Bund zeigt Verständnis für Pläne des Flughafens Zürich
In Kloten starten und landen wieder mehr Flugzeuge – Das befeuert die Debatte über Lärmbelastung am Hochrhein
RAVENSBURG - Mit dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen und dem Beginn der Feriensaison flammt in Südbaden ein jahrzehntealter Streit wieder auf: Die Region am Hochrhein fühlt sich durch die Anund Abflüge zum und vom Flughafen Zürich übermäßig belastet. Die CDU wirft der Bundesregierung vor, deutsche Interessen zu vernachlässigen.
Anlass für die Kritik ist die Antwort von Verkehrs-Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) auf eine Anfrage der Südbadener CDU-Bundestagsabgeordneten Felix Schreiner aus Waldshut, Andreas Jung aus Konstanz und Thorsten Frei aus Donaueschingen. Die drei CDU-Abgeordneten wollten unter anderem wissen, wie die Bundesregierung die Belastung der Menschen in Südbaden einschätzt, wie sie zu den Schweizer Plänen über eine Änderung der Anflugrouten steht und ob sie in der Sache selbst aktiv wird. Die Antworten halten die Christdemokraten für „unzureichend und besorgniserregend“, sagte Schreiner der „Schwäbischen Zeitung“am Donnerstag.
Konkret geht es um das sogenannte Ost-Entflechtungskonzept des Flughafens Zürich-Kloten, das mehr Flüge über Südbaden – und damit mehr Lärm – zur Folge hätte. Aus Sicht der Flughafen Zürich AG ist es aus Gründen der Sicherheit notwendig. Allerdings hatten frühere deutsche Bundesregierungen ihre Zustimmung verweigert, weswegen zunächst nur Teile des Konzepts umgesetzt werden sollten, die Deutschland nicht betreffen.
Die Pläne sind aber auch in der Schweiz nicht unumstritten; Kommunen nördlich von Zürich sind genauso dadurch belastet wie die deutschen Nachbarn. Im vergangenen Herbst hatte das Schweizer Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren auch jenen Teil des Konzepts für teilweise ungültig erklärt, dem deutsche Behörden nicht zustimmen müssen. Die deutschen Landkreise Konstanz, Schwarzwald-Baar und Waldshut sowie die besonders betroffene Gemeinde Hohentengen am Hochrhein (Landkreis Waldshut), die an dem Verfahren beteiligt waren, werteten das Urteil als „unerwarteten Erfolg“– es war das erste Mal, dass ein Schweizer Gericht den Argumenten der deutschen und schweizerischen Anwohner nördlich des Zürcher Flughafens in diesem Umfang gefolgt ist.
Unabhängig davon schreibt nun FDP-Mann Luksic an die drei CDUAbgeordneten, auf deutscher Seite habe das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung keine Einwände gegen das Schweizer Konzept und auch die lärmfachliche Analyse des Umweltbundesamtes stehe einer Zustimmung nicht entgegen. In Gesprächen mit der Schweiz „versucht die Bundesregierung weiterhin neue Ansätze für einen konstruktiven Lösungsweg zu finden“, schreibt Luksic weiter. Verhandlungen über einen entsprechenden Staatsvertrag mit der Schweiz, die schon in der Vergangenheit gescheitert waren, seien derzeit aber nicht geplant.
Der Waldshuter CDU-Politiker Schreiner bezeichnet das als „schweren Rückschritt“: „Um es klar zu sagen: Nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage scheint die Unterstützung der Bundesregierung zur Durchsetzung deutscher Interessen auf der Kippe zu stehen.“
Die SPD-Abgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter, die ebenfalls Waldshut im Bundestag vertritt, will die Kritik so nicht stehen lassen. Sie verweist darauf, dass CDU/CSU zwölf Jahre Verantwortung im Bundesverkehrsministerium getragen haben, ohne zu einem Ergebnis im Fluglärmstreit zu kommen. Sie erwarte nun, dass das Bundesverkehrsministerium einen „konstruktiven Dialog“mit den Schweizern in Gang bringe – mit einer besseren Beteiligung der örtlichen Politik und Bevölkerung als bisher. „Da steht deshalb auch nichts auf der Kippe“, betont SchwarzelührSutter. „Im Gegenteil, es kommt bereits ein halbes Jahr nach dem Regierungswechsel etwas in Bewegung“,
Für 2022 prognostiziert die Luftsicherheitsorganisation Eurocontrol bis Jahresende 103 900 Anflüge auf Zürich und 27 600 Abflüge ab Zürich über deutschem Luftraum. Damit erreicht der Flugverkehr 89 Prozent des Umfangs im Vergleich zum letzten Vor-Corona-Jahr 2019.