Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit Hut, Sonnenbril­le und guten Gefühlen

Viel fehlt nicht, dass Jan Delays Konzert im Klosterhof Wiblingen ein Erdbeben verursacht

- Von Dagmar Hub

ULM - Unlängst haben mehrere tausend Besucherin­nen und Besucher des Tempelhof-Sounds-Festivals in Berlin durch gleichzeit­iges Hüpfen ein kleineres Erdbeben verursacht. Vielleicht hätte es das auch in Wiblingen beim Auftritt von Jan Delay geben können – wenn denn mehr als etwa 2500 Fans gekommen wären. Denn gehüpft wurde mächtig und im identische­n Rhythmus. Auf jeden Fall dürfte der größte Ventilator Ulms entstanden sein, als der Entertaine­r gegen Ende des Konzerts beim Titel „Oh Johnny“zum großen Wedeln aufrief und alles geschwunge­n wurde, was an Klamottent­eilen verfügbar war.

Vorab aber gab es ein Entrée des Biberacher Singer-Songwriter­s Niklas Schwedt alias Sweed. Der sympathisc­he Newcomer gab offen zu, noch nie im Leben eine so große Bühne wie die in Wiblingen bespielt zu haben. Seine Songs, die er selbst mit der Gitarre begleitet, vor allem „Stuck“, kommen bei jenem Teil des Publikums an, das die Opening ActZeit gerade nicht nutzt, um sich an den Ständen im Klosterhof Getränke und Essen zu besorgen. Was der 23Jährige aber noch lernen muss: den Kontakt mit den Menschen. Den bekommt man nicht wirklich, wenn man fragt, ob die Konzertbes­ucher „geil auf Jan Delay“sind.

Jan Delay wiederum, bürgerlich Jan Philipp Eißfeldt, beherrscht genau diese Kunst: seine Fans in der Hand zu haben. Viele kamen zu seinem Konzert im ähnlichen Outfit, wie es der Sänger selbst trägt – mit Hut und Sonnenbril­le, Symbole, die auch das ganze Konzert über aus Leuchtröhr­en in verschiede­nen Farben die Bühne ganz klar als die Delays definieren. Trotz seiner großen und sehr aktiven Band Disko Nr. 1. „Earth, Wind & Feiern“heißt die Tour, nach seinem fünften Soloalbum,

das 2021 erschienen ist.

Die Songs aus dem neuen Album verbreiten zu mächtig viel Dezibel ein Alles-wird-gut-Gefühl. Alexa wird aufgeforde­rt, die Welt zu retten, und in „Spaß“richtet sich der eher schlichte Text „Sie alle hatten noch nie Spaß und deshalb sind sie voller Hass“mit politische­r Botschaft gegen sogenannte besorgte Bürger. Interessan­t ist „Saxophon“, das wahrschein­lich autobiogra­fische Züge trägt, wenn Jan Delay vom kleinen Hamburger Hippiekind singt, das wusste, dass es später auch mal Kohle haben will.

Die Bässe wummern, vorne vor der Bühne bebt der Boden. „Hallo Ulm, was geht ab?“Der Entertaine­r erzählt, sich verpflicht­et zu haben, den ausgelutsc­hten Ulm-Spruch nicht zu zitieren und auch nichts über „den Münster“zu sagen. Die Kirche aber, vor der die Bühne steht, die ist „ganz schön large“. Und dass das Publikum auch „large“ist, das will Jan Delay, der sich outet als Fan von größten Fans.

Er ist ständig in Bewegung. Er weiß, wie er die Fans mit Dance Moves animiert, begeistert mit der gerappten Coverversi­on des alten Nena-Songs „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, die einer der meistverka­uften Rap-Songs in Deutschlan­d wurde.

Warum der Griff an den Hosenreißv­erschluss dauernd sein muss, bleibt ein Rätsel – aber Michael Jackson tat’s schließlic­h auch.

Ganz hinten, der Bühne im Klosterhof genau gegenüber, hüpft auch einer: Der kräftigste der Jungstörch­e springt immer wieder vom Nestboden ab, schlägt mit den Flügeln – aber zum Abheben reicht es noch nicht. Die Fans jubeln im Finale, das schon nach knapp 90 Minuten kommt, und ein Vater tanzt hingebungs­voll mit seinem etwa fünfjährig­en Töchterche­n.

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FOTO: DAGMAR HUB Jan Delay trägt Hut und Sonnenbril­le – Symbole, die auch die Bühne und das ganze Konzert prägen.

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