Mit Empathie zum gewaltfreien Miteinander
Erziehung ohne Basta und Drohungen
BERLIN - Ein Klaps auf den Po des Kindes. Manchmal schmerzhaft, oft demütigend. Als Erziehungsmaßnahme ist das in Deutschland aber bei Weitem nicht passé – dabei haben Kinder ein Recht darauf, ohne Gewalt aufzuwachsen. Der Tag für gewaltfreie Erziehung am 30. April soll darauf aufmerksam machen.
Gewaltfrei bedeutet aber nicht nur, keine körperliche Gewalt anzuwenden. So sind neben dieser auch „seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen“unzulässig, definiert das Bürgerliche Gesetzbuch. Solche Verletzungen entstehen regelmäßig durch elterliche Worte. Wie ein kommunikativer Umgang zwischen Menschen ohne Gewalt gelingen kann, dazu hat der amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg ein Handlungskonzept entwickelt. 1984 gründete er das „Center for Nonviolent Communication“, ein Institut für gewaltfreie Kommunikation.
Kathy Weber, Trainerin für gewaltfreie Kommunikation, kam mit Rosenbergs Konzept zum ersten Mal in Berührung, als sie mit ihrem ersten Kind schwanger war. „Ich wollte es anders machen als meine Eltern“, sagt die 41Jährige. „Anders“bedeutete für Weber, dass sie eine besondere Beziehung zu ihrem Kind wollte: Ein Miteinander, in dem alle gesehen und gehört werden.
Im Mittelpunkt von Rosenbergs Ansatz steht die Annahme, dass dem menschlichen Handeln der Wunsch zugrunde liegt, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Diese stehen jedoch oft in Konkurrenz zu denen anderer. Zu einer kommunikativen Lösung gelangt man demnach nur, wenn man seinem Gegenüber empathisch begegnet – und nicht gleich bewertet und urteilt.
Dafür gibt einem Rosenberg vier Schritte an die Hand: Wertfrei beobachten. Die eigenen Gefühle wahrnehmen und äußern. Das eigene Bedürfnis erkennen und äußern, und daraufhin eine Bitte formulieren. Zu Beginn habe sie sich diese Technik stets bewusst gemacht, sagt Weber. Doch die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg ist aus ihrer Sicht viel mehr als eine kommunikative Strategie: „Für mich ist sie die Antwort auf die Frage, wie ich leben möchte, wie ich kommunizieren möchte. Das hat viel mit Haltung zu tun.“
Zu Beginn sei das eine große Herausforderung. „Es bedarf ganz viel Übung und ganz viel Geduld“, so Weber. Fundamental wichtig dafür ist aus ihrer Sicht eine bedingungslose Liebe. Die 41-Jährige erlebt häufig, dass Eltern das Gefühl haben, ohne Zwang und Drohungen funktioniere Erziehung nicht. „Es fehlt an Vertrauen, dass Menschen Dinge freiwillig tun“, sagt sie. Zudem falle es vielen schwer, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren. „Weil wir es häufig nicht gelernt haben“, sagt Weber. Sie ist jedoch davon überzeugt, dass jeder Mensch das trainieren kann.
Es gehe dabei nicht darum, dass das Kind immer alles erfüllt bekomme. „Wir sind hier nicht bei ,Wünsch’ dir was’ – nein, wir sind im Leben“, erklärt sie. Als Beispiel nennt sie das tägliche Zähneputzen. Das Kind hat das Bedürfnis, statt dem Zähneputzen lieber etwas anderes zu machen. Demgegenüber steht das Bestreben der Eltern, dass das Kind selbstständig seine Zähne reinigt. Ein Kompromiss könnte dann etwa sein, ein gemeinsames Lied auszusuchen, das währenddessen läuft.
Das Ziel sei also, für die individuellen Bedürfnisse in einer Situation einen Konsens zu finden, sagt Weber. „Natürlich ist das erst mal anstrengend.“Für den Moment sei es einfacher, wenn einer eine Ansage macht, wie es läuft. „Aber der andere Weg ist auf Dauer für alle befriedigender.“