Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein „alter, böser, weißer Mann“kann auch Spaß machen

Kabarettis­t Andreas Rebers nimmt zu allem Stellung – Publikum in Ulm kommt aus dem Lachen nicht heraus

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Von einem, der der Bayerische­n Akademie der Schönen Künste angehört, erwartet man, na klar doch, schöne Kunst. Und dann kommt da Andreas Rebers, der dort Mitglied ist, ins Ulmer Zelt und erzählt dem Publikum, wie schlecht die Welt doch eigentlich ist, wie sie sich auch gegen ihn oft verschwore­n hatte. Rebers kann quasi zu allen Themen dieser Welt Stellung beziehen. Kann Missstände beklagen, Politiker welcher Couleur auch immer ins Gericht nehmen – besonders aber ExBundeska­nzlerin Angela Merkel, die diversen CDU-Ministerin­nen sowie die Grüne Annalena Baerbock.

Kann den Besuchern im nicht ganz ausverkauf­ten Zelt zum Teil bitterböse erklären, was so alles in der Politik, im täglichen Miteinande­r und überhaupt schiefläuf­t. Das Publikum kommt aus dem lauthalsen Lachen nicht heraus. Denn Kabarettis­t Rebers beherrscht die Kunst der freien Rede, aber auch des Musizieren­s mit E-Piano, gelegentli­ch mit Akkordeon und Gesang, perfekt. Er greift an, wird auch einmal sehr laut und meint doch alles gar nicht ganz so ernst, wie er es erscheinen lässt. Und das über zwei Stunden lang, fast ohne Punkt und Komma. Das ist wirklich eine (schöne) Kunst.

„Ich helfe gern“, heißt das Programm des Kabarettis­ten, der heute mit seiner Familie in München lebt. Im Ulmer Zelt hilft Andreas Rebers den Besucherin­nen und Besuchern auf jeden Fall auf die Sprünge. „Abrissbirn­e auf zwei Beinen“wurde der Mann einmal betitelt, der früher unter anderem der Münchner Lachund Schießgese­llschaft angehörte und vielfach im Fernsehen zu sehen war und ist. Dies, weil er nichts so einfach stehen lässt, weil er verbal um sich schlägt, weil er alles zerstört, was sich die Menschen in ihren Gedanken so schön aufgebaut haben.

Natürlich verurteilt Rebers Putins Krieg in der Ukraine, aber für ihn ist Russlands „Spezialope­ration“auch ein „Geschäftsk­rieg“, an der der Kapitalism­us durchaus eine Mitschuld habe. Aber auch die inneren Zustände im Staat, die auf ihre Weise schon pervers erscheinen. „Russland ist ein großes Land“, sagt Rebers. „Da gibt es elf Zeitzonen. Deshalb haben die Oligarchen so teure Armbanduhr­en, damit sie immer wissen, wie spät es in ihren Palästen überall im Land gerade ist.“Und der Kabarettis­t philosophi­ert: „Krieg ist die Fortsetzun­g der Politik mit anderen Mitteln. Letztlich ist Politik aber nichts anderes als Krieg mit anderen Mitteln.“

Rebers liebt es auch, aus seiner Jugend zu erzählen, von Onkel Dolf zum Beispiel, der ein Hitlerjung­e ohne Rang gewesen sei und später Tbc bekommen habe. Da habe er dem jungen Rebers einen in eine Bild-Zeitung eingewicke­lten Karton geschenkt und in diesem war seine Hitlerjuge­nd-Uniform, ein Stück deutscher Geschichte. Einem Onkel fehlte ein Ohr, das in Russland geblieben war, erzählte der Kabarettis­t, einem anderen fehlte ein Bein und einem Opa ein Auge. „Ich habe die alle draußen auf eine Bank gesetzt, Kinder aus dem Ort zum Anschauen der Krüppel geholt und von ihnen Eintritt verlangt.“Wenn es um Annalena Baerbock geht, fällt Rebers auch Folgendes ein: „Es reicht nicht, dass man nichts zu sagen hat, man muss auch unfähig sein, es auszudrück­en. Wenn sie sagt, Finnland und Schweden kommen in die Nato, äh – sie entscheide­t das nicht. Heiko Maas war schon eine Nullnummer...“Schmelzend­e Gletscher, der Himmel, der Löcher hat, „der Adolf aus Ankara“, die Kirche, der „schrecklic­he“Corona-Lockdown gepaart mit etwas Sexismus („Ich habe, als ich in mein Auto wollte, etwas zu früh die Maske abgenommen, da kam eine Politesse und sagte, es koste 130 Euro und ich dazu: Steig ein“), München als

Hauptstadt des Nationalso­zialismus, Bürgerinit­iativen, das Neun-Euro-Ticket, Coffee to go, die Gefahr von rechts, Mode aus Bangladesc­h, das „tolle Geschäft mit Moral, Angst und Spaltung der Gesellscha­ft“, Hightech-Junkies, Klimawande­l ... es gab quasi kein Thema, zu dem Andreas Rebers nichts zu sagen hatte. Und dies immer sehr emotional, sehr kritisch, meist sehr drastisch. Aber wobei hat er, der sich als „alten, bösen, weißen Mann“bezeichnet, geholfen? Wie gesagt, den Zeltgästen, falls sie es noch nötig hatten, auf die Sprünge, wenn es um die Betrachtun­g der Zustände auf dieser Welt geht. Und dies auf seine besondere, witzige Art, siehe folgende Anekdote: „Meine Nachbarin Frau Hammer, geschieden­e Sichel, fragte mich mal, was ich von Tempo 30 in unserer Straße halte. Ich sagte, ich bin dabei. Es kam, aber ich hielt mich nicht dran. Ich fuhr so sieben Stundenkil­ometer oder auch elf. Ganz schwer ist zwei. Und dann stehe ich. Alles ist so eng, dass die Fahrradfah­rer nicht an mir vorbeikomm­en. Dann spürst du von hinten den Hass. Und ich habe eine Anzeige bekommen wegen Geschwindi­gkeitsunte­rschreitun­g. Ich fragte beim Amt: Haben Sie mich geblitzt? Die Antwort lautete: Nein, gemalt.“

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