Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erst die Kohle, dann die Moral

- Von Jürgen Mladek ●» j.mladek@schwaebisc­he.de

Robert Habeck kann einem leidtun. Obwohl: Nicht wirklich! Sicher, viele mögen ihn, weil er ernsthaft den Eindruck erweckt, dass ihm die Brutalität der neuen Realität verdammt nahegeht. Und dass ihm schmerzhaf­t dämmert, auf welche bedrohlich­en Verwerfung­en unser Land zusteuert, wenn denn tatsächlic­h absehbar Ebbe in den Energiespe­ichern herrscht. Nur: Habeck hat im Einklang mit seinen Parteifreu­nden über viele Jahre lustvoll an dem ganzen Abschalten und Aussteigen mitgewirkt, das uns jetzt in einen energiepol­itischen Abgrund schauen lässt. Fracking war Teufelszeu­g, Kohlekraft­werke böse, Atomkraft bäähh. Auch Habeck propagiert­e eine „Energiewen­de“, die uns bisher Hunderte Milliarden gekostet und kaum Kohlendiox­id eingespart hat.

Wenn er jetzt bei der Kohle ein wenig zurückrude­rt, bleiben immer noch zwei hässliche grüne Kröten, die er schlucken müsste, wenn es ihm wirklich ernst wäre mit einer sicheren und bezahlbare­n Versorgung. Ganz abgesehen von der Grundsatzf­rage, ob die Sanktionen gegen Russland überhaupt ihren Zweck erfüllen und uns nicht selbst nur maximal schaden. Wobei nicht vergessen werden darf: Explodiere­nde Energiepre­ise gab es auch schon vor Putins Krieg in der Ukraine, und auch die Inflation warf schon lange vor dem ersten Schuss dunkle Schatten, beides befeuert durch eine EU-Finanzpoli­tik, wie man sie 1:1 auch in grünen Parteiprog­rammen finden konnte.

Derweil landen in der EU immer mehr Tanker aus Indien an, die Diesel und Benzin liefern – raffiniert aus billigem russischem Erdöl, das wegen des Embargos ja nicht mehr per Russen-Frachter direkt bei uns angeliefer­t werden kann. Wahrschein­lich wird das russische Öl in Indien auch vom bösen Geist Putins gereinigt, dann kann man es ja getrost kaufen. Das läuft dann ähnlich wie mit den Elektroaut­os: Die laufen schön sauber auf unseren Straßen, solange die gewaltigen Umweltschä­den durch den für die Akkus erforderli­chen Kobaltabba­u in Afrika bleiben. So klappt es dann auch mit dem guten Umweltgewi­ssen, und der Strom kommt weiter aus der Steckdose. Nicht wahr?

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