Wenn die Wirte weinen
Restaurants in der Region müssen Service wegen Personalmangels einschränken
ULM - Schwarz auf Weiß ist das Problem in Ulm am Schuhhausplatz nachzulesen: „Wegen Personalmangels sind die Theken von 12 Uhr bis 14 Uhr geschlossen.“Dubravka Dragobratovic, die zusammen mit ihrem Mann Franceso Massino die Masseria Masino am Ulmer Schuhhausplatz führt, sagt: „Es ist ganz, ganz arg schlimm.“Seit vier Monaten suche sie Verstärkung. Ohne Erfolg. Der italienische Spezialitätenladen samt Restaurant ist damit kein Einzelfall. Von Ulm bis Illertissen, von Großgastronomen bis hin zum familiengeführten Gasthof, ist die Notlage groß.
Lochmühle in Ulm, Schlössle in Offenhausen, Brot und Stühle in Ulm, Leonardo Hotel in Ulm, Teutonia in Ulm, Gastromenü in Ulm, Jakobsruhe in Neu-Ulm, Haberfelder in Ulm, Forelle in Ulm, Möbel Inhofer in Senden, Room in Ulm, Seligweiler Raststätte in Ulm, Enchilada in Ulm oder die Klostergaststätte in Roggenburg – nur ein Auszug an Betrieben in der Region, die aktuell per Anzeige Personal für die Küche suchen.
„Ich leide nicht bloß, ich weine“, sagt etwa Peter Hamp, der seit drei Jahren Wirt des traditionsreichen Gasthofs Krone in Illertissen ist. Hamp weiß gar nicht wo er anfangen soll, bei der Aufzählung der Unterbesetzung: „Küche, Service, überall...“Wobei sein inhabergeführter Betrieb per se noch relativ gut aufgestellt sei für die Zeiten des Personalmangels: Bei 80 Sitzplätzen innen und 120 außen gehe das noch. „Meine Mutter hilft kräftig mit.“
Wenn alle Stricke reißen, gehe das mithilfe der Familie schon. „Das ist aber kein Dauerzustand.“Zwölf Menschen würde er im Service beschäftigen. „Die brauchen wir schon.“Eigentlich mehr: deswegen würde er in den Sozialen Medien um Nachwuchs werben. Mit unterschiedlichem Erfolg: „Manche kommen und wollen 25 Euro auf die Stunde.“Das könne er aber nicht zahlen.
Die Problematik lässt sich, zumindest bundesweit, in Zahlen ausdrücken: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sank die Anzahl der Beschäftigten in der Gastro um 23,4 Prozent – und damit um knapp ein Viertel im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019.
Auch die großen Gastronomen der Region leiden. So wie etwa Eberhard Riedmüller, der mit seiner Barfüßer Gastronomie-Betriebs GmbH Herr über 800 Beschäftigte in Lokalen von Ulm über Weißenhorn bis Ravensburg ist. „Wir müssen zeitweise Betriebe schließen, weil wir zu wenige Leute haben.“Das Tanivera etwa, die Pizzeria im Ulmer Fischerviertel, habe derzeit an zwei Tagen tagsüber zu. „Immer da, wo es gerade eng ist.“
In 44 Jahren als Gastronom habe er so eine Situation noch nicht erlebt. Eine Lösung der Misere sei nicht in
Sicht: „Was willst du machen, wenn du keine Leute hast?“Mit der Bezahlung habe der Personalmangel „überhaupt nichts“zu tun.
Ein Gefühl der Hilflosigkeit habe sich bei Riedmüller eingestellt. Ein System, das mit weniger Personal auskommt, sei nicht in Sicht. Weder in Sachen Bezahlung noch beim Thema Selbstbedienung. Riedmüller vermutet, dass es noch ein weiteres Jahr dauert, bis sich die Situation normalisiere. Aus Sicht von Riedmüller würden die Gründe der Misere nicht in Nachwuchsmangel im Zuge der Alterung der Gesellschaft liegen, sondern in der Corona-Pandemie: „Die Verlierer waren unsere Leute.“Sie haben über Monate nur 60 Prozent oder weniger vom Lohn bekommen und hätten nun Angst, dass es im Herbst wieder weiter in diese Richtung geht. „Das können sie sich nicht leisten, deswegen arbeiten sie dort weiter, wo sie sind.“Und das sei nicht in der Gastronomie. „Ich verstehe das, das ist eine existenzielle Frage.“
Egal, ob die Betriebe groß oder klein sind: Der Personalmangel – Koch, Köchin und Servicepersonal fehlen – kostet Umsatz. Die Klosterbräustuben, die einst zur Klosterkirche Oberelchingen gehörten, müssen etwa reihenweise Veranstaltungen absagen. Claudia Baumeister führt den Familienbetrieb zusammen mit Otto Schweizer. „Ich muss Hochzeiten absagen, weil wir kein Personal haben.“
Das Personal bestehe derzeit aus zwei Festangestellten und vier Minijobbern. Was sie brauchen würde, um die Klosterbräustuben wie vor Corona zu betreiben, wäre mehr als das Doppelte: also vier Festangestellte und mindestens zehn Minijobber, um die Spitzen der Stoßzeiten abfangen zu können. „Im Sommer, wenn der Biergarten offen ist, brauche ich zeitweise bis zu 15 Servicekräfte.“
„Wir müssen alle für zwei schaffen“, sagt Tanja Schmid, die nicht nur den Adler in Holzheim leitet, sondern auch noch Vize-Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ist. Der Mangel sei enorm: im Service, in der Küche. „Alle Bereiche sind betroffen.“Nach ihrer Einschätzung seien ländlich gelegene Betriebe noch ärger betroffen als Gaststätten in Ulm und Neu-Ulm. Denn die könnten immerhin noch auf Studierende zurückgreifen. Was ihren Adler angeht, könne sie sich auf die Hilfe ihrer Familie verlassen. Dennoch würden Kräfte fehlen, sodass sie im Adler gar den Biergarten habe verkleinern müssen: 50 Plätze weniger als früher gibt es. Außerdem gebe es im Adler mehr Ruhetage, an Feiertagen etwa, weil es teilweise einfach unmöglich sei, einen Dienstplan hinzubekommen.
Auch Veranstaltungen könnten weniger angenommen werden. „Früher habe ich drei Kommunionen an einem Tag gemacht.“Das sei derzeit unmöglich.