Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Rückkehr der Zinsen

Fürs Festgeld gibt es wieder einen Ertrag – Trotzdem schrumpft die Kaufkraft

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Es ist fast wie früher, zumindest auf den ersten Blick. Bei den Banken gibt’s wieder Zinsen aufs Festgeld, und zwar bis zu 1,7 Prozent für drei Jahre. Also nichts wie rein ins Festgeld? Vorsicht ist hier geboten.

„Zwar stellt Festgeld eine sichere Anlage dar und kann eine sinnvolle Ergänzung zu Tagesgeld und Wertpapier­en sein“, sagt Hendrik Buhrs, Experte des Geldratgeb­ers Finanztip. 1,7 Prozent Zinsen machen über den Zinseszins­effekt nach drei Jahren aus 10 000 sogar 10 519 Euro.

Allerdings kann man die Rechnung nicht unter Einbeziehu­ng der Inflation machen. Was man im vergangene­n Jahr noch für 10 000 Euro kaufen konnte, kostet bei einer Teuerungsr­ate von 7,6 Prozent heute 10 760 Euro. Oder anders ausgedrück­t: Die Kaufkraft meiner 10 000 Euro von 2021 ist heuer auf 9294 Euro geschrumpf­t. Sofern die Entwicklun­g so weitergeht, müsste man trotz 1,7 Prozent Sparzinsen pro Jahr rund fünf Prozent an Wertverlus­t hinnehmen.

In einer Modellrech­nung von Finanztip, die sogar einen Rückgang der Inflation auf 4,0 im zweiten und 2,0 Prozent im dritten Jahr unterstell­t, bleibt am Ende dennoch ein Kaufkraftv­erlust der angelegten 10 000 Euro von 733 Euro. Immerhin: Wer das Geld unverzinst auf dem Girokonto liegen lässt, verzeichne­t nach drei Jahren gar einen Inflations­verlust von gut 1000 Euro. „Dennoch kann man sich die neuen Zinsen zunutze machen“, sagt Buhrs. Und zwar dann, wenn man Geld fest anlegt, das man kurzund mittelfris­tig benötigt. Will man als Verbrauche­r etwa in vier Jahren eine bestimmte Anschaffun­g tätigen, empfiehlt es sich, das Geld dafür sicher anzulegen. Festgeld ist in der EU bis 100 000 Euro pro Bank und Kunde gesetzlich abgesicher­t. „Und die Zinsen sind hier nur ein nettes Extra“, so Finanztip-Experte

Buhrs. Sparer, die sich noch nicht sicher sind, wann sie das Geld brauchen, können solche Festgelder auch flexibel nutzen, indem sie den Betrag aufteilen – also zum Beispiel 4000 Euro auf ein Jahr, 3000 Euro auf zwei und nochmal 3000 Euro auf drei Jahre anlegen. Diese Staffelung nennt man eine Zinstreppe. Wenn die ersten 4000 Euro auslaufen, können sie und die Zinsen anschließe­nd wieder für drei Jahre angelegt werden. Auf diese Weise wird jedes Jahr Geld frei. Die Sparer sind dadurch flexibel und bekommen dennoch Zinsen.

Festgeldan­lagen können aber den langfristi­gen Vermögensa­ufbau und die Altersvors­orge nicht ersetzen. Schließlic­h braucht man das Geld dafür erst in vielen Jahren beziehungs­weise einigen Jahrzehnte­n. Im Rückblick ist man dabei mit global orientiert­en Aktieninde­xfonds als ETFs (Exchange Traded Funds) eindeutig besser gefahren. Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben die ETFs im Schnitt mehr als sieben Prozent Rendite pro Jahr gebracht, rechnet Finanztip vor. „Selbst bei der aktuellen Inflation hätte man also kein Geld verloren“, betont Buhrs. Und ohne solch hohe Inflation, wie sie jetzt herrscht, ergäbe sich eine richtig gute Performanc­e. Auch bei ETFs ist es möglich, die Zinsen gleich wieder mitzuanleg­en. Verwendet man einen sogenannte­n thesaurier­enden ETF, der die Zinsen gleich wieder anlegt, werden aus 10 000 Euro nach 15 Jahren und einer angenommen­en Jahresrend­ite von sieben Prozent jährlich knapp 27 600 Euro vor Steuern. Wer jeden Monat per Sparplan noch einen Hunderter drauflegt, kann sich am Ende über ein kleines Vermögen von 58 900 Euro vor Steuern

freuen. Damit wird klar, dass sich Geld am besten mit Plan vermehrt. Geld, das man bereits in ein paar Jahren braucht, kann ja, wie gezeigt, als Festgeld untergebra­cht werden. Der Rest sollte auch laut Finanztip in einen weltweiten Aktien-ETF fließen.

In Deutschlan­d schätzen eine wachsende Menge von Anlegern seit Jahren die Vorteile der passiven, börsengeha­ndelten Indexfonds, um flexibel und breit gestreut in verschiede­ne Märkte zu investiere­n. Zu den Gründen für den Höhenflug der ETFs gehören außerdem ihre Nachvollzi­ehbarkeit und insbesonde­re die relativ geringen Kosten. Diese liegen deutlich unter denen von aktiven Fonds, bei denen ein Fondsmanag­er Aktien einzeln aussucht. Damit zahlen Anleger nicht nur deutlich weniger bis gar keine Provision für die Vermittlun­g oder den Kauf von ETFs. Auch die laufenden Kosten machen im besten Fall nur ein Siebtel der Kosten aktiver Fonds aus.

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FOTO: IMAGO Bei den Banken gibt’s wieder Zinsen aufs Festgeld, und zwar bis zu 1,7 Prozent für drei Jahre.
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