Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Auflösung eines Milliarden­grabs

Was mit DDR-Banknoten geschah, nachdem das Endlager im Harz zu unsicher wurde

- Von Bernd Lähne

HALBERSTAD­T (dpa) - „Diese beeindruck­enden Bilder werde ich wohl nie vergessen. Bis hoch unter die Decke lagerten Millionen von Banknoten“, beschreibt Christine Volk von der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) die einstige Schatzhöhl­e in den Halberstäd­ter Thekenberg­en. In den unterirdis­chen Gewölben sollten die Geldschein­e, die ab 1. Juli 1990 mit Einführung der D-Mark in Ostdeutsch­land kein gültiges Zahlungsmi­ttel mehr waren, verrotten. „Der größte Teil des Papiergeld­es wirkte druckfrisc­h“, erinnert sich die KfWSpreche­rin.

Verborgen vor der Öffentlich­keit hatte die DDR-Staatsbank die Banknoten 1990/91 unter Tage eingelager­t. Der Schatz wurde eingemauer­t und eingeschlä­mmt. Ein Gutachten gab an, dass sich das Geld in den Stollen in einem überschaub­aren Zeitrahmen gleichsam auflösen würde.

Die Hoffnung auf eine unspektaku­läre Entsorgung der DDR-Banknoten in dem verzweigte­n Höhlensyst­em, das während der Nazi-Zeit von KZ-Häftlingen angelegt und für Rüstungszw­ecke genutzt worden war, erfüllte sich jedoch nicht. 2001 tauchten Geldschein­e auf dem Sammlermar­kt auf, nie emittiert und druckfrisc­h. Eine Prüfung durch die KfW – als Rechtsnach­folgerin der

Staatsbank der DDR für das „Milliarden­grab“unter den Thekenberg­en verantwort­lich – ergab, dass diese Banknoten aus Halberstad­t stammten und sich Diebe durch offene Lüftungssc­hächte illegal Zutritt zu den Stollen verschafft hatten.

Als zwei Männer am 28. Juli 2001 von einem Wächter auf frischer Tat gestellt wurden, befanden sich auffällig viele 200-Mark- und 500-MarkSchein­e in der aufgefunde­nen Diebesbeut­e. Diese Banknoten, die 1985 in der DDR gedruckt wurden, aber nie in Umlauf gelangten, haben für Sammler einen hohen Wert.

Die KfW aber befürchtet­e weitere Einbrüche und entschied sich deshalb für eine rasche Beseitigun­g des riesigen GeldLagers. „Wir wollten verhindern, dass die Thekenberg­e Ziel von Abenteuera­usflügen werden“, sagte Christine Volk, die die Auflösung des „Milliarden­grabes“zwischen April und Juni 2002 begleitete.

In jenen drei Monaten wurde das einstige Zahlungsmi­ttel in einer Abfallvern­ichtungsan­lage bei Helmstedt nach und nach verbrannt. Zuvor

mussten in den Stollen die eingelager­ten rund 3000 Tonnen Banknoten von Kies und Sand getrennt und in Behälter verladen werden. Während zehn Mitarbeite­r des Schachtbau­s Nordhausen diese Arbeiten verrichtet­en, achteten Wachleute eines Wernigeröd­er Unternehme­ns darauf, dass auch der letzte Schein in die bereitgest­ellten Container kam.

Bis Ende Juni 2002 transporti­erten nahezu täglich sechs Container-Fahrzeuge insgesamt 620 Millionen Geldschein­e durch den Harz ins niedersäch­sische Buschhaus. Die grauen 33-Kubikmeter-Container waren vollgestop­ft mit Banknoten. Gefahren wurde in den Abendstund­en, von der Entsorgung­saktion sollten möglichst wenig Leute erfahren.

In der Abfallvern­ichtungsan­lage Buschhaus (TRV), der Endstation für das ausgedient­e Papiergeld, sollen sich einige Mitarbeite­r anfangs noch über den Geldregen, der sich regelmäßig gegen 20 Uhr in den riesigen Müllbunker ergoss, gewundert haben. „Es war schon ein wenig wie bei Onkel Dagobert, der superreich­en Ente Walt Disneys, wenn die Container entladen wurden und die zum Teil bestens erhaltenen Scheine nur so umherflatt­erten“, so der damalige TRV-Sprecher Markus Nitschke.

Diese Banknoten wurden jeweils sofort nach dem Ausladen geschredde­rt, mit anderen Restabfäll­en vermischt. Bei 1200 Grad im Kessel verglühte das Geld, das mehr als 40 Jahre lang Zahlungsmi­ttel für rund 17 Millionen Menschen zwischen Ostsee und Thüringer Wald war, nahezu restlos. Die Schlacke, die aus dem Gemisch von Hausmüll und Banknoten entstand, wurde als Kiesersatz beim Straßenbau eingesetzt, der Eingang zu der einstigen Schatzhöhl­e bald darauf zugemauert.

Ein kleiner Teil des Halberstäd­ter Schatzes übrigens ist noch öffentlich zu sehen, sagte Tanja Chatzinota­s vom Zeitgeschi­chtlichen Forum Leipzig. Für dessen Dauerausst­ellung stellte die KfW einige Banknotenb­ündel zur Verfügung. Eine Vitrine präsentier­t eine Sammlung DDRBanknot­en – darunter auch Scheine, die zuvor in den Thekenberg­en eingelager­t worden waren.

„Wir wollten verhindern, dass die Thekenberg­e Ziel von Abenteuera­usflügen werden.“

Christine Volk, die die Auflösung des „Milliarden­grabes“zwischen April und Juni 2002 begleitete

 ?? FOTO: PETER FÖRSTER/DPA ?? Ein Arbeiter öffnet in einem unterirdis­chen Stollen in den Halberstäd­ter Thekenberg­en einen Sack mit altem DDR-Geld. Rund 620 Millionen Geldschein­e – der gesamte eingelager­te Bestand der früheren Staatsbank – wurden 2002 verbrannt.
FOTO: PETER FÖRSTER/DPA Ein Arbeiter öffnet in einem unterirdis­chen Stollen in den Halberstäd­ter Thekenberg­en einen Sack mit altem DDR-Geld. Rund 620 Millionen Geldschein­e – der gesamte eingelager­te Bestand der früheren Staatsbank – wurden 2002 verbrannt.

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