Ulmer Publikum feiert das Dreigestirn der Dirigenten
Drei Dirigentengenerationen bei Konzert zum 100-jährigen Bestehen des Philharmonischen Orchesters
ULM - Das kommt nie wieder: Drei Dirigenten der Ulmer Philharmoniker an einem Abend und auf einer Bühne. Das Festkonzert zum 100-jährigen Bestehen des Philharmonischen Orchesters der Stadt machte nicht nur diese ungewöhnliche Konstellation möglich, sondern bot auch reichlich Anlass, über die Qualitäten dieses Klangkörpers nachzudenken, der mit Werken von Tschaikowsky und Mahler glänzte.
Doch zuvor ein Blick in die Geschichte des Orchesters, das seine Entstehung dem Militärstandort Ulm zu verdanken hat. Nach Auflösung der aktiven Einheiten infolge des Ersten Weltkriegs wurde das Zivilorchester ins Leben gerufen – es bot jenen, die bis dahin in den Regimentskapellen gespielt hatten, ein neues Forum. Das war 1919. Seit 1920 gehören Theater und Orchester fest zusammen, und man sah viele Dirigenten kommen und gehen. Herbert von Karajan etwa, der, so will es die Geschichte, nicht so beliebt war, wie die Legenden es gern berichten. Oder Alicia Mounk, die von 1991 an dem zeitgenössischen Musiktheater seinen überregional viel beachteten Platz in Ulm verschaffte, was nicht ohne Widerstände abging.
Ab 1994 leitete James Allen Gähres als Generalmusikdirektor (GMD) das Orchester – und mit ihm gab es ein Wiedersehen an diesem Festabend. Seine Programme in Ulm sind unvergessen, und sein energetisches Dirigat des ersten Satzes von Pjotr Tschaikowskys „Manfred“-Symphonie op. 58 erinnerte an die Tage, als Gähres dem Ulmer Publikum die Begegnung mit großen Werken der Musik zur lieben Gewohnheit machte.
Der Tod des Freundes Iossif Kotek ließ Tschaikowsky auf Basis des „Manfred“von Lord Byron ein dunkel glimmendes Werk schaffen, das die innere Zerrissenheit des Komponisten zu jener Zeit ablesbar macht. Das Werk fiel bei der Kritik durch, doch es zeigt eben jene zwischen
Traurigkeit, Melancholie und Lyrizismus oszillierende Meisterschaft des Russen, für die er berühmt wurde. Gähres digirierte das ZerklüftetEpisodenhafte des ersten Satzes mit kraftvoller Farbigkeit und erntete hierfür tosenden Applaus. Hörbare Wiedersehensfreude.
Es war die Idee des aktuellen GMD Felix Bender, seine Vorgänger, James Allen Gähres und Timo Handschuh, mitzuverpflichten. Ein kluger Schachzug, der beim Publikum bestens ankam. Aber möglicherweise auch die geistreiche Aufteilung der fordernden Probenarbeit an der 60minütigen ersten Symphonie „Titan“von Gustav Mahler, die einen äußersten Kraftaufwand in Einstudierung und Aufführung darstellt.
Die ersten beiden Sätze lagen in Handschuhs Verantwortung, der eine fabelhaft dynamische, transparente Erfahrung des bekannten Werkes bot. Vorzüglich die Kontraste zwischen Streichern und Bläsern.
Zwischen dem zweiten und dem dritten Satz sieht Mahler eine Pause vor – hier wechselten die Dirigenten, Felix Bender übernahm den dritten und finalen Satz. Ersterer ein Amalgam aus ethnischen Melodieeinschlägen etwa aus dem Jüdischen, Trauermotiven und blaskapellenartigen Einsprengseln, die das allzu Getragene jäh auflösen. Das Finale schließlich eine lange und in der Umsetzung ausgezeichnet vorbereitete Hinführung in den „stürmisch bewegten“Schlussmoment. Ein hochkomplexes, in Stimmungen und Tempi erstaunlich ans Dissonante grenzendes Klanggewebe, das mit einer bravourösen Leistung der Bläsersektion glänzte. Ein fabelhaftes Finale, dem das Miteinander dreier Dirigenten in der Verbeugung folgte. Da hielt es das Publikum nicht auf den Sitzen. Zu Recht: Jeder dieser Dirigenten verlangte dem Orchester höchste Leistungen ab und machte es zu dem, was es heute ist: ein beeindruckender Klangkörper, auf den, wie es OB Gunter Czisch ausdrückte, die Stadt stolz sein könne.