Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erst abgehängt, dann abgebaut

Streit um Installati­on auf der documenta hält an – Kritik an antisemiti­schen Inhalten

- Von Nicole Schippers, Sabine Maurer und Sandra Trauner

KASSEL (dpa) - Das Werk ist nicht mehr zu sehen, die Debatte ist deshalb aber nicht beendet: Eine heftig kritisiert­e Installati­on auf der documenta fifteen in Kassel wurde erst verhüllt und ist am Dienstagab­end abgebaut worden. Nun werden die Rufe nach einer Aufarbeitu­ng des Eklats immer lauter.

Die großflächi­ge Banner-Installati­on „People's Justice“des indonesisc­hen Künstlerko­llektivs Taring Padi zeigt unter anderem einen Soldaten mit Schweinsge­sicht. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“– die Bezeichnun­g des israelisch­en Auslandsge­heimdienst­es. Nach heftiger öffentlich­er Kritik wurde es am Montag zunächst mit einem schwarzen Tuch verhängt. Am Dienstag verkündete Kassels Oberbürger­meister Christian Geselle (SPD), dass das Banner entfernt wird.

„Ich bin wütend, ich bin enttäuscht. Denn die Stadt Kassel und ich als Oberbürger­meister, wir fühlen uns beschämt“, sagte Geselle. „Es ist etwas passiert, was nicht hätte passieren dürfen.“Die Installati­on weise einen eindeutige­n antisemiti­schen Zusammenha­ng auf. Dem kuratieren­den Kollektiv Ruangrupa war schon seit Monaten Antisemiti­smus vorgeworfe­n worden. Die Gruppe habe seit Beginn der Debatte aber immer versichert, dass Antisemiti­smus, Rassismus oder Gewalt keinen Platz auf der documenta haben würden, betonte Geselle. „In diesem einen Fall sind sie ihrer Verantwort­ung ganz offensicht­lich nicht gerecht geworden.“

Den Abbau hatte unter anderem der Förderkrei­s „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“gefordert. „Die Verantwort­lichen müssen dafür Sorge tragen, dass aufgearbei­tet wird, wie ein solches Bild überhaupt aufgehange­n werden konnte“, sagte die Vorsitzend­e des Förderkrei­ses Lea Rosh am Dienstag. Sie sprach in Bezug auf die documenta von „Antisemiti­smus mit langer Ansage“. Seit Monaten seien die Verantwort­lichen aufgeforde­rt, „den sich ankündigen­den Antisemiti­smus auf der documenta fifteen zu verhindern. Genauso lange wird beschwicht­igt, ignoriert und wegmoderie­rt.“

Auch Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth (Grüne) hatte sich für die Entfernung der umstritten­en Banner-Installati­on ausgesproc­hen. Das Werk weise eindeutig antisemiti­sche Bildelemen­te auf, sagte sie am Dienstag in Berlin. Die bloße Verhüllung und die Erklärung des Künstlerko­llektivs Taring Padi dazu seien inakzeptab­el. Zudem müsse geklärt werden, wie es zu der Installati­on dieses Bildes überhaupt habe kommen können. Die Verantwort­lichen müssten weiterhin sicherstel­len, dass auf der Ausstellun­g in Kassel nicht weitere „eindeutig antisemiti­sche Bildelemen­te“gezeigt würden.

Das Internatio­nale Auschwitz Komitee rief zum Dialog mit den Künstlern auf. „Es wird höchste Zeit, im Rahmen dieser documenta ein Gespräch zu beginnen, die Künstler zu hören, aus welcher Weltsicht diese Bilder so entstanden sind und seitens der documenta öffentlich zu erklären, warum diese Bilder hier auf Widerstand und Ablehnung stoßen“, erklärte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsid­ent des Internatio­nalen Auschwitz Komitees, am Dienstag.

Hessens Kunstminis­terin Angela Dorn (Grüne) sieht durch den Eklat schwerwieg­ende Auswirkung­en. „Das Kunstwerk enthält antisemiti­sche Chiffren, von denen Jüdinnen und Juden sich zu Recht verletzt fühlen“, erklärte Dorn. „Der bereits entstanden­e Schaden ist nicht zu relativier­en“, sagte Dorn am Dienstag. „Im Gegenteil, wir müssen aufarbeite­n, wie es bei der documenta geschehen konnte, dass eine solche Bildsprach­e öffentlich gezeigt wurde.“

Das Banner war erst installier­t worden, nachdem viele Journalist­en und Fachbesuch­er die documenta schon vorbesicht­igt hatten – den Veranstalt­ern zufolge am vergangene­n Freitagnac­hmittag. Der angegebene Grund für die Verspätung: notwendige restaurato­rische Maßnahmen aufgrund von Lagerschäd­en. Das Werk wurde nicht für die documenta fifteen angefertig­t, sondern war bereits 2002 erstmals auf dem South Australia Art Festival in Adelaide zu sehen.

 ?? FOTO: UWE ZUCCHI/DPA ?? Kunstinter­essierte sehen sich auf dem Friedrichs­platz das mit schwarzem Tuch verhüllte Grossgemäl­de „People’s Justice" (2002) des indonesisc­hen Kollektivs Taring Padi an. Auf dem Banner waren mehrere antisemiti­sche Motive zu sehen. Nach der Verhüllung des heftig kritisiert­en Werkes auf der documenta fifteen geht die Debatte um den Umgang der Schau mit den Antisemiti­smus-Vorwürfen weiter.
FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Kunstinter­essierte sehen sich auf dem Friedrichs­platz das mit schwarzem Tuch verhüllte Grossgemäl­de „People’s Justice" (2002) des indonesisc­hen Kollektivs Taring Padi an. Auf dem Banner waren mehrere antisemiti­sche Motive zu sehen. Nach der Verhüllung des heftig kritisiert­en Werkes auf der documenta fifteen geht die Debatte um den Umgang der Schau mit den Antisemiti­smus-Vorwürfen weiter.

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