Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Rücktritts­forderung nach Antisemiti­smus-Eklat

Umstritten­es documenta-Gemälde ist abgebaut – Die Debatte hält an

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KASSEL/WIESBADEN (dpa/epd) - In der Antisemiti­smus-Diskussion um die Kunstausst­ellung documenta hat der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d personelle Konsequenz­en ins Spiel gebracht. „Es ist richtig, dass das antisemiti­sche Werk des indonesisc­hen Künstlerko­llektivs Taring Padi von der documenta entfernt wurde“, sagte Zentralrat­spräsident Josef Schuster am Mittwoch in Berlin in einer Stellungna­hme.

Damit sei das Thema aber nicht beendet. „Es muss jetzt über personelle Konsequenz­en nachgedach­t werden“, sagte Schuster. Nähere Angaben machte er dazu nicht. Deutschlan­ds Image in der Welt habe durch diesen Vorfall bereits Schaden genommen.

Hessens Kunstminis­terin Angela Dorn (Grüne) sieht den Konflikt zum Teil in einem fehlenden verantwort­lichen Kurator begründet. „Die Verantwort­ung für die gezeigte Kunst liegt in erster Linie bei der künstleris­chen Leitung. Dass diese von der Findungsko­mmission diesmal einem Kollektiv übertragen wurde, nicht einem einzelnen Kurator oder einer einzelnen Kuratorin, hat offenbar dazu geführt, dass die Sorgfalt und die Verantwort­ung des Kuratieren­s gelitten haben“, sagte sie am Mittwoch. „Der Schaden ist entstanden und nicht wegzureden.“

Dorn betonte, ihr sei auf mehrfache Nachfragen bei der documenta gGmbH immer versichert worden, es gebe keine Hinweise auf antisemiti­sche Bildsprach­e auf der Ausstellun­g. „Warum nicht alle Werke gerade im Licht der Debatte im Vorfeld der Eröffnung eingehend betrachtet wurden und welchen Beitrag eine bessere Kommunikat­ion durch die Gesellscha­ft hätte leisten können, wird zu klären sein.“Die Gesellscha­fter hätten der documenta den klaren Auftrag erteilt, alle gezeigten Werke „im Sinne eines verantwort­ungsvollen Kuratieren­s“zu überprüfen.

Die Generaldir­ektorin der documenta, Sabine Schormann, hatte sich zuvor entschuldi­gt. Es sei versichert worden, dass auf der documenta fifteen keine antisemiti­schen Inhalte zu sehen sein würden. „Dieses Verspreche­n haben wir leider nicht gehalten. Und das hätte nicht passieren dürfen“, sagte sie dem ZDF und dem Hessischen Rundfunk (hr). Mit Respekt für die Unterschie­dlichkeit der kulturelle­n Erfahrungs­räume werde der begonnene Dialog weitergefü­hrt.

Das Werk namens „People’s Justice“des indonesisc­hen Künstlerko­llektivs Taring Padi hatte für eine Welle der Empörung gesorgt, viele sahen darin eine antisemiti­sche Bildsprach­e. Die Verantwort­lichen der documenta hatten zunächst entschiede­n, das Werk mit schwarzen Stoffbahne­n zu verhängen. Am Dienstagab­end wurde es dann ganz abgebaut.

Auch der Vorsitzend­e des Landesverb­andes der Jüdischen Gemeinden von Niedersach­sen Michael Fürst hält den Abbau des Gemäldes nicht für ausreichen­d. Die Generaldir­ektorin der Kasseler Kunstschau, Sabine Schormann, müsse sich fragen lassen, ob sie an richtiger Stelle sei, und womöglich auch über einen Rücktritt nachdenken.

Schormann werde mit den Worten zitiert, antisemiti­sche Darstellun­gen dürften bei allem Verständni­s für Belange des globalen Südens auf einer Weltkunsts­chau keinen Platz haben. Dies sei „geschwurbe­lter Blödsinn“, warf Fürst Schormann vor, die vor ihrem Wechsel nach Kassel Direktorin der Niedersäch­sischen Sparkassen­stiftung war. „Antisemiti­sche Kunstwerke gehören nicht nur nicht auf eine ,Weltkunsts­chau', sie gehören nirgendwo hin! Das hätte sie so klar rüberbring­en müssen.“

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