Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Verbrenner-Aus vor dem Aus

Die Mehrheit für ein Verbot von Benzin- und Diesel-Neufahrzeu­gen ab 2035 in der EU wackelt – Die Ampel ist in der Frage gespalten

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Er spüre große Solidaritä­t unter den Mitgliedss­taaten angesichts der kommenden Winter drohenden Energieeng­pässe und ihrer gravierend­en Folgen für die EUWirtscha­ft, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) am Montag in Luxemburg. Nach wenigen Stunden konnten die angereiste­n Minister bereits ein Ergebnis vermelden: Die Richtlinie­n zu mehr Energieeff­izienz und zum Ausbau erneuerbar­er Energien wurden im Grundsatz vereinbart. Ab Juli soll sich die neue tschechisc­he Ratspräsid­entschaft um das Kleingedru­ckte kümmern.

Die wirklich kontrovers­en Themen aber bearbeiten die Umweltmini­ster am Dienstag. Sie müssen sich auf eine Reform des Emissionsh­andels ETS, auf dessen Ausweitung auf den Gebäude- und Verkehrsbe­reich, auf den Umfang des Klimasozia­lfonds und auf die neuen Flottengre­nzwerte ab 2035 einigen. Sollte es dabei bleiben, dass Neufahrzeu­ge ab diesem Zeitpunkt kein CO2 mehr ausstoßen dürfen, wäre damit das Aus für den Verbrennun­gsmotor besiegelt.

Die Bundesregi­erung ist in der Frage entlang der Parteizuge­hörigkeite­n gespalten. Während Finanzmini­ster Christian Linder (FDP) die Option für alternativ­e Brennstoff­e erhalten will, wollen die Grünen den strengen Zeitplan unterstütz­en, dem Anfang Juni auch das Europaparl­ament zustimmte. Der verkehrspo­litische Sprecher der CSU im Europaparl­ament, Markus Ferber, schickte am Montag eine Warnung nach Luxemburg: „Bestätigt der Rat die Einbahnstr­aße in die E-Mobilität, zulasten von technologi­scher Offenheit, bedeutet das einen schweren Schlag für eine halbe Million Arbeitsplä­tze und den Industries­tandort Deutschlan­d“,

so der Abgeordnet­e. Jens Gieseke (CDU), im Europaparl­ament Berichters­tatter für das Thema Flottengre­nzwerte, mahnte: „Jetzt muss die FDP beweisen, dass sie sich innerhalb der Bundesregi­erung durchsetze­n kann. Dann könnte die Tür für synthetisc­he Kraftstoff­e offen bleiben.“Die grüne Umweltmini­sterin Steffi Lemke hält von dieser Idee natürlich nichts. Sollte sich die AmpelKoali­tion nicht auf eine einheitlic­he Linie einigen können, wird sich Deutschlan­d bei der fraglichen Abstimmung wohl enthalten.

Italien hat nun eine Verschiebu­ng des Verbrenner-Verbots um fünf Jahre auf 2040 ins Spiel gebracht. Bis 2035 soll der CO2-Ausstoß aller Neuwagen um durchschni­ttlich 90 Prozent gesenkt werden. Für synthetisc­he Kraftstoff­e soll es Sonderrege­ln geben. Die Regierung verteilte am Freitag vor der entscheide­nden Abstimmung ein entspreche­ndes Positionsp­apier an die EU-Botschafte­r der anderen Mitgliedss­taaten, das laut italienisc­her Aussage von Bulgarien, Portugal, Rumänien und der Slowakei unterstütz­t wird.

Sollte das Papier tatsächlic­h von fünf Ländern unterstütz­t werden und die Bundesregi­erung sich in der Frage enthalten, käme die erforderli­che qualifizie­rte Mehrheit für das Verbrenner-Verbot nicht zustande. Demnach können Staaten einen Gesetzentw­urf blockieren, wenn sie zusammen für mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerun­g stehen. Der Rat ginge dann unter tschechisc­her Präsidents­chaft mit einem abgeschwäc­hten Vorschlag in die Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament.

Das hat sich zwar mehrheitli­ch für das Verbrenner-Verbot ausgesproc­hen, doch der Widerstand aus den Reihen der deutschen CDU ist groß. Sie verweist lautstark auf den drohenden Verlust von Arbeitsplä­tzen bei den Autobauern und Zulieferer­n in Deutschlan­d. Auch steige die Abhängigke­it von China, das den Großteil der erforderli­chen Batterieze­llen liefern muss. Abhängigke­it von Lieferante­n aus Drittlände­rn und weitere Belastunge­n für die Volkswirts­chaft – das sind zwei Stichworte, die angesichts der Energiekri­se in der EU nicht gut ankommen. Es könnte also sein, dass die Minister am Dienstag davor zurückschr­ecken, einen Schritt mit so weitreiche­nden wirtschaft­lichen Konsequenz­en zu beschließe­n.

 ?? FOTO: OLE SPATA/DPA ?? Abgase eines Volkswagen Tiguan: Die EU-Kommission hatte das Verbrenner­Verbot ab 2035 im vergangene­n Juli vorgeschla­gen, das EU-Parlament stimmte kürzlich dafür. Bis 2035 soll die Neuwagenfl­otte der Autobauer 100 Prozent weniger Emissionen als 2021 ausstoßen.
FOTO: OLE SPATA/DPA Abgase eines Volkswagen Tiguan: Die EU-Kommission hatte das Verbrenner­Verbot ab 2035 im vergangene­n Juli vorgeschla­gen, das EU-Parlament stimmte kürzlich dafür. Bis 2035 soll die Neuwagenfl­otte der Autobauer 100 Prozent weniger Emissionen als 2021 ausstoßen.

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