glück. Denn Lili und ihr Mann Roni bieten exklusiv für das Hotel Entdeckung­sfahrten mit der liebevoll und bestens in Schuss gehaltenen Tornado Blue an. Ehemals wurden Sand und Kies auf das 1899 gebaute Schiff geladen, heute sind Touristen die Fracht, die während der Fahrt mit selbst gemachtem Schnaps, Wein und so mancher von Lili zubereitet­er Leckerei verwöhnt werden. Im blauweiß gestreifte­n Seemannskl­eid und in Netzstrümp­fen („Heute bin ich Matrose und Fischer zugleich.“) empfängt Lili die Gäste bestens gelaunt an Bord, ihr Mann schippert vom Hafen aus erst mal Richtung Rijeka, bevor er wendet und Kurs auf Lovran nimmt. So können seine Passagiere alle Villen Opatijas, das sich etwa zehn Kilometer lang am Küstenstre­ifen ausbreitet, bestaunen. Lili kennt zu fast jedem Haus die passende Geschichte. Erzählt von der Villa Rosalie, die zwar liebevoll renoviert wurde, seit Jahren aber ein verlassene­s Dasein in einem parkähnlic­hen Garten fristet. „Wirklich sehr schade um das schöne Haus.“Vom Hotel Palace, erbaut im Stil des Neobarocks.

„Hier logierte Thronfolge­r Franz Ferdinand mehrmals.“. Vom Hotel Kvarner, dem vermutlich ältesten Hotel der adriatisch­en Ostküste, das heute noch ein Luxusquart­ier ist. „Die Preise für eine Übernachtu­ng sind wirklich sehr hoch!“

Hinter vorgehalte­ner Hand berichtet Lili auch von der Villa Minach, in der der ungarische Graf Andrássy die letzten Tage seines Lebens als Politrebel­l verbrachte und wo ihn angeblich Kaiserin Elisabeth dreimal heimlich besucht haben soll. „Das stimmt aber vermutlich nicht, denn Sisi war wohl nie in Opatija. Aber die Touristen lieben solche Geschichte­n“, weiß Lili. Genauso wie die der Villa Madonna, die als Liebesnest für Sisis Ehemann Kaiser Franz Joseph und seine Geliebte, die Schauspiel­erin Katharina Schratt, gedient haben soll. Dezent weist Lili auf drei prächtige Häuser am Ortsende und sagt mit leiser Stimme: „Die gehören reichen Russen.“Allgemein bekannt ist die Geschichte der Villa Angiolina in der Ortsmitte. Das von einem Geschäftsm­ann aus Rijeka 1845 errichtete Anwesen markiert den Beginn des Tourismus an der kroatische­n Küste. Heute beherbergt der Bau das Tourismusm­useum.

Deutlich weniger Villen stehen in Lovran, dem Nachbarort Opatijas. Dafür besitzt dieses Dorf einen historisch­en Stadtkern. Die Tornado Blue legt hier an. Zeit für einen Bummel durch das kleine Städtchen mit seinen engen Gassen, alten Mauern, dunklen Toren und niedrigen Kirchlein. Auch hier kennt sich Lili bestens aus, nennt die meisten Bewohnerin­nen der Altstadt Tante. „Das macht man hier einfach so“, klärt sie gänzlich unkomplizi­ert auf und begrüßt schon die nächste Tante mit Küsschen auf beide Wangen. Während in Opatija dem schönen, noblen Leben gefrönt wird, geht es in Lovran deutlich familiärer zu. Wäsche hängt an den Leinen, die von Fenster zu Fenster gespannt sind, Blumen in bunten Töpfen verschöner­n so manchen Hauseingan­g und selbst der Souvenirhä­ndler schwäbisch­e.de/ kleinanzei­gen

ist mehr an einem Gespräch denn an einem Geschäft interessie­rt. Touristen, die in den Appartemen­ts logieren, die in vielen der Altstadthä­user eingericht­et wurden, fühlen sich hier schnell heimisch und zugehörig.

Wer gut zu Fuß ist, verzichtet auf die Schiffsrei­se zurück nach Opatija und nimmt für den Nachhausew­eg die Franz-Joseph-Promenade, den Lungomare, wie die Einheimisc­hen sagen. So bietet sich noch einmal die Gelegenhei­t, rechts das tiefblaue Meer und links die prunkvolle­n Villen in ihren großen Gärten zu bestaunen. Und zwischendu­rch gibt es in einigen Strandbars die Gelegenhei­t zur Pause. Beim ersten Glas des hervorrage­nden kroatische­n Weins stellt sich dann die Leichtigke­it des Südens von ganz alleine ein.

FeWo a. Meer 07542/ 55242

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FOTO: SIMONE HAEFELE Rund 120 Villen und Sommersitz­e aus der Gründer- und Jugendstil­zeit prägen das Ortsbild Opatijas.
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Die Bewohner Lovrans schmücken ihre Altstadt gerne mit Blumen.
FOTO: SIM Weitere Informatio­nen unter www.kvarner.hr und www.hotelmiram­ar.info Die Bewohner Lovrans schmücken ihre Altstadt gerne mit Blumen.
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