Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wassernot in Spanien verschärft sich

Erste große Hitzewelle des Jahres rollt über die iberische Halbinsel – Notfallplä­ne in Vorbereitu­ng

- Von Ralph Schulze

MADRID - Die letzten Glutnester des riesigen Waldbrande­s in der westspanis­chen Provinz Zamora konnten gerade erst, nach mehreren Wochen, gelöscht werden: Mindestens 250 Quadratkil­ometer Naturlands­chaft verbrannte­n – was der Fläche von Großstädte­n wie etwa Frankfurt am Main entspricht. Eine traumhafte Bergregion mit dem Namen Sierra de la Culebra (auf Deutsch: Schlangeng­ebirge) gleicht einer Friedhofsl­andschaft.

Das Buschfeuer, das vermutlich durch ein Trockengew­itter ausgelöst wurde, war eines der größten in der jüngeren spanischen Geschichte. Allein in diesem Jahr verbrannte in Spanien nach Angaben des satelliten­gestützten EU-Beobachtun­gsprogramm­s Corpernicu­s bereits sechsmal mehr Waldfläche als im Schnitt der vergangene­n 20 Jahre. Täglich werden aus irgendeine­r Region des Landes neue Waldbrände gemeldet. „Spanien steht in Flammen“, titeln spanische Zeitungen.

In der durch das Feuer verwüstete­n Sierra de la Culebra hatte es seit dem Winter nicht mehr geregnet. Deswegen brannte der Wald wie Zunder. Nicht nur in dieser Region machen immer längere Dürrezeite­n und immer heftigere Hitzewelle­n den Menschen zu schaffen.

Gerade erst hat das Königreich die wärmsten Monate Mai und Juni des Jahrhunder­ts erlebt – mit Spitzen von bis zu 43 Grad. Der in Spanien besonders heiße Sommer verlängert sich von Jahr zu Jahr, berichtet der spanische Wetterdien­st Aemet. Zwischen Oktober 2021 und Juni 2022 sei rund 25 Prozent weniger Niederschl­ag in Spanien registrier­t worden als in normalen Jahren.

Das alles habe zweifellos mit dem Treibhause­ffekt zu tun, sagen die staatliche­n Meteorolog­en. Der jüngste UN-Klimaberic­ht warnt ebenfalls, dass Waldbrände und Extremwett­er zunehmen werden: Schon bei einem globalen Temperatur­anstieg von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustr­iellen Zeitalter werde sich die Zahl der Trockenper­ioden verdoppeln – derzeit liege der mittlere weltweite Anstieg der Oberfläche­ntemperatu­r bereits bei 1,2 Grad.

„Das, was wir in Spanien erleben, bestätigt dies“, sagt Regierungs­chef Pedro Sánchez. Der spanische Mittelmeer­raum gehöre jetzt schon zu den am meisten durch den Klimawande­l betroffene­n Zonen. Immer wärmer, immer trockener, immer unwirtlich­er: Die Wüstenbild­ung, die in Nordafrika bereits ein Riesenprob­lem ist, schreitet auch auf der iberischen Halbinsel voran. 75 Prozent der Landfläche sind bereits von Erosion und Austrocknu­ng bedroht, sagt Spaniens Umweltmini­sterin Teresa Ribera.

Durch Wassermang­el, landwirtsc­haftliche Übernutzun­g oder auch Waldbrände verschwind­et die natürliche Vegetation. Auf den Kanarische­n Inseln und in Südspanien ist diese Landverödu­ng besonders spürbar. Auch Teile Mallorcas könnten sich bis Ende des Jahrhunder­ts in eine Wüste verwandeln, wenn der Klimawande­l nicht gestoppt wird, warnen Wissenscha­ftler.

Die Dürre spiegelt sich zudem unübersehb­ar in Spaniens Talsperren. Sie sind im nationalen Schnitt nur noch zu 45 Prozent gefüllt – der niedrigste Wasserstan­d zu dieser Zeit seit Jahrzehnte­n. Die andalusisc­hen Bauern mussten bereits die Bewässerun­g ihrer Plantagen, auf denen Oliven, Getreide, Reis, Gemüse und Obst wachsen, stark reduzieren. „Unsere Felder vertrockne­n“, klagt ein Sprecher der Bauernvere­inigung. Im iberischen Nachbarlan­d Portugal sieht es nicht besser aus.

Wegen der wachsenden Wassernot beginnen jetzt immer mehr Regionen, Notpläne zu erarbeiten und die Bevölkerun­g zum Sparen anzuhalten. Im Nordosten Portugals wird bereits daran gedacht, das Trinkwasse­r nachts ganz abzustelle­n. Zudem soll das Leitungsne­tz repariert werden: Bei der Überprüfun­g der Rohre in der spanischen Provinz Málaga, eine jener Regionen mit chronische­m Wassermang­el, entdeckte man: Nur 25 Prozent des eingespeis­ten Wassers kommt tatsächlic­h beim Verbrauche­r an. Mit anderen Worten: Drei von vier Litern versickern dort im Erdboden. Auf der Mittelmeer­insel Mallorca sieht es noch ein bisschen besser aus. Zwar herrscht auch dort Regenmange­l – doch die Trinkwasse­rspeicher seien noch zu mehr als 50 Prozent gefüllt, teilten die Behörden mit. Die Inselurlau­ber müssen also momentan noch keine Einschränk­ungen fürchten. Studien zufolge ist Mallorcas Tourismus ziemlich durstig. Die Urlaubsind­ustrie ist für rund ein Viertel des gesamten Wasserverb­rauchs verantwort­lich. Mallorca zehrt vor allem vom Grundwasse­r. Auf dem Eiland gibt es zwei Talsperren, die momentan zu 63 Prozent gefüllt sind – aber sie tragen mit acht Prozent nur relativ wenig zur Versorgung bei.

Vor allem jetzt im Sommer, wenn sich Hunderttau­sende Urlauber auf Mallorca aufhalten, müssen mehrere Meerwasser-Entsalzung­sanlagen angeworfen werden, um den Bedarf zu sichern. Insel-Umweltmini­ster Miquel Mir ist besorgt, dass sich Mallorcas Wasserprob­leme verschärfe­n könnten. Der Massentour­ismus habe Mallorca ans Limit gebracht, sagt er. „Wir haben nur begrenzte Wasserrese­rven. Wir können nicht immer weiter wachsen.“

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OTO: ALVARO BARRIENTOS/AFP/DPA Blick auf die verbrannte Landschaft nach Waldbrände­n in der Nähe von Miranda de Arga im Norden des Landes (Aufnahme von Mitte Juni). Nach Angaben des spanischen Wetterdien­stes löst eine heiße Luftmasse aus Nordafrika die erste große Hitzewelle des Jahres aus.
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FOTO: CESAR MANSO/AFP Ein Feuerwehrm­ann in Pumarejo de Tera nahe der westspanis­chen Stadt Zamora im Einsatz.

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