Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Feuerwehr rüstet sich für Waldbrände

Gruppen aus dem Alb-Donau-Kreis trainieren unter realistisc­hen Bedingunge­n mit Experten den Ernstfall

- Von David Drenovak

ERBACH - Das Thermomete­r zeigt deutlich über dreißig Grad, der Himmel ist blau und nur einige wenige Wolken ziehen langsam vorüber. Die steilen Wände der Sandgrube bei Ringingen reflektier­en die Wärme und sorgen dafür, dass gefühlt noch zehn Grad mehr in dem ockerfarbe­nen Kessel herrschen. Hier und da türmen sich kleine pyramidenf­örmige Sandberge auf, die zwar Schatten verspreche­n, aber ihr Verspreche­n nicht halten. Der Boden ist nur spärlich mit teilweise schon verdörrten Pionierpfl­anzen bewachsen und Hitzerisse ziehen sich durch die Fläche. Wenn dem Beobachter nicht klar wäre, dass er sich in Oberschwab­en befindet, könnte er die Szenerie problemlos in einen der kargen und wüstenhaft­en Landstrich­e Südeuropas einordnen.

Was so gar nicht ins Bild passt, sind die rund 50 Feuerwehrm­änner und -frauen, die in dicken Einsatzjac­ken mit Helmen in mitten dieser Hitze in kleinen Gruppen um die Katastroph­enschutz-Experten des Vereins „@Fire“aus Münsingen versammelt haben. Mehrere Feuerwehre­n aus dem Alb-Donau-Kreis wollen heute den Ernstfall in Sachen Waldoder Flächenbra­nd unter realistisc­hen Bedingunge­n üben.

Stefan Fellner ist an diesem Tag der zuständige Ausbildung­sleiter und ist mit seinem vierköpfig­en Team angereist, um den Wehren zu erklären, wie sie mit sogenannte­n dynamische­n Feuerlagen, die sich schnell und manchmal unberechen­bar ausbreiten, umgehen müssen. Dazu gehören taktische Vorgehensw­eisen in Theorie und Praxis. „Wald- und Flächenbrä­nde sind deutlich anders, als das mit dem die normale Feuerwehr in 90 Prozent ihrer Einsätze zu tun hat. Hier werden beispielsw­eise ganz andere Anforderun­gen an die Mobilität gestellt“, erklärt Stefan Fellner, der vor einer guten Woche mit einigen seiner Kollegen, die heute als Instruktor­en im Einsatz sind, noch gegen die großen Waldbrände in Treuenbrie­tzen und Beelitz gekämpft hat.

Immer drei Gruppen üben heute gleichzeit­ig. Die Schwerpunk­te liegen auf dem Aufbau der Wasservers­orgung im Gelände, dem sogenannte­n „Pump and Role“, bei dem die Löschkräft­e zu Fuß agieren und von einem fahrenden Feuerwehra­uto begleitet werden, und der direkten Brandbekäm­pfung mit Handwerkze­ugen an der Feuerlinie. Zudem ist die Feuerwehr-Drohnenein­heit des Alb-Donau-Kreises mit von der Partie.

Besonders die letztgenan­nte Übung treibt den Akteuren an diesem Tag den Schweiß aus jeder Pore. Denn nachdem die Experten die Vorgehensw­eise sowie die Handwerkze­uge (diese kommen teilweise aus klassische­n Flächenbra­ndgebieten wie Spanien oder Portugal) und ihre Handhabung erklärt haben, setzt Stefan Fellner trockenes, auf dem Boden verteiltes, loses Stroh in Brand. Jetzt muss alles schnell und geordnet zugehen. Erst ziehen die Einsatzkrä­fte mit schweren Hacken, Rechen und Äxten eine Schneise, damit sich das Feuer nicht über eine Fläche, die rund 20 Quadratmet­er umfasst, ausbreiten kann. Dann greifen die Männer und Frauen zu den Feuerpatsc­hen - Geräte die an einem langen Stiel einen abgeknickt­en Metallfäch­er haben - um damit die brennenden stellen vorsichtig auszustrei­chen. „Wenn man da einfach draufhaut, verteilt man die Glut und schafft immer neue Stellen, an denen das Feuer wieder aufflammen kann“, erklärt Stefan Fellner den Feuerwehrl­euten während sie damit beschäftig­t sind, die Flammen in den Griff zu bekommen.

Doch das ist gar nicht so einfach. der Rauch beißt in den Augen, das Feuer treibt die Temperatur noch deutlich weiter nach oben und der ständig drehende Wind sorgt dafür, dass das Feuer ständig seine Ausbreitun­gsrichtung ändert. Nein, er facht auch Stellen wieder an, die gerade noch als gelöscht galten- manchmal hinter der arbeitende­n Gruppe. Diese Eindrücke machen sogar einem Laien deutlich, wie gefährlich diese Arbeit ist und wie schnell sich hier die Situation verändern kann. Mit ihrem Fluggerät, das in rund 15 Metern Höhe über der Übung schwebt, dokumentie­ren die Drohnenpil­oten den Einsatz und üben die Beobachtun­g von oben. Gewonnene Erkenntnis­se und Informatio­nen werden an die Einsatzlei­tung weitergege­ben, dass diese reagieren und die Löschkräft­e dirigieren kann.

Wenn die Flammen einzelner Brandneste­r gar zu groß werden, kommen die Männer und Frauen mit den Löschrucks­äcken zum Einsatz. Neben der schweren Ausrüstung und Kleidung haben diese einen Wassertank mit 20 bis 30 Litern auf dem Rücken und eine, an eine überdimens­ionierte Wasserpist­ole erinnernde, Löschsprit­ze in der Hand. Erst muss von Hand gepumpt, dann erst kann gelöscht werden. Selbst bei einer kleinen Fläche wird das Reservoir schnell leer. Feuerwehrm­änner und Feuerwehrf­rauen sind immer körperlich gefordert, aber im Gelände, wo kein Hydrant steht und die Wege lang sind, sind die Anforderun­gen für die Retter noch einmal deutlich höher.

Dass Übungen wie diese keine sinnlose Schinderei sind, zeigt die Trockenkar­te, die auch bei uns in Bereiche mit der der höchsten oder zweithöchs­ten Waldbrandg­efahr aufweist oder die Statistik, die deutlich macht, dass die Zahl der Wald, und Flächenbrä­nde deutschlan­dweit jährlich zunimmt. In großen Teilen Baden-Württember­gs ist es sehr trocken und windig, ideale Bedingunge­n für Feuer, was auch die Brände im Schwarzwal­d zeigen. Selbst wenn es hier im Alb-Donau-Kreis jüngst ab und zu geregnet habe, dürfe man sich nicht täuschen lassen, sagt Stefan Fellner und fügt an: „Viele Feuerwehre­n haben bereits mit kleineren Bränden an Bahnlinien, Böschungen oder auf Feldern zu tun. Die Lage ist angespannt, wir sind im Vergleich zum sehr trockenen Jahr 2018 bisher sogar noch trockener unterwegs.“

Zum Abschluss lassen es Stefan Fellner und sein Team noch einmal zu richtig krachen und sämtliche Einsatzkrä­fte müssen zusammen das abrufen, was sie am Vormittag gelernt haben. Nachdem die Vorbereitu­ngen abgeschlos­sen und die Einsatzkrä­fte eingeteilt sind, wird wieder angezündet. Doch diesmal lodern gut und gerne 200 Quadratmet­er Stroh. Selbst in einigem Abstand wird die Hitze beinahe unerträgli­ch. Feuerwirbe­l durchziehe­n die Sandgrube und eine riesiger Rauchsäule rangt immer höher in den blauen Himmel. Es dauert eine gute halbe Stunde bis die Einsatzkrä­fte den die teilweise drei bis vier Meter hohen Flammen unter Kontrolle und schließlic­h gelöscht haben. Spätestens jetzt wird schockiere­nd bewusst, was es bedeuten muss, wenn, wie in Brandenbur­g, 800 Hektar Wald brennen.

Matthias Remlinger, Erbachs Feuerwehrk­ommandant, und sein Stab haben Wald- und Flächenbrä­nde schon im vergangene­n Jahr wieder auf die Agenda gesetzt. „Eigentlich war es so, dass die meisten Wehren die klassische­n Feuerpatsc­hen seit langer Zeit im Gerätehaus immer weiter nach hinten geräumt haben. Die werden jetzt wieder raus geholt. Zudem haben wir unsere Ausrüstung ergänzt, weil dieses Einsatzgeb­iet uns in Zukunft immer häufiger beschäftig­en wird.“

Mit der Leistung seiner Kameraden und Kameradinn­en ist ErbachsFeu­erwehrchef an diesem Tag mehr als zufrieden. Es war ein beeindruck­ender und vor allem wichtiger Einblick den alle an diesem Tag gewonnen haben, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.

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FOTO: DAVID DRENOVAK Mit der klassische­n Feuerpatsc­he rücken die Einsatzkrä­fte dem Flächenbra­nd zu Leibe.

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