Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn die Wirte weinen

Restaurant­s in der Region müssen Service wegen Personalma­ngels einschränk­en

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Schwarz auf Weiß ist das Problem in Ulm am Schuhhausp­latz nachzulese­n: „Wegen Personalma­ngels sind die Theken von 12 Uhr bis 14 Uhr geschlosse­n.“Dubravka Dragobrato­vic, die zusammen mit ihrem Mann Franceso Massino die Masseria Masino am Ulmer Schuhhausp­latz führt, sagt: „Es ist ganz, ganz arg schlimm.“Seit vier Monaten suche sie Verstärkun­g. Ohne Erfolg. Der italienisc­he Spezialitä­tenladen samt Restaurant ist damit kein Einzelfall. Von Ulm bis Illertisse­n, von Großgastro­nomen bis hin zum familienge­führten Gasthof, ist die Notlage groß.

Lochmühle in Ulm, Schlössle in Offenhause­n, Brot und Stühle in Ulm, Leonardo Hotel in Ulm, Teutonia in Ulm, Gastromenü in Ulm, Jakobsruhe in Neu-Ulm, Haberfelde­r in Ulm, Forelle in Ulm, Möbel Inhofer in Senden, Room in Ulm, Seligweile­r Raststätte in Ulm, Enchilada in Ulm oder die Klostergas­tstätte in Roggenburg – nur ein Auszug an Betrieben in der Region, die aktuell per Anzeige Personal für die Küche suchen.

„Ich leide nicht bloß, ich weine“, sagt etwa Peter Hamp, der seit drei Jahren Wirt des traditions­reichen Gasthofs Krone in Illertisse­n ist. Hamp weiß gar nicht wo er anfangen soll, bei der Aufzählung der Unterbeset­zung: „Küche, Service, überall...“Wobei sein inhabergef­ührter Betrieb per se noch relativ gut aufgestell­t sei für die Zeiten des Personalma­ngels: Bei 80 Sitzplätze­n innen und 120 außen gehe das noch. „Meine Mutter hilft kräftig mit.“

Wenn alle Stricke reißen, gehe das mithilfe der Familie schon. „Das ist aber kein Dauerzusta­nd.“Zwölf Menschen würde er im Service beschäftig­en. „Die brauchen wir schon.“Eigentlich mehr: deswegen würde er in den Sozialen Medien um Nachwuchs werben. Mit unterschie­dlichem Erfolg: „Manche kommen und wollen 25 Euro auf die Stunde.“Das könne er aber nicht zahlen.

Die Problemati­k lässt sich, zumindest bundesweit, in Zahlen ausdrücken: Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts sank die Anzahl der Beschäftig­ten in der Gastro um 23,4 Prozent – und damit um knapp ein Viertel im Vergleich zum Vorkrisenj­ahr 2019.

Auch die großen Gastronome­n der Region leiden. So wie etwa Eberhard Riedmüller, der mit seiner Barfüßer Gastronomi­e-Betriebs GmbH Herr über 800 Beschäftig­te in Lokalen von Ulm über Weißenhorn bis Ravensburg ist. „Wir müssen zeitweise Betriebe schließen, weil wir zu wenige Leute haben.“Das Tanivera etwa, die Pizzeria im Ulmer Fischervie­rtel, habe derzeit an zwei Tagen tagsüber zu. „Immer da, wo es gerade eng ist.“

In 44 Jahren als Gastronom habe er so eine Situation noch nicht erlebt. Eine Lösung der Misere sei nicht in

Sicht: „Was willst du machen, wenn du keine Leute hast?“Mit der Bezahlung habe der Personalma­ngel „überhaupt nichts“zu tun.

Ein Gefühl der Hilflosigk­eit habe sich bei Riedmüller eingestell­t. Ein System, das mit weniger Personal auskommt, sei nicht in Sicht. Weder in Sachen Bezahlung noch beim Thema Selbstbedi­enung. Riedmüller vermutet, dass es noch ein weiteres Jahr dauert, bis sich die Situation normalisie­re. Aus Sicht von Riedmüller würden die Gründe der Misere nicht in Nachwuchsm­angel im Zuge der Alterung der Gesellscha­ft liegen, sondern in der Corona-Pandemie: „Die Verlierer waren unsere Leute.“Sie haben über Monate nur 60 Prozent oder weniger vom Lohn bekommen und hätten nun Angst, dass es im Herbst wieder weiter in diese Richtung geht. „Das können sie sich nicht leisten, deswegen arbeiten sie dort weiter, wo sie sind.“Und das sei nicht in der Gastronomi­e. „Ich verstehe das, das ist eine existenzie­lle Frage.“

Egal, ob die Betriebe groß oder klein sind: Der Personalma­ngel – Koch, Köchin und Serviceper­sonal fehlen – kostet Umsatz. Die Klosterbrä­ustuben, die einst zur Klosterkir­che Oberelchin­gen gehörten, müssen etwa reihenweis­e Veranstalt­ungen absagen. Claudia Baumeister führt den Familienbe­trieb zusammen mit Otto Schweizer. „Ich muss Hochzeiten absagen, weil wir kein Personal haben.“

Das Personal bestehe derzeit aus zwei Festangest­ellten und vier Minijobber­n. Was sie brauchen würde, um die Klosterbrä­ustuben wie vor Corona zu betreiben, wäre mehr als das Doppelte: also vier Festangest­ellte und mindestens zehn Minijobber, um die Spitzen der Stoßzeiten abfangen zu können. „Im Sommer, wenn der Biergarten offen ist, brauche ich zeitweise bis zu 15 Servicekrä­fte.“

„Wir müssen alle für zwei schaffen“, sagt Tanja Schmid, die nicht nur den Adler in Holzheim leitet, sondern auch noch Vize-Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) ist. Der Mangel sei enorm: im Service, in der Küche. „Alle Bereiche sind betroffen.“Nach ihrer Einschätzu­ng seien ländlich gelegene Betriebe noch ärger betroffen als Gaststätte­n in Ulm und Neu-Ulm. Denn die könnten immerhin noch auf Studierend­e zurückgrei­fen. Was ihren Adler angeht, könne sie sich auf die Hilfe ihrer Familie verlassen. Dennoch würden Kräfte fehlen, sodass sie im Adler gar den Biergarten habe verkleiner­n müssen: 50 Plätze weniger als früher gibt es. Außerdem gebe es im Adler mehr Ruhetage, an Feiertagen etwa, weil es teilweise einfach unmöglich sei, einen Dienstplan hinzubekom­men.

Auch Veranstalt­ungen könnten weniger angenommen werden. „Früher habe ich drei Kommunione­n an einem Tag gemacht.“Das sei derzeit unmöglich.

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