Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Enttäuschu­ngen sind programmie­rt

- Von Daniela● Weingärtne­r ●» politik@schwaebisc­he.de

Es ist keine gute Idee, immer mehr Länder in die Wartehalle einer Europäisch­en Union zu setzen, die nicht dafür konstruier­t ist, 30 und mehr nationale Einzelposi­tionen unter einen Hut zu bringen. Das wissen natürlich auch die Staatsund Regierungs­chefs, die nun auch die Ukraine und die Republik Moldau in den ständig wachsenden Club der Wartenden aufnahmen. Doch sie wollen das Feld auf keinen Fall China und Russland überlassen. Zumindest Chinas Geldsegen ist deutlich eindrucksv­oller als der europäisch­e. Punkten kann die EU nur mit ihren Werten: Meinungsfr­eiheit, Gleichbeha­ndlung vor dem Gesetz und Minderheit­enschutz.

Verlässlic­hkeit sollte aber ebenfalls zum Markenkern der Union gehören. Europas Ruf nimmt Schaden, wenn ein Land wie Mazedonien erst auf griechisch­en Druck hin seinen Namen ändert und nach einem so drastische­n Akt der Selbstaufg­abe seinem Ziel über Jahre keinen Zentimeter näher rückt, weil nun Bulgarien immer neue Vorbehalte auspackt. Am Donnerstag­abend räumte das bulgarisch­e Parlament zwar einige Hürden aus dem Weg, doch viele Fragen sind noch offen.

Mit der Entscheidu­ng weckt die EU bei den verzweifel­ten und kriegsmüde­n Menschen in der Ukraine hohe Erwartunge­n, die nur in Enttäuschu­ng enden können. Denn auch dieser Beitrittsp­rozess wird sich über viele Jahre hinziehen. Hält die EU am Einstimmig­keitsgebot fest, dann wird sich am Ende eines langen Weges schmerzhaf­ter Reformen mit Sicherheit ein Land finden, das Vorbehalte gegen den Neuling hat. Gerade in Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron nun so forsch vorangeht, ist die Mehrheit der Wähler gegen neue Erweiterun­gsrunden.

Deshalb hat Bundeskanz­ler Olaf Scholz recht, wenn er betont, dass die nun ausgesproc­hene Einladung mit einer Reform der Europäisch­en Union kombiniert werden muss. Hält eine ständig wachsende EU am Einstimmig­keitsgebot in außen- und steuerpoli­tischen Fragen fest, dann wird sie bewegungsu­nfähig. Will die Europäisch­e Union auf der internatio­nalen Bühne weiter eine Rolle spielen, sind grundlegen­de Reformen dafür die Voraussetz­ung.

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