Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Als Frau muss man in diesem Job immer 140 Prozent geben“

Myriam Krüger spircht als Geschäftsf­ührerin beim SSV Ulm 1846 Fußball über die Rolle der Frau in einer Männerdomä­ne

-

ULM (scö) - Myriam Krüger ist seit November 2020 Geschäftsf­ührerin beim SSV Ulm 1846 Fußball. Sie spricht über Probleme des Frauenfußb­alls, Vorurteile und die EM in England.

Frau Krüger, seit Mittwoch läuft in England die Fußball-Europameis­terschaft der Frauen, am Freitagabe­nd beginnt das Turnier auch für Deutschlan­d. Was trauen Sie dem Team zu?

Es wird nicht einfach, die Gruppenpha­se zu überstehen. Die Zeiten, in denen Europameis­terschafte­n ein Selbstläuf­er waren und die Spiele hoch gewonnen wurden, sind vorbei. Die anderen Nationen haben aufgeholt und das Auftaktpro­gramm mit Spielen gegen starke Gegner wie Spanien und Dänemark hat es in sich.

Gerade Gastgeber England ist seit einigen Jahren auf der Überholspu­r unterwegs. Was läuft dort besser als in Deutschlan­d?

Auch Spanien macht große Fortschrit­te. Es gibt in diesen Ländern Richtlinie­n seitens der Verbände, dass die großen Klubs auch den Frauenfußb­all finanziell unterstütz­en müssen. Es ist schön zu sehen, wie es funktionie­ren kann.

Hat sich Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren vielleicht zu sehr darauf ausgeruht, dass man zur Weltspitze gehört?

Man hat sich gedacht: Es funktionie­rt ja. In den vergangene­n Jahren hat Deutschlan­d zwar Titel gewonnen, aber in der Bundesliga war vieles im Argen. Es lief nicht immer sehr profession­ell ...

... wobei wir beim Thema Bezahlung wären. Equal Pay, als der

Grundsatz der Gleichbeha­ndlung, ist gerade in aller Munde.

Ich verstehe schon, dass bei den Männern durch Zuschauerz­ahlen, Sponsoren und Medienpräs­enz mehr Geld fließt und daher mehr bezahlt wird. Aber die Schere geht zu weit auseinande­r.

Wie bewerten Sie die Entwicklun­g des Frauenfußb­alls generell?

Es tut sich schon was. Aber nehmen wir diese EM doch mal als Beispiel. Wenn wir hier in der Region auf die Straße gehen und die Frage stellen würden, welches große Turnier gerade stattfinde­t, könnten von zehn Menschen wahrschein­lich nur zwei darauf antworten. Bei einer MännerEM wüsste bestimmt jeder Bescheid. In England gibt es sogar Public Viewing, bei uns in Deutschlan­d bekommt man fast nichts mit. Das finde ich total schade. Natürlich kann Frauen- nicht mit Männerfußb­all verglichen werden. Aber Frauen betreiben auch einen großen Aufwand, sind technisch und taktisch sehr gut.

Auch wenn Sie diese Frage wahrschein­lich längst nicht mehr hören können: Was ist denn dann der generelle Unterschie­d?

Die Frauen sind nicht so schnell wie die Männer. Aber das ist doch bei der Leichtathl­etik auch so. Da laufen die Männer auch schneller als die Frauen, aber die bekommen trotzdem die Wertschätz­ung für tolle Zeiten. Ich finde: Beim Fußball werden Frauen und Männer einfach immer noch zu sehr miteinande­r verglichen.

Stört es Sie, dass immer noch von Frauenfußb­all die Rede ist und nicht einfach von Fußball?

Nein, stören tut es mich nicht. Ich finde es einfach schade. Noch ein Beispiel: Ich war mal auf einem Dorffußbal­lplatz. Unten haben die Frauen gespielt und oben standen die Männer, haben zugeschaut und abfällig gelästert. Danach haben die Männer selbst gespielt – und es sah nicht viel besser aus (lacht).

Glauben Sie, dass es in Deutschlan­d irgendwann eine Profi-Liga geben könnte, die für die Spielerinn­en wirklich rentabel ist?

Die Nationalsp­ielerinnen oder diejenigen, die in Wolfsburg, bei Bayern München oder Eintracht Frankfurt spielen, können vom Fußball bestimmt leben. Aber bei kleineren Mannschaft­en müssen die meisten Spielerinn­en nebenher arbeiten. Ich hatte bei Freiburg sechs, sieben Mal Training in der Woche – und nebenher einen Job. Das ist ein enormer Aufwand. Schade, dass man es noch nicht hinbekommt, dass sich die Mädels ganz aufs Fußballspi­elen konzentrie­ren können.

Inzwischen sind Sie Geschäftsf­ührerin beim SSV Ulm 1846 Fußball. In einer Männerdomä­ne. Welche Erfahrunge­n haben Sie bislang dort als Frau gemacht?

Man muss in diesem Job 140 Prozent geben und darf sich keine großen Fehler erlauben. Der Anfang war schwer, aber ich bekomme inzwischen die Wertschätz­ung. Im Verein sehen sie, dass ich Ahnung vom Fußball habe und mitreden kann. Das macht es einfacher.

Der SSV Ulm 1846 Fußball hat vor zwei Jahren seine Frauenfußb­allSparte an den VfL Ulm abgegeben. Hätten Sie die nicht gerne wieder bei sich im Verein?

Wir stecken voll in der Entwicklun­g, wollen das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum voranbring­en und mit den Männern in die 3. Liga aufsteigen. Um den Frauenfußb­all im Verein weiterzubr­ingen, müsste der volle Fokus darauf gelegt, viel Zeit und Personal investiert werden. Aber das können wir momentan einfach nicht. Auf der einen Seite wollen wir immer profession­eller werden, auf der anderen steht die Frauenmann­schaft für den Breitenspo­rt. Da gibt es Konflikte. Aber man sollte im Leben nie nie sagen ...

Gibt es im NLZ Mädchen? Momentan leider nicht. Aber ich würde es begrüßen, wenn sich auch Mädels zu uns trauen.

Ist es eigentlich gut, dass Mädchen und Buben so lange zusammensp­ielen?

Ich habe bis zur C-Jugend bei den Jungs gekickt und würde jedem Mädchen empfehlen, das so lange wie möglich zu machen. Für die eigene Entwicklun­g auf dem Platz ist das nur von Vorteil.

Mit Inka Grings und Imke Wübbenhors­t haben es in den vergangene­n Jahren zwei Frauen als Trainerinn­en bis in die Regionalli­ga der Männer geschafft. Wäre das auch in Ulm denkbar?

Beim Fußball kommt es nicht aufs Geschlecht an, sondern aufs Wissen und Können. Wenn wir irgendwann einmal einen neuen Trainer suchen sollten und sich dann eine Frau bewirbt, die gut ist – warum denn nicht?

 ?? FOTO: SCHÖTTL ?? Myriam Krüger arbeitet als Führungskr­aft beim SSV Ulm 1846 Fußball.
FOTO: SCHÖTTL Myriam Krüger arbeitet als Führungskr­aft beim SSV Ulm 1846 Fußball.

Newspapers in German

Newspapers from Germany