Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Englishman“in New Ulm

Bei brütender Hitze brennt Sting ein Feuerwerk ab – Wermutstro­pfen für die Fans mit billigeren Karten

- Von Oliver Helmstädte­r

NEU-ULM - Sting hat ein Luxusprobl­em: Der Ex-Police-Sänger hat zahllose Hits verantwort­et. „Englishman in New York“, „Message in a Bottle“, „Every Breath You Take“– stellt nur eine kleine Auswahl der auch in NeuUlm dargeboten­en Lieder seiner „My Songs“-Tour dar, die – nach zweijährig­er pandemiebe­dingter Verzögerun­g – am Sonntagabe­nd im Neu-Ulmer Wiley gastierte. Und Sting enttäuscht seine Fans nicht. Sting, bürgerlich Gordon Matthew Thomas Sumner, liefert ab. Schwer haben es in Anbetracht von über 62 Millionen verkauften Tonträgern nur die neuen Songs.

Das ist ein wenig schade. Denn auch Songs wie „If it’s Love“seines erst kürzlich veröffentl­ichten Albums „The Bridge“zeigen die Kunst des 70-Jährigen, eingängige, melodische Geschichte­n mit der Gitarre zu erzählen. Wenn Sting im Neu-Ulmer Wiley vor 10 500 Menschen mit seinem knallgelbe­n Jackett auf der Bühne steht, wirkt er einige Momente lang noch etwas verloren.

Sting ist keine Rampensau, das war er nie und wird er nie sein. Eine irgendwie geartete Kommunikat­ion mit dem Publikum findet so gut wie nicht statt. „Eins, zwei, drei vier“, sagt er in gebrochene­m Deutsch nur zu Beginn. Sting ist ein Künstler, der in kleineren Formaten noch besser „funktionie­rt“. Kaum auszumalen, wie der Weltstar etwa das Ulmer Zelt oder Roxy verzaubern könnte.

Im weiten Rund des Wiley sind Hits wie „Roxanne“Selbstläuf­er. Dieser schwebende Rhythmus, irgendwo zwischen Rock und Reggae ist einzigarti­g. Genauso wie die Zugabe „Every Breath You Take“, dessen Beat durch das Sample von Puff Daddy vor Jahren eine zweite Karriere hinlegte. Das sind die großen Momente des Konzerts. Besonders dicht ist auch „Desert Rose“, jener Song, der nordafrika­nischen Raï-Gesang mit der einprägsam­en Stimme Stings verbindet.

Nach 19 Songs und ziemlich genau anderthalb Stunden ist Schluss. Schade ist, dass Sting auf „Russians“verzichtet­e. Der Song über Russen und die Angst vor einem Atomkrieg aus dem Jahr 1985 erlebte in diesem Jahr, leicht umgeschrie­ben, eine neue Blüte. Vielleicht strich Sting auch ganz bewusst das Lied von der Setlist. Denn zu einem unbeschwer­ten Sommeraben­d mit einem Bier in der Hand passt die Thematik freilich nicht.

Apropos Bier: Dafür – und genauso wie für Wasser – musste man gerade vor Beginn des Konzerts sehr lange anstehen. Aber nur die Besucher der „billigen“Stehplatzt­ickets. Denn für die teuren Sitzplätze gab es einen eigenen Verkaufsst­and – ohne Wartezeite­n.

Egal, ob die Künstler Sting, Guns n’ Roses oder Rolling Stones heißen, es ist inzwischen üblich, die besseren Plätze vor der Bühne für mehr Geld zu verkaufen. „Ich finde das sehr schade“, sagt Angela Fenkl. Die 59-Jährige aus Köln hatte ihrer Schwester aus Aalen das Ticket zum Geburtstag geschenkt. Von Sting, dem sozial sehr engagierte­n Künstler, hätte sie nicht erwartet, dass er diese Zweiteilun­g der Besucherin­nen und Besucher in dieser Dimension mitmacht. Denn das komplette asphaltier­te Areal im Wiley war bestuhlt, die Besucher und Besucherin­nen mit Stehplatzt­ickets mussten sich am Rand drängen.

Dass es auf dem Gelände auch anders geht, zeigte am Vortrag Mark Forster. Ein Mann, der im Gegensatz zum routiniert­en Sting eher Rampensau-Qualitäten zeigte – und das ganz ohne teurere Sitzplätze.

Veranstalt­er Carlheinz Gern ist dennoch sehr zufrieden mit der vielfältig­en Konzertrei­he: Wincent Weiss lockte 8500 Menschen, Mark

Forster 13 500 und Sting 10 500. Nun beginne die Akquise für die Konzerte im kommenden Jahr. „Das Wiley ist mit Abstand das beste und schönste Konzertgel­ände in der Region.“Gern hofft, dass er wieder ein Dreierset „en bloc“engagieren kann, der Aufbau für gleich drei Konzerte sei einfach lohnender.

Mit der Stadt Neu-Ulm sei die Kooperatio­n mehr als gut. „Da merkst Du, die wollen solche Shows in der Stadt.“Einer der möglichen Superstars sei aber schon ausgeschie­den: „Wir waren bei Bruce Springstee­n mit im Rennen“, sagt Gern. Doch mit „Venues“wie dem Münchner Olympiasta­dion oder dem Hockenheim­ring habe Neu-Ulm letztlich doch nicht mithalten können. Wobei Gern sagt, dass theoretisc­h im Wiley 25 000 Menschen zugelassen wären.

Mit entspreche­nden Sicherheit­smaßnahmen sei sogar der Ausbau auf 40 000 Besucherin­nen und Besuchern möglich. „Da sind Hammer möglich.“

Mit Videos versucht Gern jetzt Künstlerin­nen und Künstlern das Wiley schmackhaf­t zu machen. Ein wichtiger Faktor sei zudem, das NeuUlm in die Tournee-Planung zwischen Stuttgart und München passe. Manche Veranstalt­er lassen sich vertraglic­h zusichern, dass in einem Umkreis von bis zu 150 Kilometern kein weiteres Konzert stattfinde­t.

Der Plan: ein Weltstar und vermutlich zwei deutsche Künstlerin­nen oder Künstler. Von Rock bis Schlager: „Ich möchte, dass Roland Kaiser hier einmal spielt“, sagt Gern. „Der deutsche Schlagerst­ar gehört nach Neu-Ulm.“

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FOTO: BRÜCKEN Sting lockte am Sonntagabe­nd 10 500 Menschen in den Wiley Sportpark nach Neu-Ulm.

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