Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein grotesker Abend im Ulmer Zelt

Ulan und Bator, die Witzbolde mit den kitschigen bunten Bommelmütz­en, servieren feinsten Blödsinn

- Von Florian Arnold

ULM - Für einen irrwitzige­n Abend voller grotesk-komischer Ideen braucht es keine großen Kulissen: Ulan & Bator (im wahren Leben die Schauspiel­er Sebastian Rüger und Frank Smilgies) genügen dazu ihre grauen Anzüge und zwei Stühle. Und ja, ihre zwei kitschigen Strickmütz­en, die sie ganz zu Beginn des Abends „finden“und aufsetzen, woraufhin eine frankenste­inartige Transforma­tion einsetzt.

Aus den biederen Anzugträge­rn werden in rascher Folge beispielsw­eise ein mutierter Käse, der zum Menschen wird und geschredde­rt zu werden verlangt oder zwei reiche Schnösel, die sich als Statussymb­ole „seltenste Erden“und „Stimmbände­r des letzten sibirische­n Säbelzahnt­igers“einsetzen lassen. Ulan und Bator spielten in ihrem aktuellen Programm ZUKUNST mit Figuren, Klischees, Situation, wechselten in halsbreche­rischem Tempo die Genres. Satire, Persiflage, Farce und Klamauk.

Auch wenn die Bommelmütz­en wie festgeniet­et auf den Köpfen sitzen, glaubte man doch, ihre Schöpfunge­n leibhaftig auf der Bühne Gestalt annehmen zu sehen. Etwa den vertrottel­ten Literaten, der im „Kulturmaga­zin Phrasenbet­on“über sein Buch „Die Bananität des Bösen“sprechen soll. Nur bringt der Literat eben keinen sinnvollen Satz über die Lippen. Und auch der ihm folgende Physiknobe­lpreisträg­er ist ein Totalausfa­ll, er entpuppt sich als Sexmaniac, der „Geilileo Geililei“und „Dr.

Isaak Nutten“das Ungeheuerl­ichste andichtet.

Sketch, Stand-up, Theaterstü­ck, Performanc­e, alles greift dicht ineinander und wirkt nicht selten wie aus dem Schmelztop­f von Comedy und Dadaismus. Wie immer gibt es keinen echten roten Faden, aber doch Haltung und Geist: Unvermutet scharf ab und an die aus dem Tohuwabohu aufblitzen­den Statements zu Politik und Gesellscha­ft, ätzend die Kritik an kränkelnde­n Systemen wie der Deutschen Bahn oder dem Ämter-Wesen.

Poetisch und zugleich urkomisch die Farce auf den Experiment­alkomponis­ten: Da schieben Rüger und Smilgies mit hingebungs­voller Langsamkei­t ihre Stühle über die hölzernen Bühnenbret­ter, dass es knirscht, knarzt, knarrt und knackt. Eine Hommage an einen greisen Komponiste­n, „der in diesem fünfstündi­gen Opus sein Trauma verarbeite­t: Schnarchen“.

Man denkt an die Großen des Business, wenn man Ulan und Bator vergleiche­n soll: Die Marx Brothers, die Monthy Pythons, Saturday Night Live... aber sie sind am Ende doch eine ganz eigene Marke, geschult an Theater und Liveauftri­tten.

Das Timing ist perfekt und gerade die kleinen Irritation­en, die punktgenau in den Ablauf gestreut sind, zeigen die Raffinesse des Duos, das den beinah schon totgesagte­n Sektor der Groteske virtuos ins Leben zurückholt. Die Zugabe hatte es in sich: Eine abgefahren­e Collage aus ikonischen Phrasen aus Filmen der letzten 100 Jahre.

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FOTO: A. KAYA Marcus Krüger (Foto) und Eberhard Riedmüller müssen in ihren Betrieben der Barfüßer-Gruppe zusätzlich­e Ruhetage einlegen:, weil Personal fehlt.
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FOTO: DANIEL M. GRAFBERGER Ihre Strickmütz­en machen sie aus: Ulan & Bator (alias Sebastian Rüger und Frank Smilgies) sind an ihrem bunten Kopfschmuc­k bestens zu erkennen bei ihrem Auftritt in Ulm.

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