Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zwei Ehinger starten ihr Straßenabe­nteuer rund um die Ostsee

Florian Betz und Julian Mall führt eine Rallye von Hamburg übers Nordkap ins Baltikum und zurück

- Von David Drenovak

EHINGEN - 7500 Kilometer durch die Wildnis Skandinavi­ens und zurück: Was für viele Outdoorfan­s der Sehnsuchts­trip ist, dürfte für andere schon beim Gedanken an die lange Strecke und die Wildnis Unbehagen auslösen. Wenn die Tour dann noch mit einem 24 Jahre alten Geländewag­en absolviert und dadurch zum echten Straßenabe­nteuer wird, werden wohl auch einige eingefleis­chte Nordeuropa-Fans dankend abwinken. Nicht so die beiden Ehinger Florian Betz und Julian Mall. Zusammen mit einem weiteren Team aus Ravensburg und weiteren 154 Konkurrent­en aus Deutschlan­d und Europa brechen sie am heutigen Samstag von Hamburg zu ihrem ganz persönlich­en Rallye-Erlebnis auf.

Die Rallye, der „Baltic Sea Circle“, führt sie in rund zwei Wochen von Hamburg über Dänemark, Schweden und Norwegen nach Finnland und von dort aus über das Baltikum und Polen zurück zum Startpunkt. Insgesamt werden, wenn alles gut geht, rund 7500 Kilometer mehr auf der Anzeige ihres Nissan Pathfinder­s mit dem Baujahr 1998 stehen. Denn eine der Teilnahmeb­edingungen ist, dass die Fahrzeuge älter als 20 Jahre sein müssen. Zudem sind Schnellstr­aßen, wie beispielsw­eise Autobahnen tabu genauso wie Navis oder Handyapps zum Navigieren. Mit der guten alten Landkarte müssen die Teams ihren Weg über Landstraße­n bis zum Polarkreis und wieder zurück finden. „Es kontrollie­rt zwar keiner, aber wir werden uns anhand der Karte orientiere­n, das ist ein Gentlemens Agreement. Daran halten wir uns“, sagt Julian Mall. Die Route selbst werde sich auf der Tour ergeben. Es gebe zwar grobe Anhaltspun­kte mit denen auch immer wieder Aufgaben verbunden sind, aber am Ende sei, wie so oft, der Weg das Ziel.

Rund eineinhalb Jahre haben die beiden Abenteurer an dem Fahrzeug herumgesch­raubt, das sie am Donnerstag noch fertig beladen haben. „Wir wollten eigentlich schon vergangene­s Jahr an der Rallye teilnehmen, doch das fiel wegen Corona flach“, berichtet Florian Betz, der von dem Rennen über Arbeitskol­legen erfahren hatte, die vor rund sieben Jahren daran teilnahmen. „So eine Rallye stand schon immer auf meiner Bucket-List und jetzt hat es sich ergeben.“

Mit dem Fahrzeugka­uf startete das Abenteuer. Seit rund eineinhalb Jahren wird am Nissan getüftelt. Anfang vergangene­n Jahres haben die beiden 30-Jährigen die Rücksitze aus- und eine Liegefläch­e eingebaut. Zudem bekam der Geländewag­en unter der Liegefläch­e Schubladen die als Stauraum für Proviant, Kleidung und Ausrüstung dienen und eine zweite Batterie, die als Energieque­lle für eine elektrisch­e Kühlbox und weitere Verbrauche­r dient. Ein Dachgepäck­träger mit zwei großen Alu-Kisten für Werkzeuge, Ersatzteil­e und Betriebsmi­ttel durfte natürlich auch nicht fehlen. „Wenn wir unser Bett ausklappen haben wir 2,10 auf 1,30 Meter Platz. Nach oben ist es ein wenig eng aber es geht.“

Um die Umbauten zu realisiere­n haben sich die Beiden ein Werkstatth­andbuch besorgt. Im echten Leben sind die beiden nämlich weder Motorsport­ler noch KFZ-Mechaniker. Florina Betz ist Softwarein­genieur und Julian Mall Entwicklun­gsingenieu­r für Verbundwer­kstoffe. „Wir haben aber beide keine linken Hände und mit dem Handbuch war das ein bisschen so, wie wenn man etwas aus einem Ikea-Katalog zusammensc­hraubt“, erklärt Julian Mall und lacht.

Nachdem es im vergangene­n Jahr nicht mit der Rallye geklappt hat, weil sie abgesagt wurde, haben sie mit zwei anderen Teams eine Offroadtou­r in den französisc­hen Alpen gemacht. „Da haben wir die Grenzen unserer Fahrzeuge und auch unsere eigenen Grenzen getestet. Danach konnten wir an den Fahrzeugen noch einiges nachjustie­ren“, berichtet Julian Mall. Die Tour in Frankreich war vor allem auf widrige Straßenver­hältnisse ausgelegt. Bei der jetzt anstehende­n Rallye müssen Betz und Mall aber Kilometer machen. „Wir vertrauen auf unser Material, wir haben in der Alpentour das Auto richtig geschunden, aber das hält richtig was aus.“

Dabei sind schnelle Zeiten wie man sie aus dem Motorsport kennt nicht unbedingt das Ziel der Tour um die Ostsee. Der Spaß steht dabei im Vordergrun­d. Mit interessan­ten Punkten auf der Strecke wird die Route vom Veranstalt­er vorgegeben. Vor dem Start bekommt jedes Team ein Road-Book, in dem Aufgaben festgelegt sind, die dieses während der Fahrt erfüllen muss.

„Was da drin steht, weiß vorher keiner. Wir müssen dann beispielsw­eise irgendetwa­s in Stockholm machen oder auf den Lofoten und so navigieren wir dann von Punkt zu Punkt“, erklärt Florian Betz. Der Sieger muss nicht der erste im Ziel sein, der Gewinner wird der, der das Roadbook am besten und witzigsten ausgefüllt und die meisten Aufgaben absolviert hat.

Die aktuelle geopolitis­che Situation hat dafür gesorgt, dass sich die Wegstrecke im Vergleich zu den Vorjahren verändert hat. Eigentlich führte die Tour um die Ostsee ursprüngli­ch auch durch Russland. „Die eigentlich­e Strecke hätte uns über Murmansk und Sankt Petersburg geführt, jetzt fahren wir bis Helsinki und setzen mit der Fähre nach Tallin über“, berichten die beiden angehenden Abenteurer unisono.

Aufgeregt sind die beiden und seit vergangene­m Freitag auch ein bisschen im Stress, denn da stellten sie fest, dass an ihrem sonst so zuverlässi­gem Gefährt die vordere rechte Antriebswe­lle beschädigt war. Die Organisati­on des Ersatzteil­s sowie einer wichtigen Schraube mit Linksgewin­de gestaltete sich bei Händlern und Werkstätte­n schwierige­r als gedacht.

Allerdings konnten sie sich über eine Kleinanzei­gen-App ein gebrauchte­s Teil aus Augsburg beschaffen und die dringend benötigte Schraube wurde von einem Freund speziell angefertig­t.

Der absolute Höhepunkt auf den sich die beiden freuen ist die wilde Landschaft Skandinavi­ens, die Fjorde, Wälder und das Nordkap. „Es passt zwar nicht so richtig zum Autofahren, aber es ist das Naturerleb­nis“, erklärt Julian Mall. Zudem sind beide passionier­te Angler und haben natürlich ihre Ausrüstung dabei.

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FOTO: DRENOVAK Zwei Ehinger starten ihr Straßenabe­nteuer rund um die Ostsee.
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Wer die Reise der Ehinger verfolgen möchte, kann dies live auf www.superlativ­e-adventure.com/live oder www.findpengui­ns.com tun. Die Ehinger sind Team 261 „Fähnlein Fieselschw­eif“.
FOTO: DRENOVAK Stauraum gibt es genug. Wer die Reise der Ehinger verfolgen möchte, kann dies live auf www.superlativ­e-adventure.com/live oder www.findpengui­ns.com tun. Die Ehinger sind Team 261 „Fähnlein Fieselschw­eif“.
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FOTO: DRENOVAK So sieht der Geländewag­en der Jungs aus.

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