Auf Stadtfriedhof entstehen insektenfreundliche Gräber
Biberach ist einer von vier Standorten für ein Modellprojekt des BUND – Helfer sind willkommen
BIBERACH - Buchs und Begonie Adieu. Der BUND will auf dem Biberacher Stadtfriedhof ein Refugium für bedrohte Tiere schaffen. Als einer von vier Friedhöfen im Land wurde das denkmalgeschützte Areal in Biberach dafür ausgewählt. Ab Freitag entstehen dort vier Beispielgräber und zwei Staudenbeete. Der Kreisverband sucht dafür noch interessierte Helfer.
Friedhöfe bieten eine besondere Chance für den Arten- und Biotopschutz, davon sind die Stiftung für Naturschutzfonds Baden-Württemberg und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg überzeugt. Denn mit oftmals altem Baumbestand seien sie ökologisch besonders wertvoll. Auch seien Friedhöfe kaum Veränderungen unterworfen. Sie würden selten überbaut oder umgestaltet und so könnten sich Pflanzen und Tiere über lange Zeit anpassen und entwickeln.
Die Nachfrage nach alternativen Beisetzungsarten wie der UrnenBestattung steige, viele Friedhofsflächen blieben deshalb frei. Das ökologische Potenzial vieler Friedhöfe sei also sehr hoch, aber es bleibe oftmals ungenutzt. Vielerorts biete sich ein eher eintöniges Bild von kurz gemähten Rasenflächen, kombiniert mit ein paar exotischen Zierpflanzen. Insekten, vor allem die gefährdeten und spezialisierten Arten, fänden hier wenig Schutz und Nahrung und hätten somit langfristig auch keine Überlebenschance.
Der BUND will mit dem Modellprojekt „Insektenfreundlicher Friedhof“nun Politik, Verwaltung, Gärtner, Umweltschützer und Besucher inspirieren, wie eine insektenfreundliche Grabanlage und -pflege gelingen kann.
Der Biberacher Stadtfriedhof wurde gemeinsam mit drei weiteren Friedhöfen in Heidelberg, Singen und Stuttgart ausgewählt, um dort exemplarisch Maßnahmen zur Förderung von Wildbienen und Schmetterlingen umzusetzen.
Der Stadtfriedhof bringt beste Voraussetzungen mit. Mit seinen Wiesen und Seen, dem alten Baumbestand und dem großen verzweigten Wegenetz weist er einen parkähnlichen Charakter auf. Die Biberacher nutzen den Friedhof gerne zum Spaziergehen und zur Erholung, heißt es auf der städtischen
Website. Als allgemeines Kulturdenkmal steht das von Günther Grzimek geplante und im Jahr 1962 eröffnete Areal unter Denkmalschutz. Es ist heute mit rund 18 Hektar der größte der sieben städtischen Friedhöfe.
Ab Freitag, 10. Juni, werden dort vier (ungenutzte) Einzelgräber und zwei Staudenbeete exemplarisch insektenfreundlich bepflanzt. Esther Franzen, BUND-Kreisvorsitzende, freut sich über interessierte Helfer, die an dem Nachmittag mitarbeiten. 25 bis 30 Quadratmeter Fläche sollen gezielt Wildbienen und Schmetterlinge anlocken. Sie selbst sieht den Insektenschutz auch ganz praktisch und bestellt ihr Familiengrab schon lange mit mehrjährigen Stauden. „Man muss sich ja nicht unbedingt mehr Arbeit machen, indem man jedes Jahr neu anpflanzt.“
Wären Bienen & Co. außerhalb der Stadt nicht besser aufgehoben? Insekten finden in vielen Bereichen der städtischen Gebiete geeignete Bedingungen zum Leben vor, beobachtet der BUND. Im Vergleich zu landwirtschaftlich genutzten Flächen sei dort beispielsweise das Blütenangebot oftmals deutlich erhöht und das wärmere Mikroklima begünstige das Vorkommen der Insekten. Besonders wertvoll seien naturnahe und abwechslungsreich gestaltete Grünflächen. Allein aus Naturgärten seien etwa 3000 verschiedene Tierarten bekannt. Größere Parkanlagen könnten einer Vielzahl weiterer Arten ein Zuhause bieten. Handeln sei jedoch nötig, denn die Menge der fliegenden Insekten habe in den vergangenen 30 Jahren um mehr als 75 Prozent abgenommen.
Von den 180 im Land vorkommenden Tagfaltern stünden mehr als Dreiviertel auf der Roten Liste der bedrohten Arten.
Von den 460 heimischen Wildbienenarten gelte nahezu die Hälfte als gefährdet. Wenn die insektenfreundlichen Gräber des BUND aber Schule machen, könnten Friedhöfe zu Orten der Trauer und des Lebens werden.