Schwäbische Zeitung (Ehingen)

An der Spitze der Eishockey-Welt

Der Augsburger Nico Sturm gewinnt mit Colorado als fünfter Deutscher den Stanley Cup

- Von Thomas Lipinski

TAMPA (SID) - Seine Stimme brach, als Nico Sturm nach dem StanleyCup-Triumph einen Gruß in die Heimat schicken wollte. „Mama und Papa zu Hause“, sagte der Augsburger emotional aufgewühlt nach dem entscheide­nden 2:1-Sieg mit der Colorado Avalanche im sechsten Finale gegen den Titelverte­idiger Tampa Bay Lightning am Sky-Mikrofon, „ich möchte einfach danke sagen.“Dann schossen ihm die Tränen in die Augen.

Als fünfter Deutscher die wichtigste Eishockey-Trophäe der Welt zu gewinnen – das war noch vor wenigen Monaten völlig unrealisti­sch gewesen. Erst im März war der 27Jährige nach Denver transferie­rt worden, es folgte ein denkwürdig­er Sturmlauf durch die NHL-Play-offs und am Ende „eine Explosion der Gefühle“, die Sturm recht sprachlos zurückließ: „Es fühlt sich so unrealisti­sch an. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“Anders als Superstar Leon Draisaitl, den er mit der „Lawine“

im Halbfinale ausgeschal­tet hatte, war der ehemalige Collegespi­eler keiner, der dem Spiel seines Teams den Stempel aufdrückte. Der Mittelstür­mer kam auch im letzten Match der Saison nur sporadisch aufs Eis, 5:43 Minuten lang war er vorwiegend mit Defensivau­fgaben betreut – das Spektakel veranstalt­eten andere wie der Kanadier Nathan MacKinnon, der den 1:1-Ausgleich selbst erzielte und das Siegtor des Finnen Artturi Lehkonen vorbereite­te.

Für seine (Neben-)Rolle beim dritten Titelgewin­n der Avalanche ist Sturm dennoch dankbar. Deshalb führte sein erster Weg nach der Schlusssir­ene im Trubel auf dem Eis zu General Manager Joe Sakic. „Ich habe mich bei ihm bedankt, dass er mich mit ins Boot geholt hat“, berichtete er, „sie haben mir die Möglichkei­t gegeben zu zeigen, dass ich so einer Mannschaft in bestimmten Situatione­n helfen kann.“

Er sei „ein Tiefenspie­ler“, sagte Sturm, „da geht es natürlich vor allem darum, hinten dicht zu machen, meine Bullys zu gewinnen, in Unterzahl

gut zu stehen.“So unspektaku­lär wie sein Spiel war bis vor Kurzem auch seine Karriere verlaufen: In seiner Heimatstad­t Augsburg ausgebilde­t, wechselte er in den Nachwuchs des Zweitligis­ten ESV Kaufbeuren, ging mit 19 nach Amerika – zu einem zweitklass­igen Juniorente­am.

Kein NHL-Club interessie­rte sich für ihn. Sturm, der noch nie für die Nationalma­nnschaft spielte, studierte Wirtschaft an der Clarkson University in Potsdam/New York und geriet erst als Collegespi­eler in den Blick der besten Eishockeyl­iga der Welt. Im April 2019 unterschri­eb er bei Minnesota Wild, drei Jahre später holte ihn Sakic nach Denver: „Das war natürlich mein Glück.“

Dabei waren die Avs noch vor wenigen Jahren am Boden. Am Ende der Saison 2016/17 hatte Colorado den 30. und letzten Platz in der NHL belegt. Die Bilanz verheerend: 56 Niederlage­n in 82 Spielen. „Das schlechtes­te NHL-Team vor fünf Jahren hat seine Reise an die Spitze der HockeyWelt Sonntagabe­nd vollendet“, schrieb die „Denver Post“– mit dem vierten Titel der Clubgeschi­chte.

Als Kind habe er davon geträumt, sagte Sturm., „in einem Stanley-CupFinale das entscheide­nde Tor zu schießen und dann den Cup in die Höhe zu stemmen“. Das Zweite wurde am Sonntagabe­nd in Florida Realität, „er war ganz schön schwer, und man möchte nicht derjenige sein, der ihn fallen lässt“.

Das Erste bleibt weiter als einzigem Deutschen Uwe Krupp vorbehalte­n, der vor 26 Jahren Colorado zum ersten NHL-Titel schoss. Doch Sturm reiht sich – dankbar und aufgewühlt – bei Dennis Seidenberg (2011), Tom Kühnhackl (2016 und 2017) und Philipp Grubauer (2018) ein, die vor ihm die legendäre Trophäe in Händen hielten.

Entspreche­nd erfreut zeigte sich auch Bundestrai­ner Toni Söderholm und gratuliert­e über die sozialen Netzwerke „einem feinen Menschen und Athleten, der sich alles durch harte, kompromiss­lose Arbeit verdient hat. Genieße den Stanley Cup, den heiligen Gral im Eishockey“.

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FOTO: BRUCE BENNETT/DPA Der Deutsche Nico Sturm mit der Rückennumm­er 78 gewinnt mit den Colorado Avalanche den Stanley Cup mit einem 2:1-Sieg im sechsten Spiel gegen Titelverte­idiger Tampa Bay Lightning.

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