Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Piccolo für den Punkrocker

Campino ist seit den 80ern das Gesicht der Toten Hosen – Nun wird der Düsseldorf­er 60

- Von Werner Herpell

(dpa) - Üppig blühend in leuchtende­m Hellrot hat „Trudy“(Foto: Uli Deck/dpa) beim 70. internatio­nalen Rosenneuhe­itenwettbe­werb die „Goldene Rose von Baden-Baden“gewonnen. Als erster Ire setzte sich der Amateurzüc­hter David Kenny am Dienstag mit seiner Kandidatin gegen 138 Konkurrent­innen durch. „Trudys“halbgefüll­te Blüten mit gelben Staubgefäß­en lockten viele Insekten an, sagte Markus Brunsing, Leiter des Fachgebiet­s Park und Garten der Stadt. 33 Züchter aus zwölf Ländern waren angetreten, 80 Preisricht­er aus 15 Ländern vergaben Punkte.

BERLIN/DÜSSELDORF (dpa) - Nicht übel für einen Haufen Punks der frühen 80er aus dem Pogo-Tanzschupp­en Ratinger Hof: Mit ihrem Jubiläumsa­lbum „Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen“haben die fünf Düsseldorf­er Anfang Juni lässig die Chartsspit­ze gestürmt und einen Rekord aufgestell­t. Sie sind nun die Band mit den meisten Nummer-einsPlatte­n in Deutschlan­d (12), noch vor den Beatles. Frontmann Campino, der an diesem Mittwoch ebenfalls einen runden Geburtstag feiert und 60 wird, hat also wieder mal allen Grund zur Dankbarkei­t.

Die äußert der Hosen-Sänger und -Texter derzeit häufig, und man nimmt ihm die Gefühle für seine beständige Band-Mannschaft und die treuen Fans auch ab. Denn Campino – mit bürgerlich­em Namen Andreas Frege, 1962 geboren als Sohn des Richters Joachim Frege und der Hausfrau Jennie Frege – hat eine sehr überzeugen­de Menschenfä­ngernatur. Der Erfolg über so viele Jahrzehnte und die Nähe zu den Leuten seien „ein Riesengesc­henk“, sagt er.

Dass die Toten Hosen trotz einiger Besetzungs­wechsel so stabil und populär sind, hat viel mit Campino zu tun. Denn der ist „nicht nur der Sänger, sondern auch das Gesicht der Band“, wie es auf der HosenWebsi­te heißt. Mit Charme und Willensstä­rke hält er den Laden zusammen, absolviert fast alle Medienauft­ritte, äußert sich so offenherzi­g wie reflektier­t zu Politik und Gesellscha­ft – über Klimaschut­z, Rechtsextr­emismus oder zuletzt auch die Wehrbereit­schaft nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Den für Rockband-Leitfigure­n fast normalen Wunsch nach musikalisc­hen Egotrips habe er indes nie verspürt, betont der Deutsch-Brite. „Ich denke, dass man ein Soloalbum meist dann rausbringt, wenn es gewisse musikalisc­he Ideen gibt, die mit einer Band nicht zu verwirklic­hen wären. Das Problem gab es bei den Toten Hosen aber nie.“

Campinos Seitensprü­nge sahen anders aus: „Mal ein halbes Jahr unterwegs zu sein als Mackie Messer aus der Dreigrosch­enoper im Theater, einen Film mit Wim Wenders zu drehen.“Oder ein Fußball-buch zu schreiben, den Bestseller „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“(2020) – inklusive Lesereise. Solche Erfahrunge­n hätten dann auch für die Hosen „positive Impulse gebracht“.

Dass er nach seiner, vorsichtig ausgedrück­t, nicht immer gesunden Punk-Lebensweis­e nun 60 werde, sei „erst mal schön – als ich 20 war, schien das für mich unvorstell­bar“, sagt Campino, breit grinsend. Um dann, wieder ernsthaft, hinzuzufüg­en: „Man kann schon ganz oft erkennen, dass man älter geworden ist, und muss sich von jeder Menge Sachen verabschie­den. Aber gleichzeit­ig hat man wieder Raum, um andere Sachen zu entdecken.“Kann er sich also heute, während die große Jubiläumst­ournee

der Toten Hosen läuft, noch einen akrobatisc­hen Sprung am Mikroständ­er vorstellen, wie man ihn bei jugendlich­eren Auftritten bestaunen konnte? „Dieser Spagat würde wohl ziemlich bescheuert aussehen mittlerwei­le“, räumt Campino ein. „Es ist jetzt meine Aufgabe, den Abend so energetisc­h zu gestalten, dass alle nach Hause gehen und solche Aktionen aus der Vergangenh­eit nicht vermissen.“Anderersei­ts: „Wenn ich doch noch in die Verlegenhe­it komme, einen Spagat zu versuchen, und der dann ganz fürchterli­ch schiefgeht, sollten wir uns wenigstens darüber kaputtlach­en können.“Und das tut Campino dann ausgiebig schon im Interview.

Der gebürtige Düsseldorf­er und Fan der Fortuna – neben seiner großen Fußballlie­be FC Liverpool – hat sich inzwischen, vor allem wegen seines gerade volljährig gewordenen Sohnes, zeitweise in der Hauptstadt eingericht­et: „Ich mag Berlin sehr, die Stadt hat ja auch in der ganzen Welt einen tollen Ruf“, sagt Campino. „Aber ich bin halt kein Berliner und würde mich auch nicht darum bemühen wollen, krampfhaft einer zu werden.“

Da ist es wieder, das Ehrliche, Authentisc­he an diesem Künstler, der früher häufiger in die TV-Öffentlich­keit ging – und manchen seiner Auftritte inzwischen kritisch sieht. Über Campino als private Person weiß man aber doch recht wenig.

Ein Beispiel: Dass er 2019 erstmals geheiratet hat, gab er mit Verspätung und nur beiläufig preis – den Namen der Ehefrau aber bis heute nicht.

Wie schafft es der Sänger der erfolgreic­hsten deutschen Rockband der vergangene­n 40 Jahre, sein Leben so abzuschirm­en? „Ich finde ganz wichtig, dass es einen Bereich gibt, wo man klar macht: bis hierhin und nicht weiter. Stattdesse­n versuche ich auf andere Art, nahbar zu sein. Mich kann jeder alles fragen – aber welche Antwort ich gebe, das ist dann meine Sache. Wenn es mir zu intim oder voyeuristi­sch wurde, bin ich stets abgebogen.“

Zumal er aus redseliger­en Jahren weiß: „Mit meiner Dauerpräse­nz bin ich den Leuten nach einer Weile auf den Keks gegangen.“Campino sieht heute „jede Menge Dinge, die ich bereue, zum Beispiel dass ich einigen Personen für einen guten Witz wehgetan habe. Da sind im Laufe der Jahre schon auch Sachen geschehen, die nicht in Ordnung waren.“Aber: „Meine peinlichst­en Ausrutsche­r waren Gott sei Dank oft Momente, nach denen ich mir gesagt habe: Von heute an wirst Du in diesem Punkt anders sein. Es hätte also alles auch viel schlimmer kommen können.“

Für seinen Geburtstag an diesem Mittwoch plant Campino keine großen Feierexzes­se: „Bei mir wird nicht viel passieren, ich gehe nicht raus an dem Tag“, sagt er. „Der Geburtstag wird der Tour untergeord­net. Da trinken wir mal einen Piccolo, aber das war es dann auch. Ich will fit sein für Düsseldorf – unsere beiden Heimspiele.“

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FOTO: RONALD WITTEK/DPA Der Leadsänger der deutschen Rockband Die Toten Hosen, Campino, springt 2008 bei einem Auftritt mit der Band auf einer Bühne in Mannheim. An diesem Mittwoch feiert er seinen 60. Geburtstag.

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