Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Abreisen statt zuhören

Russlands Außenminis­ter Lawrow verlässt das G20-Treffen noch vor der Rede von Außenminis­terin Baerbock

- Von Jörg Blank, Carola Frentzen und Ulf Mauder

NUSA DUA (dpa) - Sergej Lawrow muss sich schon unangenehm­e Fragen gefallen lassen, da ist das G20Außenmi­nistertref­fen auf Bali noch gar nicht richtig losgegange­n. „When do you stop the war?“(„Wann beenden Sie den Krieg?“), will ein deutscher Journalist von dem Russen angesichts des Angriffs auf die Ukraine wissen, als Lawrow am Freitag von Gastgeberi­n Retno Marsudi auf der indonesisc­hen Urlaubsins­el begrüßt wird. Lawrow antwortet nicht. Der Journalist wird von Sicherheit­sleuten hinauskomp­limentiert.

Auch die tropischen Blumen und die sanfte, für Bali so typische Gamelan-Musik, die die Begrüßunge­n umrahmen, können das Konfliktpo­tenzial kaum übertünche­n. Im Großen Ballsaal des Luxus-Resorts direkt am Strand von Nusa Dua muss sich Lawrow hinter verschloss­enen Türen schwere Vorwürfe des Westens wegen der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Invasion anhören.

Die Auftaktsit­zung dreht sich um die Stärkung des Multilater­alismus – also der internatio­nalen Konfliktlö­sung. Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre G7-Kollegen der führenden demokratis­chen Wirtschaft­smächte werfen Russland immer wieder vor, diese weltweite Zusammenar­beit zu torpediere­n.

Auch die indonesisc­he Gastgeberi­n Retno Marsudi – der weltgrößte Inselstaat hat derzeit den G20-Vorsitz

– appelliert zu Beginn des Treffens eindringli­ch an Lawrow: „Unsere Verantwort­ung ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.“Brücken müssten gebaut werden, nicht Mauern. Schöne Worte, denen harte Fakten folgen.

Denn direkt nach seiner Rede vor den Kolleginne­n und Kollegen gibt Lawrow seine ganz eigene Antwort auf Kritik und Mahnungen. Er verlässt den Sitzungssa­al, entzieht sich so auch der Replik der deutschen Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne). Kurz darauf teilt Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa mit, der Minister werde das G20-Treffen vorzeitig verlassen. „Lawrow führt noch bilaterale Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab“, erklärt sie. Der erwartete Eklat ist da.

Am offizielle­n Essen und den am Nachmittag angesetzte­n Beratungen zur Nahrungs- und Energiesic­herheit nimmt Lawrow nicht mehr teil. Auch dort hätte er sich wohl schwere Vorwürfe von vielen Kolleginne­n und Kollegen anhören müssen. Baerbock sagt später, der Auftritt des Russen zeige, dass es „keinen Millimeter an Gesprächsb­ereitschaf­t“der Regierung in Moskau gebe. „Der Appell aller 19 Staaten war sehr deutlich an

Russland: Dieser Krieg muss ein Ende haben“, resümiert sie.

Lawrow beschuldig­t den Westen hingegen, den Übergang zu einer friedliche­n Lösung des Konflikts in der Ukraine zu verhindern – und deutet damit den Grund seiner Abreise an. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfe­ld anstrebten, „dann haben wir wahrschein­lich mit dem Westen nichts zu besprechen“, sagt er.

Baerbock hatte nach einer Absprache unter den G7-Staaten schon am Vorabend angekündig­t, sie werde Lawrow als amtierende Vorsitzend­e der Gruppe ihre Kritik direkt ins Gesicht sagen. Und „sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internatio­nalen Völkerrech­ts nicht akzeptiere­n“. Neben Deutschlan­d und den USA gehören der Gruppe Frankreich, Großbritan­nien, Italien, Japan, Kanada und die Europäisch­e Union (EU) an. Anders als beim Treffen der G20-Finanzmini­ster im April in Washington wollten die Mitglieder der G7-Gruppe führender demokratis­cher Wirtschaft­smächte diesmal nicht den Konferenzs­aal verlassen, das hatte Baerbock schon frühzeitig klargemach­t. Russland dürfe nicht die Bühne überlassen werden, erklärte sie vor dem Treffen. In der US-Hauptstadt hatten die Finanzmini­sterinnen der USA und Kanadas, Janet Yellen und Chrystia Freeland, den Raum verlassen, als der russische Ressortche­f Anton Siluanow das Wort ergriff.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow verlässt das G20-Treffen der führenden und aufstreben­den Wirtschaft­smächte vorzeitig.

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