Energiewende ohne Wasserkraft?
Habecks „Osterpaket“setzt auf Wind und Sonne – Das kritisiert CDU-Politiker Haser
STUTTGART - Der grün-schwarzen Koalition droht Ungemach. Im äußersten Fall könnte das dazu führen, dass sich Deutschlands einziges grün-geführtes Bundesland gegen das Osterpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum massiven Ausbau erneuerbarer Energien stemmt. In seiner bisherigen Form sei das Gesetzespaket aus baden-württembergischer Sicht inakzeptabel, sagt Raimund Haser. Der Sprecher für Naturschutz und Energiepolitik der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag fordert Nachbesserungen.
Unabhängigkeit von russischem Gas und Öl als Ziel, ein beschlossenes Ende der Atomkraft zum Jahreswechsel: Die Energieversorgung in Deutschland befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Vor allem Windräder und Photovoltaikanlagen sollen nach Habecks Plänen in Zukunft die Lücken in der Energieversorgung schließen. In einem Gesetzespaket, das er um Ostern vorgelegt hat und entsprechend „Osterpaket“nennt, legt er auf den Ausbau dieser Energiequellen das größte Augenmerk.
Dabei vernachlässigt Habeck aus Sicht von Haser genau die erneuerbaren Energiequellen, die für BadenWürttemberg besonders spezifisch sind: Wasserkraft und Energie aus Biogasanlagen. „Es gibt einige Punkte im Osterpaket, die aus Landessicht problematisch sind – egal welcher Farbe man angehört“, also welcher Partei, erklärt Haser. Als besonders wichtig bezeichnet er den Bau von Stromtrassen vom windreichen Norden der Republik in den Süden, der privilegiert werden müsse. Hierfür brauche es beschleunigte Verfahren.
Extrem kritisch sieht Haser zudem, dass die Förderung von kleinen Wasserkraftanlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) künftig wegfallen soll – „aus ökologischen Gründen“, wie es im Gesetzentwurf heißt. Betroffen wären alle Anlagen mit weniger als 500 Kilowatt Leistung. Laut Südwest-Umweltministerium fallen allein in Baden-Württemberg 1473 der insgesamt 1800 Anlagen darunter.
Die Folge: Für die Betreiber kleiner Wasserkraftanlagen lohnt es sich dann nicht mehr, in die Modernisierung ihrer Wehre zu investieren. „Dass wir unsere alten Wehre nicht ertüchtigen und mit neuen Anlagen bestücken können, sehe ich nicht nur aus energetischer und Stabilitätssicht als Problem“, sagt Haser. „Das kann auch dazu führen, dass die Umsetzung
der EU-Wasserrahmenrichtlinie konterkariert wird.“Diese sieht vor, dass die Flüsse vor allem für Fische durchlässiger werden müssen. Wenn Anlagenbetreiber ihre Wehre modernisieren wollen, bekommen sie in der Regel von den Behörden die Auflage, die Durchlässigkeit zu verbessern – etwa durch Fischtreppen. „Wenn ich die garantierte EEGVergütung herausnehme, sagt der Investor, dann lasse ich die Anlage einfach weiterlaufen. Mit dem Effekt, dass wir auf einen höheren Stromertrag verzichten und die Wasserrahmenrichtlinie nur umgesetzt werden kann, wenn der Staat das selbst bezahlt“, erklärt Haser. Dank der Topografie sei in Baden-Württemberg neben Bayern das Potenzial für Wasserkraft so groß wie nirgends sonst in der Republik.
Zudem stört sich Haser daran, dass Biogasanlagen in Habecks Osterpaket keine Rolle spielten. „Wenn man sich klar macht, dass Biogas in Baden-Württemberg unter den Erneuerbaren die bedeutendste Energiequelle ist, ist das sehr verwunderlich“, sagt er. In einer ersten Abschätzung für das Jahr 2021 erklärte das Umweltministerium im April, dass Energie aus Biogasanlagen mit mehr als 28 Prozent den Löwenanteil unter den Erneuerbaren ausmachten.
„Baden-Württembergs Interessen werden hier nicht wahrgenommen“, bilanziert Haser. Die Regelungen gerade zur Wasserkraft bezeichnet er als inakzeptabel. Haser fordert: „Es muss eine Diskussion auf Koalitionsebene geben“, vor allem mit Blick auf die Behandlung des Osterpakets im Bundesrat. Anfang Juli soll das Gesetzespaket Bundestag und Bundesrat passieren.
Mit seiner Kritik ist Haser nicht allein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in einem Antrag zum Osterpaket gut zwei Dutzend Verbesserungswünsche formuliert. Sie wirft Habeck vor, sich zu sehr auf Wind- und Sonnenenergie zu beschränken und andere Potenziale nicht zu heben – etwa die Energie aus Biogasanlagen, aus Geothermie und eben aus der Wasserkraft.
Dass sich Baden-Württemberg im Bundesrat tatsächlich gegen das Osterpaket ausspricht, scheint aber unwahrscheinlich. Das Land muss nicht explizit zustimmen, es ist ein sogenanntes Einspruchsgesetz. Nur wenn etliche Länder das Paket aktiv ablehnten, könnten sie es blockieren.
Selbst wenn sie sich nur enthielten, würde es die Länderkammer passieren. Aber auch davon geht das grüngeführte Umweltministerium im Südwesten nicht aus. „Wir können bei diesem Thema innerhalb der Landesregierung keinen Streit erkennen“, erklärt ein Sprecher von Ministerin Thekla Walker. „Im Gegenteil: Die Haltung zum Paket ist im Kabinett übereinstimmend.“
Die stellvertretende Regierungssprecherin Nadia El Almi bestätigt dies für die CDU-Seite. Jedes Land habe andere Potenziale beim Ausbau der erneuerbaren Energien, die es zu heben gelte, erklärt sie. „In diesem Sinne haben wir uns als Land beim Bund dafür stark gemacht, dass etwa die Wasserkraft auch künftig gefördert wird.“
Wie Haser spricht auch sie von einer langen Tradition und einem großen Potenzial dieser Energiequelle. „Leider gab es dafür im weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheit“, betont sie. „Wir werden uns aber weiter dafür einsetzen, dass wir alle Potenziale bei den erneuerbaren heben und einen intelligenten, maßgeschneiderten Energiemix aus Erneuerbaren ausbauen. Nur so kommen wir beim Klimaschutz voran.“