„Englishman“in New Ulm
Bei brütender Hitze brennt Sting ein Feuerwerk ab – Wermutstropfen für die Fans mit billigeren Karten
NEU-ULM - Sting hat ein Luxusproblem: Der Ex-Police-Sänger hat zahllose Hits verantwortet. „Englishman in New York“, „Message in a Bottle“, „Every Breath You Take“– stellt nur eine kleine Auswahl der auch in NeuUlm dargebotenen Lieder seiner „My Songs“-Tour dar, die – nach zweijähriger pandemiebedingter Verzögerung – am Sonntagabend im Neu-Ulmer Wiley gastierte. Und Sting enttäuscht seine Fans nicht. Sting, bürgerlich Gordon Matthew Thomas Sumner, liefert ab. Schwer haben es in Anbetracht von über 62 Millionen verkauften Tonträgern nur die neuen Songs.
Das ist ein wenig schade. Denn auch Songs wie „If it’s Love“seines erst kürzlich veröffentlichten Albums „The Bridge“zeigen die Kunst des 70-Jährigen, eingängige, melodische Geschichten mit der Gitarre zu erzählen. Wenn Sting im Neu-Ulmer Wiley vor 10 500 Menschen mit seinem knallgelben Jackett auf der Bühne steht, wirkt er einige Momente lang noch etwas verloren.
Sting ist keine Rampensau, das war er nie und wird er nie sein. Eine irgendwie geartete Kommunikation mit dem Publikum findet so gut wie nicht statt. „Eins, zwei, drei vier“, sagt er in gebrochenem Deutsch nur zu Beginn. Sting ist ein Künstler, der in kleineren Formaten noch besser „funktioniert“. Kaum auszumalen, wie der Weltstar etwa das Ulmer Zelt oder Roxy verzaubern könnte.
Im weiten Rund des Wiley sind Hits wie „Roxanne“Selbstläufer. Dieser schwebende Rhythmus, irgendwo zwischen Rock und Reggae ist einzigartig. Genauso wie die Zugabe „Every Breath You Take“, dessen Beat durch das Sample von Puff Daddy vor Jahren eine zweite Karriere hinlegte. Das sind die großen Momente des Konzerts. Besonders dicht ist auch „Desert Rose“, jener Song, der nordafrikanischen Raï-Gesang mit der einprägsamen Stimme Stings verbindet.
Nach 19 Songs und ziemlich genau anderthalb Stunden ist Schluss. Schade ist, dass Sting auf „Russians“verzichtete. Der Song über Russen und die Angst vor einem Atomkrieg aus dem Jahr 1985 erlebte in diesem Jahr, leicht umgeschrieben, eine neue Blüte. Vielleicht strich Sting auch ganz bewusst das Lied von der Setlist. Denn zu einem unbeschwerten Sommerabend mit einem Bier in der Hand passt die Thematik freilich nicht.
Apropos Bier: Dafür – und genauso wie für Wasser – musste man gerade vor Beginn des Konzerts sehr lange anstehen. Aber nur die Besucher der „billigen“Stehplatztickets. Denn für die teuren Sitzplätze gab es einen eigenen Verkaufsstand – ohne Wartezeiten.
Egal, ob die Künstler Sting, Guns n’ Roses oder Rolling Stones heißen, es ist inzwischen üblich, die besseren Plätze vor der Bühne für mehr Geld zu verkaufen. „Ich finde das sehr schade“, sagt Angela Fenkl. Die 59-Jährige aus Köln hatte ihrer Schwester aus Aalen das Ticket zum Geburtstag geschenkt. Von Sting, dem sozial sehr engagierten Künstler, hätte sie nicht erwartet, dass er diese Zweiteilung der Besucherinnen und Besucher in dieser Dimension mitmacht. Denn das komplette asphaltierte Areal im Wiley war bestuhlt, die Besucher und Besucherinnen mit Stehplatztickets mussten sich am Rand drängen.
Dass es auf dem Gelände auch anders geht, zeigte am Vortrag Mark Forster. Ein Mann, der im Gegensatz zum routinierten Sting eher Rampensau-Qualitäten zeigte – und das ganz ohne teurere Sitzplätze.
Veranstalter Carlheinz Gern ist dennoch sehr zufrieden mit der vielfältigen Konzertreihe: Wincent Weiss lockte 8500 Menschen, Mark
Forster 13 500 und Sting 10 500. Nun beginne die Akquise für die Konzerte im kommenden Jahr. „Das Wiley ist mit Abstand das beste und schönste Konzertgelände in der Region.“Gern hofft, dass er wieder ein Dreierset „en bloc“engagieren kann, der Aufbau für gleich drei Konzerte sei einfach lohnender.
Mit der Stadt Neu-Ulm sei die Kooperation mehr als gut. „Da merkst Du, die wollen solche Shows in der Stadt.“Einer der möglichen Superstars sei aber schon ausgeschieden: „Wir waren bei Bruce Springsteen mit im Rennen“, sagt Gern. Doch mit „Venues“wie dem Münchner Olympiastadion oder dem Hockenheimring habe Neu-Ulm letztlich doch nicht mithalten können. Wobei Gern sagt, dass theoretisch im Wiley 25 000 Menschen zugelassen wären.
Mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen sei sogar der Ausbau auf 40 000 Besucherinnen und Besuchern möglich. „Da sind Hammer möglich.“
Mit Videos versucht Gern jetzt Künstlerinnen und Künstlern das Wiley schmackhaft zu machen. Ein wichtiger Faktor sei zudem, das NeuUlm in die Tournee-Planung zwischen Stuttgart und München passe. Manche Veranstalter lassen sich vertraglich zusichern, dass in einem Umkreis von bis zu 150 Kilometern kein weiteres Konzert stattfindet.
Der Plan: ein Weltstar und vermutlich zwei deutsche Künstlerinnen oder Künstler. Von Rock bis Schlager: „Ich möchte, dass Roland Kaiser hier einmal spielt“, sagt Gern. „Der deutsche Schlagerstar gehört nach Neu-Ulm.“