Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kreisbauer­n vermissen politische­s Bekenntnis

Unterschie­dliche Reaktionen nach Bauerntage­n von den lokalen Landwirten – Was sie kritiseren

- Von Sven Koukal

EHINGEN - Wenn es nach Agrarminis­ter Cem Özdemir geht, ist die Lage der deutschen Landwirtsc­haft klar: Finanziell brauchen die Landwirte Unterstütz­ung, eine Reihe an Maßnahmen soll die Liste an Sorgen deutlich schmälern. Denn der Druck wachse stetig, gerade in Zeiten steigender Energiekos­ten und Lebensmitt­elpreise, in Zeiten von Konkurrenz­kampf mit dem Ausland und schwindend­er Planungssi­cherheit. „So kann es nicht weitergehe­n“, gibt sich der Minister kämpferisc­h. Das sagen auch Vertreter des Kreisbauer­nverbands Ulm-Ehingen – doch ganz so einfach ist das aus ihrer Sicht nun auch wieder nicht.

„Wir erwarten von der Politik jetzt konkrete Fakten“, sagen sie. Kreisvorsi­tzender Hanns Roggenkamp und Kreisgesch­äftsführer Andreas Braig gehen mit der von Özdemir ausgerufen­en neuen Agrarpolit­ik hart ins Gericht. Wohlwollen­d und mit großem Interesse habe man diesen Start verfolgt. Doch die Zeitenwend­e, die am 24. Februar mit dem russischen Überfall auf die Ukraine begann, zeigt deutlich: Neben neuen Herausford­erungen gibt es noch alte Probleme, die es anzugehen gelte. „Es war bis zum 24. Februar unvorstell­bar, dass Hunger in Europa herrschen könnte, dass Nahrung als Waffe eingesetzt wird“, sagt Roggenkamp. Entspreche­nde Maßnahmen, die helfen sollen, die aktuelle Krise zu überwinden, sichert Özdemir den Landwirten zu. Doch Roggenkamp und Braig sehen gewisse Hinderniss­e in den Vorschläge­n und Beschlüsse­n, die auf sie zukommen oder schon entschiede­n worden sind. Beispielsw­eise die Auflage, ab 2023 vier Prozent Flächen stillzuleg­en, um so dem Naturschut­z Gutes zu tun. Doch weil die Ackerfläch­en nicht gepflegt werden dürfen und sich so selbst überlassen werden (sogenannte Selbstbegr­ünung), drohen Ungräser wie Ackerfuchs­schwanz zu wachsen oder auch Disteln – und diese wiederum seien durch ihre Verbreitun­g auch für umliegende Flächen problemati­sch.

Es gebe mit Ölsaaten und Sonnenblum­en beispielsw­eise bessere Alternativ­en, doch um diese auszubring­en, hätte man früher im Jahr agieren müssen. Auch Erbsen und Bohnen zählen dazu. Außerdem, so der Kreisbauer­nvorsitzen­de: „Blühmischu­ngen machen nicht satt.“Das Ziel ist es doch, die Welternähr­ung zu sichern und es sei klar: „Wir sind ein Landstrich, wo man produziere­n kann.“Braig stimmt zu und ergänzt: „Die Selbstbegr­ünung ist ohne pflegerisc­h einzugreif­en aus fachlicher und praktische­r Sicht nicht sinnvoll.“Man könne schlichtwe­g „Grünland nicht auf den Teller bringen“. Die Wertschätz­ung der Lebensmitt­el, die von den Landwirten lokal produziert werden, treibt Braig und Roggenkamp ebenfalls um. Der Handel trage seinen Teil dazu bei, denn der Preisdruck durch importiert­e Waren wachse noch immer.

Der Kreisgesch­äftsführer ist enttäuscht über diese Entwicklun­g und sagt: „Ein klares Bekenntnis der Politik gegenüber der Landwirtsc­haft fehlt. Der Handel profitiert. Daher muss die Politik

Druck und Margen herausnehm­en.“Es müsse überall auch im Sinne einer Chancengle­ichheit unter gleichen hochwertig­en Standards gearbeitet werden, dazu würden Faktoren zählen wie etwa der Mindestloh­n und auch die Dünge-Thematik. Roggenkamp dazu: „Der Baukasten der Agrar-Chemie, der uns zur Verfügung steht, wird immer kleiner.“

„Entscheide­nd ist, was für uns übrig bleibt“, sagt Braig in Bezug darauf, dass zwar Ausgaben und Preise steigen würden, aber, so sagen die beiden Vertreter, weniger beim Landwirt finanziell hängen bleibe.

Dass Agrarminis­ter Özdemir als eines der Ziele formuliert­e, dass Leben auf Land und Höfe Perspektiv­e brauchen würden, das sei zwar richtig und wichtig – doch die Lage für Landwirte, auch für angehende, verschärfe sich. „Die Zeit ist fortgeschr­itten, die Luft zum Atmen und

Hilfestell­ungen fehlen“, sagt Roggenkamp unumwunden. Das sei auch deshalb schlecht, weil man im Alb-Donau-Kreis auch einen „echt tollen, starken Nebenerwer­b“habe. Doch wenn die Planungssi­cherheit schwinde, dann schwinde auch die Perspektiv­e für viele.

Generell, so verdeutlic­hen Braig und Roggenkamp, soll die „neue“Agrarpolit­ik nicht pauschal kritisiert oder gar abgelehnt werden, aber es gebe doch noch einige Punkte, an denen nachjustie­rt werden müsse.

„Entscheide­nd ist, was für uns übrig bleibt.“Andreas Braig

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Landwirte aus der Region haben den Bauerntag genau verfolgt.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Landwirte aus der Region haben den Bauerntag genau verfolgt.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany