Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Land soll mehr für Flüchtling­e zahlen

Kommunen fordern höhere Unterstütz­ung – Finanzverh­andlungen stehen an

- Von Kara Ballarin und dpa

STUTTGART - Der Druck auf Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) wächst. Kurz vor den gemeinsame­n Finanzverh­andlungen am Mittwoch haben die kommunalen Spitzenver­bände ihr dringendst­es Anliegen in einem Brief an Bayaz formuliert: Das Land soll die Kosten für die aus der Ukraine nach Baden-Württember­g geflüchtet­en Menschen übernehmen. Laut Prognosen des Landkreist­ags geht es bei aktuell 100 000 Menschen um 720 Millionen Euro pro Jahr. Dieses Thema wollen die Kommunen am Mittwoch abhaken – unabhängig von vielen weiteren Forderunge­n, die sie im Landeshaus­halt für die Jahre 2023/2024 verankert sehen wollen. Denn die Flüchtling­skosten entstehen ja bereits 2022.

„Es wäre den Kommunen nicht vermittelb­ar, wenn die Frage der Geflüchtet­enkostener­stattung nicht jetzt abschließe­nd gelöst, sondern womöglich bis zum Ende der Verhandlun­gen in der Gemeinsame­n Finanzkomm­ission ungeklärt bliebe“, heißt es in dem gemeinsame­n Brief der Präsidente­n des Städtetags Peter Kurz, des Gemeindeta­gs Steffen Jäger und des Landkreist­ags Joachim Walter. Hintergrun­d ist, dass die ersten Geflüchtet­en vom 1. Juni an Hartz-IV-Leistungen erhalten und nicht mehr als Asylbewerb­er eingestuft werden. Durch diesen Systemwech­sel sind die Kommunen in der finanziell­en Pflicht. Da das Land dem Systemwech­sel in Verhandlun­gen mit dem Bund aber zugestimmt hat, und das Land den Kommunen zugesagt habe, dadurch nicht schlechter gestellt zu sein als zuvor, betont Heute-Bluhm: „Wir brauchen jetzt eine Zusage und können nicht warten.“Jäger sagt, die Kommunen bräuchten Planungssi­cherheit, „gerade auch weil für die soziale Integratio­n, für Kinderbetr­euung und Schule weitere hohe Investitio­nskosten auf die Städte und Gemeinden zukommen werden“.

An diesem Mittwochab­end stehen aber die Verhandlun­gen über den gesamten kommunalen Finanzausg­leich an – sie stehen im Zeichen enger Spielräume. Trotz der erfreulich­en Steuerschä­tzung, die für die Jahre 2023 und 2024 insgesamt drei Milliarden Euro mehr Einnahmen vorsieht, will die Koalition nur etwa 890 Millionen Euro mehr ausgeben als bisher. Grüne und CDU schlagen diesen Kurs ein, weil sie befürchten, dass der Ukraine-Krieg und die anhaltende Pandemie auf die Konjunktur und die Steuereinn­ahmen durchschla­gen.

Doch die Kommunen wollen sich diesmal nicht mit kleinen Beträgen abspeisen lassen. Im November hatte Bayaz die Kommunen auf die Beratungen des Doppelhaus­halts 2023/ 2024 vertröstet. Damals kamen sie mit einer Forderung von 1,4 Milliarden Euro für weitere Investitio­nen in Schulen, Kitas, Digitalisi­erung, Kliniken, ÖPNV und Klimaschut­z. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) wollte sich am Dienstag in Stuttgart nicht zu den Forderunge­n der Kommunalve­rbände äußern. Schließlic­h wolle man ja nicht die eigene Verhandlun­gsposition schwächen, so sein Argument.

Gerade beim Thema Klimaschut­z macht Heute-Bluhm Druck. Der Wärmesekto­r ist hier eins der größten Sorgenkind­er – die Reduktion der Treibhausg­asemission­en geht dort nur schleppend voran. „Ein Drittel der möglichen CO2-Einsparung­en kommt aus diesem Bereich“, sagt Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsf­ührende Vorständin des Städtetags. Sie fordert deshalb mehr Engagement des Landes. Die grünschwar­ze Regierung hat im Klimaschut­zgesetz zwar beschlosse­n, dass der Südwesten bis 2040 klimaneutr­al sein soll. Unter anderem müssen dafür Städte mit mehr als 20 000 Einwohner bis Ende 2023 kommunale Wärmeplanu­ngen vorlegen – kleinere Kommunen bekommen dafür Förderung vom Land.

Laut Heute-Bluhm reicht das aber nicht. „Es braucht frisches Geld vom Land, um schnell auch in die Pötte zu kommen.“Sie plädiert etwa für einen Klimaschut­zfonds, den das Land 2023 zunächst mit mindestens 200 Millionen Euro ausstatten soll. Geld aus diesem Topf könnten Kommunen dann abrufen, wenn sie in Maßnahmen investiere­n, die zur Umsetzung eines Wärmenetze­s beitragen. Wer daran angeschlos­sen ist, wird zentral mit Wärme versorgt und muss dies nicht mehr selbst im Haus mit Gas oder Öl tun. „Das kann man auch privatwirt­schaftlich organisier­en, aber dann dauert das, und dafür haben wir keine Zeit“, so HeuteBluhm. Sie verweist beispielha­ft auf Rottenburg, wo ein kommunales Wärmenetz aufgebaut wird. „Die bauen das und warten, bis die Anschlussn­ehmer kommen. Dafür bekommt die Stadt Geld vom Bund.

Nur deshalb geht das so schnell“, sagt sie. Um solche Netze aufzubauen, als Teil der Daseinsvor­sorge der Bürger, brauche es für eine Übergangsz­eit solch einen Fördertopf.

Als weiteren großen Brocken, für den es eine Verständig­ung zwischen Land und Kommunen braucht, nennt Heute-Bluhm die Schulen. Schon in der vorherigen Legislatur­periode haben Gespräche unter dem Stichwort „Schulträge­rschaft im 21. Jahrhunder­t“begonnen. Das Land ist nämlich eigentlich für die Inhalte und Lehrer, die Kommunen für Gebäude und Ausstattun­g zuständig. Über die Jahre haben sich die Zuständigk­eiten aber zunehmend vermischt – die finanziell­en Verflechtu­ngen gleicherma­ßen. Es geht etwa um die Kosten für Inklusion, Schulsozia­larbeit, Ganztag, aber ganz konkret auch um Anschaffun­g und vor allem Wartung der digitalen Endgeräte der Schüler. „Wir sind uns im Grunde einig, was man braucht. Das Land sieht auch, dass Kommunen das nicht alles allein stemmen können.“Bisher sei aber nicht erkennbar, dass das Land hier am Mittwoch ein konkretes Angebot unterbreit­en wolle.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Vor allem bei den Flüchtling­skosten verlangen die Kommunen nun schnell Geld vom Land.

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