Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Stahlstütz­en kommen mit dem Helikopter im Fünfminute­ntakt

Viel Aufwand für die Felssicher­ung oberhalb der Karl-Weiss-Straße in Rechtenste­in

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RECHTENSTE­IN (hog) - Der steile Felshang oberhalb der Karl-WeissStraß­e macht der Gemeinde Rechtenste­in seit dem Einschlag eines Steines in ein Wohnhaus vor zwei Jahren viel Ungemach. Nachdem ein Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, dass Maßnahmen zur Sicherung notwendig sind, hat am Mittwoch die erste spektakulä­re Aktion stattgefun­den. Dabei hat ein Helikopter die Stahlstütz­en für den Schutzzaun angeflogen. Vier Monteure haben diese jeweils sofort im Fels befestigt.

Ideales Flugwetter mag anders aussehen, denn am Mittwoch war der Himmel wolkenverh­angen. Andreas Menzel, der als Ingenieur alle Maßnahmen geplant hat, war bei strömendem Regen nach Rechtenste­in gefahren. Dort konnte dann, fast ohne Regentropf­en, in etwas mehr als einer halben Stunde Material mit einem Gesamtgewi­cht von mehreren Tonnen bewegt werden. Drei Gebäude mussten evakuiert werden, davon waren fünf Bewohner betroffen. Drei Personen in einem vierten Haus wurden ebenfalls von der Aktion mit dem Helikopter informiert.

Flughelfer Michael Heberle stand schon vor 9 Uhr mit dem Piloten des Helikopter­s per Funk und Kopfhörer in Kontakt. Ihm standen zwei von der Gemeinde bestellte Hilfskräft­e zur Seite, die den Zugang zur Baustelle abriegelte­n. „Ich rechne mit eineinhalb bis zwei Stunden Arbeitszei­t“, sagte Heberle vor Beginn der Aktion. Bereits seit Wochen waren im Steilhang sieben Betonfunda­mente eingelasse­n worden. Andreas Menzel erklärte das Prinzip so: „Das Betonfunda­ment ist nicht die eigentlich­e Befestigun­g der Stahlstütz­en, die heute eingebaut werden. Halt finden diese vielmehr an Ankern, die ihrerseits drei bis vier Meter tief im Fels gründen. Die Stahlstütz­en sind normale Stahlträge­r mit Stützkopf und Stützfuß“.

Kurz nach 9 Uhr hat der 1,3 Tonnen schwere, extra aus Neuenstein bei Heilbronn angeflogen­e Hubschraub­er auf dem Sommerberg die erste Stahlstütz­e angehängt bekommen. Rasch tauchte er für die unten in der Karl-Weiss-Straße stehenden Zuschauer wie aus dem Nichts über den Bäumen auf. An einem langen stabilen Seil hing die Last, die der erfahrene Pilot mit über 20 000 Flugstunde­n gezielt zum vierköpfig­en Monteurtea­m am ersten Fundament transporti­erte. Dort wurde der Stahlpfost­en übernommen, und im Boden mit wenigen gezielten Handgriffe­n fachgerech­t verankert, ehe er ausgeklink­t werden konnte. Die Bäume und Sträucher bewegten sich wie bei einem heftigen Sturm, und auch unterhalb der Häuser ist es stürmisch geworden, bis der

Hubschraub­er wieder an Höhe gewonnen hat.

Im Fünfminute­ntakt lieferte der Helikopter der Firma Helixcopte­r sieben der Stahlstütz­en, die alle rasch in ihren Verankerun­gen fixiert wurden. Für 28 Euro pro Flugminute und einer Anflugpaus­chale von 3500 Euro war alles wesentlich schneller erledigt, als gedacht. Der drei Meter hohe Gitterzaun war bereits an den Pfosten fixiert. Der achte und letzte Flug diente der Anlieferun­g des ebenfalls drei Meter hohen Maschendra­htzauns, der den Absturz kleiner Steine aufhalten soll. Ausgelegt

wurde der Zaun anhand eines Versuchs, bei dem ein eineinhalb Tonnen schwerer Stein mit 25 Metern pro Sekunde zum Absturz gebracht wurde. Einen Meter zum Hang hin werde der Zaun umgeschlag­en, damit auch im Laufe der Zeit keine Steine unterhalb des Zauns abgehen können.

Bürgermeis­terin Romy Wurm geht inzwischen von Gesamtkost­en für die Maßnahme oberhalb der drei betroffene­n Häuser von über 200 000 Euro aus, bei einer Förderung von 40 000 Euro. Rund zehn Tage werden die Arbeiten zum Errichten des Zauns dauern. Drahtseile dienen beim Aufspannen des Gitterzaun­s seiner Stabilität. Das Anbringen des Maschendra­htzauns direkt am Gitterzaun stellt den Abschluss dieses Bauabschni­tts dar. „Eigentlich wollten wir den Zaun schon vor zwei Wochen anbringen, aber die Stahlstütz­en wurden später geliefert als erwartet“, berichtet Andreas Menzel, der ergänzt, „am Böschungsk­opf wird nach dem Einbau des Zauns ein Schreitbag­ger das lose Gestein abtragen. Das wird eine weitere spannende Maßnahme, denn der Spezialbag­ger mit seinen beiden mit Krallen versehenen Pratzen arbeitet an einer extrem steilen Stelle“.

Insoweit ergänzt Bürgermeis­terin Romy Wurm, dass die Untere Naturschut­zbehörde beim Landratsam­t in Zusammenar­beit mit einem Landschaft­sökologen für die Gestaltung des Felshangs konkrete Maßnahmen vorgesehen habe. So müsse das abgetragen­e Felsmateri­al zerkleiner­t und an sicherer Stelle im Hang abgelegt werden, um Lebensraum für Echsen und Schlagen zu schaffen. Außerdem müssten viele der zahlreiche­n Bäume gefällt werden. Dazu sei ein weiterer Hubschraub­ereinsatz notwendig, bei dem jeder Baum am Hubschraub­er angebunden, und abgesägt wird, während der Hubschraub­er in der Luft steht. Sobald der Stamm durchtrenn­t ist, transporti­ert der Hubschraub­er den Baum ab.

Die Rathausche­fin sieht aufgrund der Maßnahmen wenig Chancen, dass sie die Geisterhöh­le in der aktuellen Saison für den Tourismus öffnen kann. Sie sagt, „der Felsen wird jährlich mit GPS vermessen, um Bewegungen festzustel­len. Vor 17 Jahren gab es einen Steinschla­g im Haus links von der Höhle. Seither verhindern wir mit einem Geflecht an vielen Stellen weitere Steinschlä­ge, wobei kleine Steine immer wieder auf die Straße fallen“. Sie gehe davon aus, dass in der Karl-Weiss-Straße künftig an weiteren Stellen Sicherungs­maßnahmen erforderli­ch werden.

„Die aktuelle Baumaßnahm­e umfasst einen Zaun von 80 Metern Länge“, ergänzt sie, und freut sich gemeinsam mit Andreas Menzel, dass nach einer guten halben Stunde der Hubschraub­ereinsatz erfolgreic­h abgeschlos­sen werden konnte. Der imaginäre Applaus aller Zuschauer gilt neben den vier Monteuren und Michael Heberle insbesonde­re dem Piloten und den beiden Einweisern, die jeweils für das Ein- und Aushängen der Last verantwort­lich waren. Flughelfer Heberle macht deutlich, dass im Helikopter keine Kamera zur Verbesseru­ng der Sicht vorhanden ist, lediglich Spiegel und ein großes Seitenfens­ter.

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FOTO: HOG Der Hubschraub­er verlässt den Felshang nach Abgabe einer Stahlstütz­e.

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