Die Rückkehr der Zinsen
Fürs Festgeld gibt es wieder einen Ertrag – Trotzdem schrumpft die Kaufkraft
STUTTGART - Es ist fast wie früher, zumindest auf den ersten Blick. Bei den Banken gibt’s wieder Zinsen aufs Festgeld, und zwar bis zu 1,7 Prozent für drei Jahre. Also nichts wie rein ins Festgeld? Vorsicht ist hier geboten.
„Zwar stellt Festgeld eine sichere Anlage dar und kann eine sinnvolle Ergänzung zu Tagesgeld und Wertpapieren sein“, sagt Hendrik Buhrs, Experte des Geldratgebers Finanztip. 1,7 Prozent Zinsen machen über den Zinseszinseffekt nach drei Jahren aus 10 000 sogar 10 519 Euro.
Allerdings kann man die Rechnung nicht unter Einbeziehung der Inflation machen. Was man im vergangenen Jahr noch für 10 000 Euro kaufen konnte, kostet bei einer Teuerungsrate von 7,6 Prozent heute 10 760 Euro. Oder anders ausgedrückt: Die Kaufkraft meiner 10 000 Euro von 2021 ist heuer auf 9294 Euro geschrumpft. Sofern die Entwicklung so weitergeht, müsste man trotz 1,7 Prozent Sparzinsen pro Jahr rund fünf Prozent an Wertverlust hinnehmen.
In einer Modellrechnung von Finanztip, die sogar einen Rückgang der Inflation auf 4,0 im zweiten und 2,0 Prozent im dritten Jahr unterstellt, bleibt am Ende dennoch ein Kaufkraftverlust der angelegten 10 000 Euro von 733 Euro. Immerhin: Wer das Geld unverzinst auf dem Girokonto liegen lässt, verzeichnet nach drei Jahren gar einen Inflationsverlust von gut 1000 Euro. „Dennoch kann man sich die neuen Zinsen zunutze machen“, sagt Buhrs. Und zwar dann, wenn man Geld fest anlegt, das man kurzund mittelfristig benötigt. Will man als Verbraucher etwa in vier Jahren eine bestimmte Anschaffung tätigen, empfiehlt es sich, das Geld dafür sicher anzulegen. Festgeld ist in der EU bis 100 000 Euro pro Bank und Kunde gesetzlich abgesichert. „Und die Zinsen sind hier nur ein nettes Extra“, so Finanztip-Experte
Buhrs. Sparer, die sich noch nicht sicher sind, wann sie das Geld brauchen, können solche Festgelder auch flexibel nutzen, indem sie den Betrag aufteilen – also zum Beispiel 4000 Euro auf ein Jahr, 3000 Euro auf zwei und nochmal 3000 Euro auf drei Jahre anlegen. Diese Staffelung nennt man eine Zinstreppe. Wenn die ersten 4000 Euro auslaufen, können sie und die Zinsen anschließend wieder für drei Jahre angelegt werden. Auf diese Weise wird jedes Jahr Geld frei. Die Sparer sind dadurch flexibel und bekommen dennoch Zinsen.
Festgeldanlagen können aber den langfristigen Vermögensaufbau und die Altersvorsorge nicht ersetzen. Schließlich braucht man das Geld dafür erst in vielen Jahren beziehungsweise einigen Jahrzehnten. Im Rückblick ist man dabei mit global orientierten Aktienindexfonds als ETFs (Exchange Traded Funds) eindeutig besser gefahren. Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben die ETFs im Schnitt mehr als sieben Prozent Rendite pro Jahr gebracht, rechnet Finanztip vor. „Selbst bei der aktuellen Inflation hätte man also kein Geld verloren“, betont Buhrs. Und ohne solch hohe Inflation, wie sie jetzt herrscht, ergäbe sich eine richtig gute Performance. Auch bei ETFs ist es möglich, die Zinsen gleich wieder mitzuanlegen. Verwendet man einen sogenannten thesaurierenden ETF, der die Zinsen gleich wieder anlegt, werden aus 10 000 Euro nach 15 Jahren und einer angenommenen Jahresrendite von sieben Prozent jährlich knapp 27 600 Euro vor Steuern. Wer jeden Monat per Sparplan noch einen Hunderter drauflegt, kann sich am Ende über ein kleines Vermögen von 58 900 Euro vor Steuern
freuen. Damit wird klar, dass sich Geld am besten mit Plan vermehrt. Geld, das man bereits in ein paar Jahren braucht, kann ja, wie gezeigt, als Festgeld untergebracht werden. Der Rest sollte auch laut Finanztip in einen weltweiten Aktien-ETF fließen.
In Deutschland schätzen eine wachsende Menge von Anlegern seit Jahren die Vorteile der passiven, börsengehandelten Indexfonds, um flexibel und breit gestreut in verschiedene Märkte zu investieren. Zu den Gründen für den Höhenflug der ETFs gehören außerdem ihre Nachvollziehbarkeit und insbesondere die relativ geringen Kosten. Diese liegen deutlich unter denen von aktiven Fonds, bei denen ein Fondsmanager Aktien einzeln aussucht. Damit zahlen Anleger nicht nur deutlich weniger bis gar keine Provision für die Vermittlung oder den Kauf von ETFs. Auch die laufenden Kosten machen im besten Fall nur ein Siebtel der Kosten aktiver Fonds aus.