Beifahrer ermöglicht den Neustart im Glauben
Beim ersten Bikergottesdienst nach Corona in Bühlenhausen zitiert Pfarrer Fels aus der Apostelgeschichte
BÜHLENHAUSEN - Am Weg nahe dem Schuppen von Hannes Schwarzenbolz am Ortsrand von Bühlenhausen stehen zahlreiche Motorräder. Männer und Frauen mit Lederjacken und -kutten sitzen auf Bierbänken und schauen auf die kleine Bühne, die nahe des Schuppens aufgebaut ist. Endlich können die Bikerinnen und Biker nach zwei Jahren Coronapause wieder ihren speziellen Gottesdienst feiern.
Philipp Konold von „Biker under Gods Command“erklärt, wo die Ursprünge des Bikergottesdienstes liegen: „Ursprünglich haben wir uns in Bühlenhausen gegründet. Inzwischen kommen die Leute aus allen Himmelsrichtungen.“Seit 1996 gibt es jedes Jahr diesen speziellen Gottesdienst – unterbrochen nur von der Pandemie. „Wir sind alle begeisterte Motorradfahrer. Damals in den 90ern gab es nur wenige von uns, inzwischen sind es mehr geworden. Wir wollen auch den anderen Bikern von unserem Glauben erzählen“, erklärt Konold.
Und andere Biker sind auch gekommen. So wurde der Wagen des Reporters bei der Anreise vom einem Mitglied des Motorradclubs Holy Riders überholt, weitere Mitglieder der Gruppe, die ein Chapter im Ulmer Raum unterhält, sind ebenfalls nach Bühlenhausen gereist. Andere Biker haben auf der Wiese neben „Hannes’ Schuppen“wie die Biker die Location nennen, in Zelten übernachtet.
Die Band „Springx“eröffnet den Gottesdienst unter dem Motto „Neustart“
mit Stromgitarren und Cajon als dezenten Schlagzeugersatz. Dann tritt Dirk Schwarzenbolz von den „Biker under Gods Command“an die Mirkos und sagt: „27 Jahre ist es her, dass wir den Motorradgottesdienst aufgebaut haben und wenn ich Euch anschaue, sieht man Euch das auch an. Aber ich sehe das auch selbst jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaue.“
Er zeigt einen alten Kaugummiautomaten. Ältere verbinden damit positive Kindheitserinnerungen, auch weil er so einfach zu bedienen ist: Ein paar Groschen reinstecken, drehen und unten kugelt Kaugummi raus. Auch Gott sei für viele wie eine schöne Kindheitserinnerung. Dabei sei er keineswegs wie ein Kaugummiautomat, sondern wirke von Ewigkeit zu Ewigkeit und funktionieren auch keineswegs wie eine Maschine, in die Man Gebete fülle und die dann Erlösung ausspucke. Er sagt: „Danke, dass Du lebendig bist und keine Maschine.“
Schwarzenbolz dank auch den „Local Heroes“, die diesen Gottesdienst teils seit Jahrzehnten möglich machen. Das diesjährige Geldopfer geht an Matthias Ruopp, der aus Berghülen stammt und in Rumänien eine Sozialstation aufgebaut hat, welche unter anderem auch Hilfstransporte
in die Ukraine organisiert.
Eine lustige Einlage gibt es mit Harald Ott als alter Mann, der versucht, allerhand Tand an die Menschen zu bringen. So hält er beispielsweise ein Töpfchen hoch und sagt: „Das geht für die Jungen wie auch für die Alten.“Aber mit seiner Einlage steuert er auch auf das Thema der folgenden Predigt hin, auf „Neustart“. In seinem Fall ist es ein altes Motorrad, das er instand gesetzt habe, augenscheinlich funktionieren alle Teile, nur anspringen will das Zweirad partout nicht. Was also wäre nötig für einen Neustart?
Dieser Frage widmet Pfarrer Janis Fels seine Predigt. Dazu bemüht er eine „alte, tiefe Beifahrergeschichte“aus der Apostelgeschichte: Darin schickt der Heilige Geist einen gewissen Philippus auf die einsame Straße zwischen Jerusalem und Gaza, wo er dem Kämmerer der äthiopischen Königin begegnet. Dieser war in Jerusalem, um mehr über Gott zu erfahren, ihm wurde aber keine rechte Erklärung zuteil. Zudem handelt es sich bei den Kämmerer um einen Eunuchen, also einen Mann, dessen Manneskraft operativ entfernt wurde. Diesem Eunuchen deutet Philippus eine Stelle aus dem Buch Jesaja, worauf dieser die Taufe in einem nah gelegenen Gewässer begehrt und bekommt.
Pfarrer Fels deutet diese Geschichte so, dass der Eunuch Gott keineswegs egal war, obwohl sein Stellenwert in der damaligen Gesellschaft ein niedriger war. Extra für ihn wurde Philippus geschickt, um dem Suchenden seinen Weg zu Gott zu weisen. „Gott hat da einen ganz besonderen Moment eingefädelt, weil ihm auch dieser Mensch wichtig ist“, sagt Fels. Das bedeute auch, dass man sich Menschen, die Hilfe bei der Suche nach Gott wünschen, gerne als eine Art spiritueller Beifahrer anbieten könne, um ihnen so einen Neustart in den Glauben zu ermöglichen.