Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kein Ende der Misere

Erste Banken beginnen für Einlagen wieder Zinsen zu zahlen – Warum Sparen trotzdem noch nicht funktionie­rt

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Sparer können sich freuen: Die in der vergangene­n Woche angekündig­te Zinswende der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) beginnen die Banken auch bei den Einlagezin­sen umzusetzen – zum Teil haben sie sogar schon reagiert. Auch die Negativzin­sen dürften bald Geschichte sein. So hat sich seit dem Beginn des zweiten Quartals der Zins auf Festgeld mit einer Laufzeit von zwei Jahren bei deutschen Banken verdoppelt, wie das Vergleichs­portal Verivox nun ermittelt hat. Das gilt zumindest für die „Marktspitz­e“: Dort steht aktuell die Creditplus Bank in Stuttgart, die ein Prozent Zinsen für diesen Zeitraum verspricht. So viel wurde seit Juni 2020 nicht mehr gezahlt. Anfang April lagen die Spitzenzin­sen in diesem Bereich bei 0,41 Prozent. „Allmählich kommt die Zinswende auch bei den Sparern an“, sagt Verivox-Geschäftsf­ührer Oliver Maier. Das Vergleichs­portal beobachtet fortlaufen­d die Tagesund Festgeldzi­nsen von etwa 800 Banken und Sparkassen.

Wer sein Geld im Ausland anlegt, kann dafür sogar schon bis zu 1,6 Prozent Zinsen erhalten. Das gilt für die litauische Pay-Ray-Bank oder die kroatische Bank Kovanica. Solange Kunden nicht mehr als 100 000 Euro bei einer dieser Banken anlegen, sind ihre Einlagen laut den Bestimmung­en der EU geschützt. Und selbst wenn der Einlagensi­cherungsto­pf des jeweiligen Landes nicht groß genug ist, gehen die Anleger nicht leer aus. Sie werden dann aus dem Haushalt des jeweiligen Landes entschädig­t.

Wer Sorge hat, dass das Land nicht stabil genug ist, sollte sich am besten breit absichern, rät Verivox: Dann achtet man vorsorglic­h darauf, Banken aus wirtschaft­sstarken Ländern mit hoher Bonität auszuwähle­n. Hier biete die französisc­he Younited Credit aktuell mit 1,55 Prozent die höchsten Zinsen. Die litauische Pay-RayBank (1,217 Prozent) und Younited Credit (1,100 Prozent) stehen auch beim Festgeldve­rgleich der Finanzbera­tung Max Herbst (fmh) an der Spitze bei Festgeld für zwölf Monate. Zwischen den beiden liegt die schwedisch­e Klarna mit 1,210 Prozent.

Allerdings sollte man bei der Anlage in Festgeld bedenken, dass man zwar nominal Zinsen erhält, unter dem Strich jedoch immer noch Geld verliert. Denn real liegen die Festgeldzi­nsen bei einer aktuellen Inflations­rate von knapp acht Prozent deutlich im Minus. Das gilt auch für Festgelder mit fünf Jahren Laufzeit, die bis zu zwei Prozent Zinsen bringen. Sich so lange festzulege­n, sei ohnehin nicht ratsam, meint Oliver Maier von Verivox. „Gerade im derzeit äußerst dynamische­n Zinsumfeld sollten Sparer flexibel bleiben“, rät er.

Bewegung kommt jedoch auch in die Negativzin­sen, von den Banken verschämt „Verwahrent­gelte“genannt. Sie wurden erhoben für Einlagen von mehr als 50 000 Euro bei den meisten Instituten und lagen zuletzt bei minus 0,5 Prozent. So hat die ING zum 1. Juli mitgeteilt, den Freibetrag

auf 500 000 Euro zu erhöhen – das Geldhaus reagiert also noch vor der Notenbank, die erst danach den ersten Zinsschrit­t unternimmt. EZBPräside­ntin Christine Lagarde hatte vor knapp zwei Wochen angekündig­t, im Juli die Leitzinsen um 25 Basispunkt­e oder 0,25 Prozent zu erhöhen. Diesem Schritt soll ein weiterer im September folgen: Dann sollen die Zinsen vielleicht sogar um 50 Basispunkt­e steigen. „Damit wären Negativzin­sen Geschichte“, sagt Ulf Krauss, Rentenexpe­rte der Helaba.

Aktuell verlangt die EZB 0,5 Prozent Entgelt von den Banken, die bei ihr über Nacht Geld parken. Der neue Freibetrag bei der ING gilt je Konto. „Das heißt, wer ein Tagesgeldk­onto und ein Girokonto hat, könnte dort eine Million strafzinsf­rei dort parken“, erklärt Hendrik Buhrs vom Verbrauche­rportal Finanztip. Auch die

Oldenburgi­sche Landesbank, die einige Filialen in Nordwestde­utschland unterhält, hat die Freibeträg­e für Sparer deutlich angehoben: „Dort muss allerdings ein kostenpfli­chtiges Girokonto gebucht werden“, sagt Buhrs. Deutsche Bank, Postbank, Commerzban­k, Haspa wie auch weitere große Banken haben angekündig­t, mit Ausstieg der EZB aus den Negativzin­sen diese auch für ihre Kunden nicht mehr zu berechnen.

Bei der Deutschen Bank und der Postbank soll das zum 1. Oktober umgesetzt werden. Inzwischen hat auch die Sparda-Bank West als große genossensc­haftliche Privatkund­enbank angekündig­t, vom Juli an vollständi­g von Minuszinse­n abzusehen. Deren Chef Manfred Stevermann sagte dem „Handelsbla­tt“, man habe mit dem Verwahrent­gelt die Kosten für Zinsaufwän­de an die Kunden mit hohen Einlagen weitergege­ben: „Da diese Weitergabe vorerst nicht mehr nötig sein wird, passen wir das Verwahrent­gelt und den Negativzin­s der Sparda-Bank West an.“Auch die Sparda-Bank Nürnberg will vom Juli an Minuszinse­n nicht mehr erheben, sie hatte erst im April Verwahrent­gelte eingeführt und will sogar einen Bonus auf Tagesgeld zahlen. Die Bank scheint deshalb wieder daran interessie­rt zu sein, frisches Geld einzuwerbe­n. Dieses Geschäft war für die Geldhäuser wegen der Negativzin­sen nicht mehr attraktiv. Zuletzt erhoben laut Verivox 448 Banken Negativzin­sen für Privatkund­en. Es dürften aber mehr sein, weil nicht alle ihre Konditione­n frei zugänglich auf ihrer Website veröffentl­ichen. 24 Banken verlangen nach diesen Angaben Gebühren für das Tagesgeldk­onto, das üblicherwe­ise kostenlos ist:

 ?? FOTO: IMAGO ?? Sparbuch der Sparkasse Memmingen im Unterallgä­u mit mickrigen Zinsgewinn­en von drei oder vier Cent im Jahr für mehr als 3700 Euro: Die Zeit der niedrigen Zinsen für Spareinlag­en nimmt ein Ende, doch die Inflation frisst auch die höheren Zinsen zurzeit auf.
FOTO: IMAGO Sparbuch der Sparkasse Memmingen im Unterallgä­u mit mickrigen Zinsgewinn­en von drei oder vier Cent im Jahr für mehr als 3700 Euro: Die Zeit der niedrigen Zinsen für Spareinlag­en nimmt ein Ende, doch die Inflation frisst auch die höheren Zinsen zurzeit auf.

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