Verbrenner-Aus vor dem Aus
Die Mehrheit für ein Verbot von Benzin- und Diesel-Neufahrzeugen ab 2035 in der EU wackelt – Die Ampel ist in der Frage gespalten
BRÜSSEL - Er spüre große Solidarität unter den Mitgliedsstaaten angesichts der kommenden Winter drohenden Energieengpässe und ihrer gravierenden Folgen für die EUWirtschaft, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag in Luxemburg. Nach wenigen Stunden konnten die angereisten Minister bereits ein Ergebnis vermelden: Die Richtlinien zu mehr Energieeffizienz und zum Ausbau erneuerbarer Energien wurden im Grundsatz vereinbart. Ab Juli soll sich die neue tschechische Ratspräsidentschaft um das Kleingedruckte kümmern.
Die wirklich kontroversen Themen aber bearbeiten die Umweltminister am Dienstag. Sie müssen sich auf eine Reform des Emissionshandels ETS, auf dessen Ausweitung auf den Gebäude- und Verkehrsbereich, auf den Umfang des Klimasozialfonds und auf die neuen Flottengrenzwerte ab 2035 einigen. Sollte es dabei bleiben, dass Neufahrzeuge ab diesem Zeitpunkt kein CO2 mehr ausstoßen dürfen, wäre damit das Aus für den Verbrennungsmotor besiegelt.
Die Bundesregierung ist in der Frage entlang der Parteizugehörigkeiten gespalten. Während Finanzminister Christian Linder (FDP) die Option für alternative Brennstoffe erhalten will, wollen die Grünen den strengen Zeitplan unterstützen, dem Anfang Juni auch das Europaparlament zustimmte. Der verkehrspolitische Sprecher der CSU im Europaparlament, Markus Ferber, schickte am Montag eine Warnung nach Luxemburg: „Bestätigt der Rat die Einbahnstraße in die E-Mobilität, zulasten von technologischer Offenheit, bedeutet das einen schweren Schlag für eine halbe Million Arbeitsplätze und den Industriestandort Deutschland“,
so der Abgeordnete. Jens Gieseke (CDU), im Europaparlament Berichterstatter für das Thema Flottengrenzwerte, mahnte: „Jetzt muss die FDP beweisen, dass sie sich innerhalb der Bundesregierung durchsetzen kann. Dann könnte die Tür für synthetische Kraftstoffe offen bleiben.“Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hält von dieser Idee natürlich nichts. Sollte sich die AmpelKoalition nicht auf eine einheitliche Linie einigen können, wird sich Deutschland bei der fraglichen Abstimmung wohl enthalten.
Italien hat nun eine Verschiebung des Verbrenner-Verbots um fünf Jahre auf 2040 ins Spiel gebracht. Bis 2035 soll der CO2-Ausstoß aller Neuwagen um durchschnittlich 90 Prozent gesenkt werden. Für synthetische Kraftstoffe soll es Sonderregeln geben. Die Regierung verteilte am Freitag vor der entscheidenden Abstimmung ein entsprechendes Positionspapier an die EU-Botschafter der anderen Mitgliedsstaaten, das laut italienischer Aussage von Bulgarien, Portugal, Rumänien und der Slowakei unterstützt wird.
Sollte das Papier tatsächlich von fünf Ländern unterstützt werden und die Bundesregierung sich in der Frage enthalten, käme die erforderliche qualifizierte Mehrheit für das Verbrenner-Verbot nicht zustande. Demnach können Staaten einen Gesetzentwurf blockieren, wenn sie zusammen für mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Der Rat ginge dann unter tschechischer Präsidentschaft mit einem abgeschwächten Vorschlag in die Verhandlungen mit dem Europaparlament.
Das hat sich zwar mehrheitlich für das Verbrenner-Verbot ausgesprochen, doch der Widerstand aus den Reihen der deutschen CDU ist groß. Sie verweist lautstark auf den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen bei den Autobauern und Zulieferern in Deutschland. Auch steige die Abhängigkeit von China, das den Großteil der erforderlichen Batteriezellen liefern muss. Abhängigkeit von Lieferanten aus Drittländern und weitere Belastungen für die Volkswirtschaft – das sind zwei Stichworte, die angesichts der Energiekrise in der EU nicht gut ankommen. Es könnte also sein, dass die Minister am Dienstag davor zurückschrecken, einen Schritt mit so weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen zu beschließen.