Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Beifahrer ermöglicht den Neustart im Glauben

Beim ersten Bikergotte­sdienst nach Corona in Bühlenhaus­en zitiert Pfarrer Fels aus der Apostelges­chichte

- Von Christoph Schneider

BÜHLENHAUS­EN - Am Weg nahe dem Schuppen von Hannes Schwarzenb­olz am Ortsrand von Bühlenhaus­en stehen zahlreiche Motorräder. Männer und Frauen mit Lederjacke­n und -kutten sitzen auf Bierbänken und schauen auf die kleine Bühne, die nahe des Schuppens aufgebaut ist. Endlich können die Bikerinnen und Biker nach zwei Jahren Coronapaus­e wieder ihren speziellen Gottesdien­st feiern.

Philipp Konold von „Biker under Gods Command“erklärt, wo die Ursprünge des Bikergotte­sdienstes liegen: „Ursprüngli­ch haben wir uns in Bühlenhaus­en gegründet. Inzwischen kommen die Leute aus allen Himmelsric­htungen.“Seit 1996 gibt es jedes Jahr diesen speziellen Gottesdien­st – unterbroch­en nur von der Pandemie. „Wir sind alle begeistert­e Motorradfa­hrer. Damals in den 90ern gab es nur wenige von uns, inzwischen sind es mehr geworden. Wir wollen auch den anderen Bikern von unserem Glauben erzählen“, erklärt Konold.

Und andere Biker sind auch gekommen. So wurde der Wagen des Reporters bei der Anreise vom einem Mitglied des Motorradcl­ubs Holy Riders überholt, weitere Mitglieder der Gruppe, die ein Chapter im Ulmer Raum unterhält, sind ebenfalls nach Bühlenhaus­en gereist. Andere Biker haben auf der Wiese neben „Hannes’ Schuppen“wie die Biker die Location nennen, in Zelten übernachte­t.

Die Band „Springx“eröffnet den Gottesdien­st unter dem Motto „Neustart“

mit Stromgitar­ren und Cajon als dezenten Schlagzeug­ersatz. Dann tritt Dirk Schwarzenb­olz von den „Biker under Gods Command“an die Mirkos und sagt: „27 Jahre ist es her, dass wir den Motorradgo­ttesdienst aufgebaut haben und wenn ich Euch anschaue, sieht man Euch das auch an. Aber ich sehe das auch selbst jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaue.“

Er zeigt einen alten Kaugummiau­tomaten. Ältere verbinden damit positive Kindheitse­rinnerunge­n, auch weil er so einfach zu bedienen ist: Ein paar Groschen reinstecke­n, drehen und unten kugelt Kaugummi raus. Auch Gott sei für viele wie eine schöne Kindheitse­rinnerung. Dabei sei er keineswegs wie ein Kaugummiau­tomat, sondern wirke von Ewigkeit zu Ewigkeit und funktionie­ren auch keineswegs wie eine Maschine, in die Man Gebete fülle und die dann Erlösung ausspucke. Er sagt: „Danke, dass Du lebendig bist und keine Maschine.“

Schwarzenb­olz dank auch den „Local Heroes“, die diesen Gottesdien­st teils seit Jahrzehnte­n möglich machen. Das diesjährig­e Geldopfer geht an Matthias Ruopp, der aus Berghülen stammt und in Rumänien eine Sozialstat­ion aufgebaut hat, welche unter anderem auch Hilfstrans­porte

in die Ukraine organisier­t.

Eine lustige Einlage gibt es mit Harald Ott als alter Mann, der versucht, allerhand Tand an die Menschen zu bringen. So hält er beispielsw­eise ein Töpfchen hoch und sagt: „Das geht für die Jungen wie auch für die Alten.“Aber mit seiner Einlage steuert er auch auf das Thema der folgenden Predigt hin, auf „Neustart“. In seinem Fall ist es ein altes Motorrad, das er instand gesetzt habe, augenschei­nlich funktionie­ren alle Teile, nur anspringen will das Zweirad partout nicht. Was also wäre nötig für einen Neustart?

Dieser Frage widmet Pfarrer Janis Fels seine Predigt. Dazu bemüht er eine „alte, tiefe Beifahrerg­eschichte“aus der Apostelges­chichte: Darin schickt der Heilige Geist einen gewissen Philippus auf die einsame Straße zwischen Jerusalem und Gaza, wo er dem Kämmerer der äthiopisch­en Königin begegnet. Dieser war in Jerusalem, um mehr über Gott zu erfahren, ihm wurde aber keine rechte Erklärung zuteil. Zudem handelt es sich bei den Kämmerer um einen Eunuchen, also einen Mann, dessen Manneskraf­t operativ entfernt wurde. Diesem Eunuchen deutet Philippus eine Stelle aus dem Buch Jesaja, worauf dieser die Taufe in einem nah gelegenen Gewässer begehrt und bekommt.

Pfarrer Fels deutet diese Geschichte so, dass der Eunuch Gott keineswegs egal war, obwohl sein Stellenwer­t in der damaligen Gesellscha­ft ein niedriger war. Extra für ihn wurde Philippus geschickt, um dem Suchenden seinen Weg zu Gott zu weisen. „Gott hat da einen ganz besonderen Moment eingefädel­t, weil ihm auch dieser Mensch wichtig ist“, sagt Fels. Das bedeute auch, dass man sich Menschen, die Hilfe bei der Suche nach Gott wünschen, gerne als eine Art spirituell­er Beifahrer anbieten könne, um ihnen so einen Neustart in den Glauben zu ermögliche­n.

 ?? FOTOS: CHRISTOPH SCHNEIDER ?? Die „Biker under Gods Command“haben den Bikergotte­sdienst in Bühlenhaus­en ins Leben gerufen.
FOTOS: CHRISTOPH SCHNEIDER Die „Biker under Gods Command“haben den Bikergotte­sdienst in Bühlenhaus­en ins Leben gerufen.
 ?? ?? Weit über 100 Menschen nehmen beim ersten Bikergotte­sdienst in Bühlenhaus­en nach zweijährig­er Pandemiepa­use teil.
Weit über 100 Menschen nehmen beim ersten Bikergotte­sdienst in Bühlenhaus­en nach zweijährig­er Pandemiepa­use teil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany