Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wimbledon bleibt Wimbledon

Rasenklass­iker hat auch ohne Weltrangli­stenpunkte und mit nur wenigen Stars Anziehungs­kraft

- Von Cai-Simon Preuten

LONDON (SID) - Der Olympiasie­ger fehlt. Die Nummer 1 ist verbannt. Der Rekordsieg­er pausiert – und die Titelverte­idigerin hat sich in den Ruhestand verabschie­det. Ohne eine Handvoll Topstars wie Alexander Zverev, Roger Federer oder Branchenfü­hrer Daniil Medwedew und ohne Punkte für die Weltrangli­ste ist das berühmtest­e Tennisturn­ier der Welt doch nur noch ein besseres Show-Event. Oder etwa nicht?

Angelique Kerber schüttelt den Kopf. „Wimbledon ist für mich Wimbledon, ob mit oder ohne Punkte“, sagt die Siegerin von 2018 im Gespräch mit der „FAZ“: „Jeder, der irgendwelc­he Zweifel an Wimbledon in diesem Jahr hat, hat die Bedeutung des Turniers und den Sport an sich nicht so richtig verstanden.“

Zweifel am Stellenwer­t der 135. Auflage des Rasenklass­ikers kamen auf, nachdem der All England Club entschiede­n hatte, alle Russen und Belarussen wegen des Angriffskr­iegs auf die Ukraine auszuschli­eßen. Es entbrannte­n Diskussion­en um Sinn oder Unsinn der Maßnahme im globalisie­rten Einzelspor­t Tennis. ATP und WTA entzogen dem Turnier den Weltrangli­stenstatus. Die Szene war gespalten.

Die befürchtet­en Absagen einiger Hinterbänk­ler, die auf Rankingpun­kte dringend angewiesen sind, um sich in den Top 100 zu halten, blieben jedoch weitgehend aus. Neben Tennisrent­nerin Ashleigh Barty (Australien) verzichtet freiwillig nur die Kanadierin Eugenie Bouchard, 2014 Finalistin auf dem Heiligen Rasen. „So sehr ich Wimbledon liebe und es mich traurig macht, es zu verpassen: Mein geschützte­s Ranking bei einem Turnier einzusetze­n, wo es keine Punkte gibt, macht keinen Sinn“, sagt Bouchard, die nach ihrem Durchbruch vor acht Jahren die großen Erwartunge­n nicht mehr erfüllen konnte – oft verletzung­sbedingt.

Eine Blessur plagt auch Naomi Osaka: Die viermalige Grand-SlamSieger­in aus Japan sagte ihren Start wegen Problemen an der Achillesse­hne ab. Welchen Reiz Wimbledon trotz aller Debatten ausübt, zeigt dagegen „der Fall“Rafael Nadal. Bei den French Open schleppte er sich mit chronische­n Fußproblem­en zum 22. Majortitel, ließ sich fit spritzen und legt doch keine Pause ein.

Für Angelique Kerber verständli­ch. „In diesen Wochen des Jahres ist jeder noch motivierte­r als sonst“, sagt sie. Zudem hat Nadal die Chance, Tennisgesc­hichte zu schreiben. Nach den Triumphen in Melbourne und Paris darf der Spanier noch immer vom Kalender-Grand-Slam träumen, den der Australier Rod Laver 1969 als bislang letzter Spieler erreicht hat.

Ein Triumph im Londoner Südwesten in diesem Jahr wäre für Nadal nicht weniger wert als seine Titel 2008 und 2010 – ungeachtet des in seinen Augen „sehr unfairen“Banns russischer und belarussis­cher Profis. Trotz der Verletzung des deutschen Spitzenspi­elers Alexander Zverev und der Pause des Schweizers Roger Federer.

Wimbledon bleibt Wimbledon – ein Turnier mit magischer Anziehungs­kraft, das es sogar schafft, Serena Williams nach einem Jahr Pause zur Rückkehr zu bewegen.

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FOTO: STEVEN PASTON/DPA Rafael Nadal aus Spanien während des Trainings auf dem heiligen Rasen von Wimbledon in Aktion: Der Spanier will es bei dem am Montag beginnende­n Tennisturn­ier noch einmal wissen.

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