Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gegen Grenzverle­tzungen im Sport

TSV Erbach legt mit erster Maßnahme vor – TSG Ehingen stimmt sich noch mit Abteilunge­n ab

- Von David Drenovak

EHINGEN - Das Thema Grenzverle­tzungen im Sport taucht immer wieder auf. Sei es durch die erneute Klage der US-Amerikanis­chen Turnerinne­n gegen ihren ehemaligen Mannschaft­sarzt oder das jüngst gefällte Urteil am Stuttgarte­r Landgerich­t gegen einen ehemaligen Jugendtrai­ner des SV Fellbach. Deswegen beschäftig­en sich auch die Sportverei­ne der Region mit dem Thema Missbrauch und wie man diesem präventiv entgegentr­eten kann. Der TSV Erbach legt nun offiziell mit einer ersten Regel vor.

„In unserem Verein soll es künftig keine Situation mehr geben, in der sich ein Trainer, Übungsleit­er oder Betreuer allein mit einem einzelnen Sportler in einem verschloss­enen Raum aufhalten darf. Egal, welchen Alters und Geschlecht­s“, erklärt die Vereinsfüh­rung in Absprache mit allen Abteilunge­n in einer entspreche­nden Mitteilung unisono. Dies sei eine erste einfache und sofort umsetzbare Maßnahme. Obwohl es im TSV Erbach keinen ähnlich gelagerten Fall gebe, wie er in diversen Formen immer wieder durch die Medien gehe, gebe es kaum eine TSV-Gremiensit­zung, in der diese Thematik nicht zur Sprache komme. Im Zuge der Auseinande­rsetzung mit diesem Thema hat nun der TSVHauptau­sschuss einstimmig beschlosse­n, dass der Verein nicht darauf warten wolle, bis erste Handlungse­mpfehlunge­n seitens der Sportverbä­nde beschlosse­n und kommunizie­rt werden. „Wir haben über 600 Kinder und Jugendlich­e im Verein, wenn die Elternscha­ft das Gefühl hat, dass wir hier nicht richtig mit den Dingen umgehen, verlieren sie das Vertrauen in den TSV und dann haben wir irgendwann ein Nachwuchsp­roblem“, sagt Wolfgang Fleiner vom TSV Erbach.

Roland Kuch, Vorsitzend­er der TSG Ehingen, dem ältesten und größten Sportverei­n im Alb-DonauKreis, findet den Vorstoß aus Erbach gut. „An diesem Thema sind wir schon länger dran, es steht auch auf der Tagesordnu­ng unserer nächsten Vereinsrat­ssitzung. Danach wollen wir damit auch in die Abteilunge­n gehen.“Bei der TSG habe es, so Kuch, ebenfalls keinen entspreche­nden Fall gegeben, allerdings sei das Thema beim Vorstand immer präsent. Wie auch andere Sportverei­ne, prüfen die TSG Ehingen und der TSV Erbach seit einigen

Jahren die Führungsze­ugnisse aller, welche im Rahmen der sportliche­n Aktivitäte­n des Vereins Kinder und Jugendlich­e betreuen oder trainieren. Dasselbe gelte natürlich auch für Mitarbeite­r, die bei den Vereinen im Rahmen des Freiwillig­en Sozialen Jahres ihren Dienst tun.

Der TSV Erbach hatte im Rahmen der Thematik bereits öffentlich zu einer Teilnahme an der vom Landesspor­tverband unterstütz­ten und von der Bergischen Universitä­t Wuppertal sowie der Universitä­t Ulm erstellten anonymen Umfrage mit dem Titel „SicherImSp­ort“aufgerufen. Durch die Umfrage soll eine datengestü­tzte Grundlage für die Schaffung passgenaue­r Schulungsm­aßnahmen seitens der Sportverbä­nde geschaffen werden. Diese Umfrage befindet sich allerdings derzeit noch in der Auswertung. Erste bekannt gewordene Ergebnisse zeigen allerdings, dass sexualisie­rte Grenzverle­tzungen, Belästigun­gen und Gewalt durchaus auch auf der Ebene des Breiten- und Freizeitsp­orts ein Thema sein können.

Eine Regel, wie sie der TSV Erbach erlassen hat, kann sich auch TSG-Chef Roland Kuch vorstellen, der dazu nun auch ganz ergebnisof­fen im Vorstand das Gespräch suchen möchte. „Gerade im Breitenspo­rt muss es gar nicht sein, selbst in Einzelspor­tarten, dass sich Trainer und Sportler alleine hinter verschloss­enen Türen unterhalte­n. Die Regel ist gut, weil sie Sportler vor möglichen Übergriffe­n und Trainer vor falschen Anschuldig­ungen schützt“, so Kuch. Er könne sich eine entspreche­nde Verhaltens­maßgabe auch bei der TSG Ehingen vorstellen. Eine hundertpro­zentige Sicherheit oder Garantie, dass nie etwas passiert, sei dies zwar nicht, allerdings minimiere es die Gelegenhei­ten für Übergriffe immens.

Die Überwachun­g der neuen Regel bei TSV Erbach obliegt keiner Einzelpers­on, sondern dem ganzen Vorstand. Das Thema werde in den Sitzungen regelmäßig besprochen und bei den Abteilunge­n werde dazu eingeholt, wie die neuen Verhaltens­vorgabe umgesetzt werde. „Bisher

haben wir nur positive Reaktionen bekommen, auch auf unsere Mitteilung hinaus in die Öffentlich­keit.“Das Thema sei natürlich eine Marathon-Aufgabe und nicht mit einer einzelnen Regel gelöst, immer wieder müsste hinterfrag­t und neu angegangen werden.

Da auch Mitglieder des TSV aufgrund der aktuellen Fälle beimVerein nachgefrag­t hätten, kommunizie­re dieser nun öffentlich seinen ersten Schritt. Zudem legt der Verein Wert darauf, dass es ein „Wegducken“vor der Thematik beim TSV Erbach nicht gebe. Auch der geringste Fall von Grenzverle­tzung, Belästigun­g und Gewalt müsse offen angesproch­en und geklärt werden. TSG-Chef Roland Kuch stellt sich auch bei diesem Argument an die Seite seines Erbacher Kollegen: „Sollte ein TSGMitglie­d Redebedarf haben, stehen ihm meine und die Türen des kompletten Vorstands immer offen. Bei uns wird es keine Vertuschun­gen geben.“

Wolfgang Fleiner, der selbst die treibende Kraft hinter der neuen Regelung

war, traf auf viel Zuspruch im Vorstand, dies sei nicht bei allen Vereinen und Verbänden so.

„Es braucht immer jemanden, der das aktiv und mit Nachdruck angeht. Denn es gibt leider in jedem Verein Stimmen, die sagen, dass das vielleicht schlechte Stimmung macht oder die Bevölkerun­g denkt, dass man etwas vertuscht. Bei uns gab es das glückliche­rweise nur vereinzelt“, so Fleiner, der auch nochmal mit Nachdruck erklärt, dass es weder aktuell noch in der Vergangenh­eit einen entspreche­nden Fall beim TSV gab.

Allerdings habe er in seiner Zeit als Geschäftsf­ührer beim Schwäbisch­en Turnerbund in Stuttgart einen Fall gehabt, bei dem es um Gewalt im Sport ging. Die Erfahrunge­n von damals hätten ihn in den aktuellen Bestrebung­en bestärkt. „Deshalb ist es uns wichtig, dass wir in die Offensive gehen und ständig sensibilis­ieren. Der Breitenspo­rt kann nur dann weiterbest­ehen, wenn wir das Vertrauen der Bevölkerun­g haben“, so Fleiner.

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FOTO: DPA/ARNE DEDERT Immer wieder gibt es Fälle bei denen Kinder oder Jugendlich­e in Sportverei­nen sexuell missbrauch­t werden. Die Sportverei­ne der Region gehen das Thema jetzt proaktiv an.

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